Dass der Naschmarkt in Wien im Arsch ist und zu einer künstlichen Disneyland-gleichen Retortenveranstaltung und Abzocke für dumme Massentouristen aus aller Herren Länder verkommen ist, bei denen windige Geschäftsleute aus allen Staaten des Balkans und Arabiens – nicht aber mehr Österreicher – überteuerten Schund und Schrott und Fraß lautstark an schaulustige Touristen – nicht aber mehr Österreicher – verhökern, aber an frische innerstädtische Nahversorgung – für die der Naschmarkt ja ursprünglich mal stand – hier nicht mehr zu denken ist, hatte ich ja bereits verschiedentlich zeternd und lamentierend festgestellt.
Aber jetzt geht’s auch mit dem Flohmarkt, der jeden Samstag am westlichen Ende des Naschmarkts stadtauswärts ab der Kettenbrückengasse stattfindet, munter den Bach hinunter. Zu „meiner“ Zeit, in den achtziger Jahren in Wien, gab es Wartelisten für Standplätze auf dem Naschmarkt, jedwede verfügbare Fläche zwischen Linker und Rechter Wienzeile war dicht an dicht bis auf’s letzte Ecklein belegt, neben allem obligatorischem Flohmarkt-Ramsch verhökerten hier Teens aus besserem Hause ihre zweimal getragenen Modefummel, um sich neue Modefummel kaufen zu können, daneben Berge von Autoradios mit seltsam verbeulten Frontpartien, als hätte man sie massenweise aus Autos gebrochen und gestohlen (ein Schelm, der Böses dabei denkt), alte Bauernmöbel, die windige Händler kleinen Bergbäuerlein für nen Appel und nen Ei abgeschwatzt hatten wurden jetzt hier teuer zum Verkauf gebracht, grimmige Balkanesenmänner arbeiteten tatkräftig an der Abrüstung in Krisengebieten und boten nur wenig kaschiert scharfe Waffen aus ihrer Heimat feil, an der Haltestelle Kettenbrückengasse das Dealer-Cluster, wo man alles von Gras über LSD bis Heroin bekam und manchmal sogar nicht über’s Ohr gehauen wurde, dann Raubkopien der ersten Video-Kassetten, gefälschte Markenklamotten, kaum versteckte – dem trauere ich nun wirklich nicht nach – Kinderpornos, trauernde Erben, die Omas Hausrat direkt und meist unter Preis verhökerten, illegale Händler ohne Standplatz und Ausweis, die mit der Marktpolizei fangen spielten … kurzum, es war was los auf dem Naschmarkt, irgendwie war er noch authentisch, aufregend, etwas verrucht, man konnte noch das eine oder andere Schnäppchen machen, altes Neues und neues Altes entdecken, einfach nur schauen und mit großen Augen staunend umherstreifen (und dabei unbedingt auf seine Börse aufpassen). Aus und vorbei. Der Naschmarkt-Flohmarkt ist zwischenzeitlich zu einer riesigen Sperrmüllhalde verkommen, auf der der letzte Schrott auch noch gegen Geld an den blöden Mann und die blöde Frau – vorzugsweise aus dem Ausland, vorzugsweise Tourist/in, vorzugsweise solvent und vorzugsweise dumm wie Bohnenstroh – gebracht wird. Doch selbst dieses Konzept hat sich überholt. Das erste Mal in meinem ganzen Leben habe ich an einem Samstag unbelegte Standflächen auf dem Naschmarkt-Flohmarkt gesehen, und zwar nicht nur eine oder zwei, sondern Dutzende. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff …