Da bereist man nun jahrzehntelang das Schwabenland, und verpasst Jahrzehnte lang Brotknöpfle. Nun ja, wirklich unmittelbar mundwässernd klingt dieser Name – „Brotknöpfle“ – nun wirklich nicht, und tatsächlich haben nur noch ganz wenige Restaurants diese fast schon archaische Resteverwertung auf der Karte, das Gericht ist so archaisch, dass es offenbar noch nicht einmal eine Convenience-Version aus der Tüte davon gibt, von daher doch kein Wunder, dass Brotknöpfle und ich jahrzehntelang quasi nebeneinander her existieren konnten, ohne uns je auf einem dampfenden Teller zu begegnen (die Brotknöpfle wohlgemerkt auf dem Teller und ich davor, keinesfalls umgekehrt). Nun aber, neulich im dem alten Landgasthof im Schwäbischen, da standen Brotknöpfle zu den Reh-Medaillons mit Wacholderrahmsauce und frischem Mandel-Broccoli auf der Karte. Neugierig, wie ich nun mal einerseits bin, orderte ich die Brotknöpfle; vorsichtig und verfressen, wie ich andererseits nun ebenfalls bin, orderte ich zusätzlich eine Portion der handgeschabten Spätzle, quasi als Beilagen-Backup. Die Spätzle waren hervorragend, nicht aus der Presse, sondern tatsächlich frisch vom Brett geschabt, aber – bei Gottfried – die Brotknöpfle waren besser, und das will wahrlich etwas heißen, wenn ich eine Beilage handgeschabten Spätzle vorziehe. Nach dem Essen, die Tische im Lokal hatten sich weitgehend geleert, am Stammtisch spielten – wie im Klischee – Männer verhalten lärmend Karten, ein junges Pärchen sprach Händchen-haltend davon, wie sie die Wohnung der Großmutter einrichten werden, wenn diese denn mal gestorben sei und die beiden endlich zusammenziehen könnten, sie wollte einen großen Kleiderschrank, er nicht, denn er werfe sein bisschen G’lump sowieso immer nur in die Ecke, was sie wiederum sehr zu verärgern schien, beide einigten sich schließlich drauf, dass sie einen sehr großen Kleiderschrank bekommen solle und er sein G’lump halt förderhin in ein Fach des Kleiderschrankes werfen werde, drei Töchter, um die Fünfzig, die eine in C&A gekleidet, die andere in Chanel, die dritte in bäuerlicher Tracht, feierten mit ihrer wohl achtzigjährigen Mutter deren Geburtstag, erzählten ständig die alten und immer-gleichen „Weißt Du noch damals, als …“ und füllten sich dabei gegenseitig ab, ein barmherzig geduldeter Trinker saß unverrückbar direkt neben der Tür und trank Bier mit Schnaps um Bier mit Schnaps, schon den ganzen Abend, im Nebenraum begann eine alte, dicke Frau die Stühle auf die Tische zu stellen und den Boden feucht zu wischen, setzte sich der Koch, zugleich Vater des jetzigen Junior-Chefs des Etablissements zu mir an den Tisch, wir kosteten den hausgebrannten Schnaps, der Alte erzählte mir mehr oder weniger interessante Dinge über den Hausbrand, der dann doch nicht so exzeptionell war, als das es sich lohnen würde, darüber zu schreiben, aber vor allem verriet er mir sein Rezept für Brotknöpfle.
Zutaten:
- 2 Brötchen vom Vortag (dürfen nicht steinhart sein, sondern müssen sich noch schneiden lassen)
- 100 g Butter
- 75 – 125 g geräucherter Speck, gut durchwachsen
- 100 – 150 g Zwiebel
- 25 bis 50 g Petersilie (ohne Stängel)
- 3 große Eier
- Ca. 200 g Spätzlemehl
- Kohlensäure-haltiges Mineralwasser
- Salz
Zubereitung:
- Brötchen in sehr kleine Würfel schneiden, ca. 3 mm Kantenlänge (das geht am einfachsten, wenn man eine Schneidemaschine hat, das Brötchen halbiert, die Hälften auf der Maschine in dünne Scheiben schneidet und diese dann nur noch mit den Messer in Würfel teilt)
- 30 g Butter in einer Pfanne bei guter Hitze schmelzen und erhitzen, Brötchenwürfel darin unter Wenden goldgelb anbraten, leicht salzen, herausnehmen, beiseite stellen
- Zwiebel schälen, ebenfalls sehr fein würfeln, Speck ebenfalls sehr fein würfeln, Petersilie waschen, trocken tupfen, von den Stängeln zupfen, fein hacken*
- Jetzt 20 g Butter erhitzen, Speckwürfel unter Rühren auslassen, dann die Zwiebel dazu geben und glasig werden lassen, sodann die gehackte Petersilie dazu geben und kurz mit anschwitzen, alles gut vermengen
- 3 Eier mit Spätzlemehl und 1 Teel. Salz in einer Rührschüssel vermengen und von Hand mit einem Spätzlelöffel (mit Loch in der Mitte) oder den Knethaken des Handmixers oder dem Teighaken der Küchenmaschine (bei der Kenwood ist der K-Haken ideal) solange rühren, bis ein zäher, nur noch schwer reißender Spätzleteig entstanden ist; soviel Mineralwasser wie nötig dazu geben; Teig wenigstens 5, besser 10 Minuten schlagen
- Zum Schluss Speck-Zwiebel-Petersilien-Gemisch und geröstete Brotwürfelchen unter den Teig heben (jetzt nicht mehr allzu viel schlagen und rühren, Speck, Zwiebeln und Brotwürfel sollen ihre Konsistenz behalten)
- Großen Topf mit gesalzenem Wasser aufkochen, mit Hilfe zweier Löffel eine Finger- bis Daumenkuppen-große Nocke** aus der Teigmasse abstechen und rundlich formen, ca. 3 Minuten in leicht siedenden Wasser kochen lassen
- Fertige Nocke herausnehmen, kosten. Evtl. Teig nachsalzen. Ist die Nocke zu breiig, etwas Mehl in den Teig einarbeiten. Ist die Nocke zu hart, etwas Wasser oder Eigelb in den Teig einarbeiten.
- Jetzt Fließband-mäßig Teignocken abstechen, ins Wasser gleiten lassen, gar ziehen, mit der Schaumkelle herausheben und auf einem großen Sieb abtropfen lassen
- Vor dem Servieren werden die vorbereiteten Brotknöpfle nochmals in den restlichen 50 g Butter erwärmt und ganz leicht knusprig gebräunt.
* Ob man eher weniger oder mehr Speck, Zwiebel und Petersilie verwendet hängt davon ab, ob man geschmacksträchtigere, vollmundigere Brotknöpfle oder eher dezente Brotknöpfle mit nur leichtem Eigengeschmack als Beilage zu feinen Saucen will. Mit recht viel Speck, Zwiebel und Petersilie eignen sich Brotknöpfle in Butter geschwenkt zusammen mit einem grünen Salat durchaus auch als eigenes Gericht.
** Die endgültige Größe der Brotknöpfle ist ganz dem persönlichen Gusto, dem späteren Verwendungszweck, vor allem aber der Faulheit/Fleißigkeit des Kochs/der Köchin geschuldet, DIN-Norm gibt’s hier meines Wissens – zum Glück – noch keine, aber das kann sich heutzutage schnell ändern.