Da sitzen Caro und ich des Nachts bei Rum und Martinis beisammen, plaudern freundlich entspannt über Gott und die Welt, aus der Krawallbox (vulgo Bluetooth SoundBox) spielt via Funke (vulgo Mobilfunktelephon) und Spotify mehr aus Zufall im Hintergrund Max Raabe, da sagt Caro plötzlich „Hast Du nicht mal Lust, auf ein Max Raabe-Konzert zu gehen?“ „Warum nicht?“ entgegne ich und greife zur Funke, um die Konzertdaten des Herren zu suchen. In unserer Gegend ist er gerade nicht unterwegs, er gastiert im Winter wohl länger im Admiralspalast in Berlin. Warum nicht Berlin, finden Caro und ich übereinstimmend, Adlon ist im Januar / Februar traditionell recht wohlfeil, und ich mache mich daran, online Karten zu bestellen. Ohne genau zu wissen, wie mir geschieht (und auch ohne dies kritisch zu hinterfragen, ich Idiot), lande ich auf einer Plattform Namens Viagogo (www.viagogo.de). Der Auftritt der Plattform scheint seriös, der Online-Bestellvorgang ist professionell und komfortabel gestaltet, nur die ständigen Pop-Up-Fenster, die mir sagen, ich müsse jetzt sofort den Bestellvorgang kostenpflichtig abschließen, sonst seien die letzten verfügbaren Karten womöglich weg, nerven tierisch. Nun ja, die Bestellung nimmt Gestalt an, wir suchen gemeinsam Plätze aus, Preise erscheinen, dann erscheinen Zuschläge und Liefergebühren und Gebühren-Gebühren, der Gesamtpreis steigt kontinuierlich, aber nun gut, ich habe keinerlei Ahnung, was Konzerttickets für Max Raabe derzeit wohl kosten, und voller Vertrauen in das Gute im Menschen gehe ich davon aus, dass das schon irgendwie seine Richtigkeit hat, auch bei Caro, die sonst eigentlich ein sehr misstrauischer Mensch ist, schrillen keine Alarmglocken, sondern nur Verwunderung über den doch recht hohen Preis. Nun denn, Kreditkartennummer eingegeben, bezahlpflichtig bestellt, ich erhalte sogleich eine freundliche Mail, dass mir die Tickets demnächst mit UPS an meine Privatadresse zugestellt würden, noch rasch das Hotel in Berlin gebucht und auf ein schönes gemeinsames Wochenende vorgefreut.
Ein paar Tage später kommen unsere beiden Tickets tatsächlich per Post, und darauf steht der Verkaufspreis von je 42 EURO, während wir bei Viagogo je 112,86 EURO pro Ticket gezahlt haben, also ziemlich exakt das 2,5-Fache vom Originalpreis. Während ich mich scheckig über meine Dämlichkeit ärgere, schäumt Caro vor Wut. Sofort kontaktiert sie einen auf Internet-Recht und –Kriminalität spezialisierten Kollegen, aber der belehrt uns nur, dass Viagogo ein altbekanntes, höchst suspektes Unternehmen sei, gegen das man allerdings wenig unternehmen könne, da es in der Schweiz sitze, so dass EU-Recht und EU-Verbraucherschutz nicht griffen. Betrieben wird der Laden von einem Ami Namens Eric Baker und lt. Wikipedia wird er finanziert von einem Brent Hoberman und dem Rothschild-Clan, aber auch Andre Agassi und Stefanie Graf haben hier investiert (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Viagogo). Dabei handelt es sich bei Viagogo nicht um einen eigentlichen Ticket-Händler, sondern um eine Art ebay für Tickets, eine Plattform über die anonyme Dritte Tickets weiter verscherbeln. Viagogo steht dabei immer wieder im Verdacht, selber solche Tickets zu erwerben und dann zu Phantasiepreisen weiter zu veräußern. Deswegen hat die Band Rammstein etwa eine Verfügung erwirkt, dass Rammstein-Tickets nicht mehr über die Plattform gehandelt werden dürfen. Das Handelsblatt berichtete jüngst über massive Kundenbeschwerden seit vielen Jahren, und dass das Schweizer Wirtschaftsministerium Viagogo verklagt habe, während die Britische Wettbewerbsbehörde CMA bereits erfolgreich ein Urteil gegen den Laden erwirkt habe (vgl. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/viagogo-gruender-eric-baker-der-tickethaendler-den-kuenstler-und-kunden-hassen/23829104.html).
Wie den auch sei, zusätzlich zu den – fairen – 84 EURO für zwei Tickets habe ich einem Unternehmen, das ich zwischenzeitlich für einen reinen Abzock-Schuppen halte 141,72 EURO für seine Vermittlungsdienste in den Rachen geworfen, was dann ja doch unverhältnismäßig viel erscheint. Aber irgendwie muss die Google Werbung ja finanziert werden, mit der sich Viagogo zu bestimmten Zeiten – Abends und an Wochenenden – auf den ersten Anzeigen-Platz in der Google-Suche katapultieren lässt, um von Vollidioten wie mir gefunden und arglos genutzt zu werden. Gleich darunter finden sich dann Ticket-Angebote von seriösen Anbietern, etwa von Eventim, wo die Karten für die gleiche Veranstaltung zwischen 40 und 87 EURO kosten. Teures Lehrgeld, aber selber schuld …