Heiligen Blut ist eine Wallfahrtsstätte der katholischen Christenheit. Wallfahrer suchen Anstrengungen, Entbehrungen, Kasteiungen niederen Ortes, um ihre Sünden höheren Ortes verziehen zu bekommen. Das Hotel Gasthof „Zum Bach“ in Neukirchen beim Hl. Blut ist zweifelsohne dazu angetan, dort einkehrenden Wallfahrern Entbehrungen und Kasteiungen in recht erklecklichem Maße zukommen zu lassen, für die drüben sicherlich viele Strafen erlassen werden.
Da fährt der grantelnde chronische Nörgler den ganzen Tag durch den Bayrischen Wald, gegen Abend erreicht er – purer Zufall – Neukirchen, schaut sich die drei örtlichen Gasthäuser an und geht in das – dem Eindruck nach vermeintliche – erste Haus am Platze. „So schlimm kann es ja nicht werden“, denkt sich der Nörgler, und siehe, es kam schlimmer. Bereits beim Einchecken am Tresen in der Gaststube fiel ein eigenartig säuerlicher Geruch auf: der kam von einem knappen Dutzend großer Schüsseln voller Salate – das „Salatbuffet“ –, die vollkommen offen, unabgedeckt und ungekühlt auf einem Tisch mitten im Gastraum stehen, 5 Stunden später, gegen 22 Uhr, stehen sie noch immer dort, allerdings halbleergefressen und der Tisch darunter voller Grünzeugfetzen und Dressingflecken. Da ist man als Gast doch froh, dass die Salate zumeist augenscheinlich aus dem großen Convenience-Eimer kommen, jedes Milligramm Konservierungsstoffe ist hier hilfreich. Das Abendessen wird dem „Salatbuffet“ sodann voll und ganz gerecht. Ein dünnes Kuh-Süppchen mit gummi-artigen Brätknödeln macht den Anfang. Es folgt sensationeller Spargel: es ist eine absolute Sensation, dass dieses breiig-verkochte Zeugs noch irgendwie die Form von Spargelstangen behält; von der Konsistenz her müsste das Zeugs eigentlich zu einer Brei-Pfütze zerfließen müssen. Und wenn die Bérnaise dazu tatsächlich – wie auf der Speisekarte angegeben – „hausgemacht“ ist, fresse ich den Küchenbesen; aller-typischste Convenience-Ware, vielleicht hat die Spülfrau in der Küche noch etwas Kerbel und Estragon in die Tüten-Hollandaise geworfen. Die Paprika-Sauce zum Paprika-Schnitzel nicht schlecht, aber sie verdeckt einen mit Fett und Sehnen durchzogenen Fetzen gebratenen toten Schweines (den man auch mit viel Wohlwollen nicht als Schnitzel bezeichnen kann), die „hausgemachten Rösti“ dazu zwei halb-verbrannte Kartoffel-Klumpen aus der Fritteuse. Einziger Lichtblick die Tatsache, dass die – freundliche, motivierte, hoffnungslos überforderte –Bedienung bei vollem Gastgarten (Sonnenschirme gibt’s nur für die eine Hälfte der Tische, die anderen müssen in der prallen Sonne sitzen) und gut gefülltem Restaurant alleine ist – das verzögert die Anlieferung der kulinarischen Grausamkeiten etwas. Die Qualität des Frühstücks entsprach der des Abendessens, wo zuvor die Salate standen, standen jetzt Berge billigster Wurst (Hauptsache viel), dünner Kaffee, Marmeladen und Kräuterquark in der selben – ungekühlten – Etagere, und – Respekt, Herr Hassreiter – ein Phänomen, dass ich in 50 Jahren Hotelleben noch nie hatte: Brötchen, die so lätschert waren, dass sie sich mit den Frühstücksmessern um’s Verrecken nicht aufschneiden ließen und aufgerissen werden mussten (wie lange muss man suchen, einen so schlechten Bäcker zu finden? Reife Leistung!).
Kurz noch zum Zimmer: letzte Renovierung wahrscheinlich 1975, fensterloses Bad in kackbraunen Kacheln, zwei Fußboden-Fliesen zerbrochen, die Scherben provisorisch in’s Loch zurückgelegt, geneigter Gast draufgetreten, in die Ferse geschnitten. (Verkehren in Ihrem Hause Aids-Kranke? Ich hoffe nicht!) Duschkopf nicht mehr richtig angeschraubt, spritzt in alle Richtungen, Dusche selber heiß-kaltes Wechselbad, weder Seife noch Shampoo (wie war das doch gleich, mit den DEHOGA-Kriterien für drei Sterne?), Dusche durch hohe Duschwanne zum einen nicht für ältere Herrschaften leicht zu betreten, zum anderen für Menschen jenseits der 1,90 Körpergröße nur geduckt zu nutzen, die Hälfte des Zimmers Dank der Dachschräge für Menschen über 1,80 nur gebückt zu begehen. Laut Hausprospekt soll es auch komfortablere Zimmer geben, ich jedenfalls war in einem Loch (aber das zu einem absurd lächerlichen Preis).
Mein Fazit: Pilger aller Welt, auf in’s Zum Bad in Neuenkirchen, die Kasteiungen, die Euch alldorten erwarten, machen locker ein paar Jährchen Fegefeuer wett …