Vincent Klinks Neu-Auflage der „Grundzüge des gastronomischen Anstands“ von Grimod de la Reynière

20161208_072952Da hat er wieder mal einen hübschen Coup gelandet, der Häuptling eigener Herd. Während andere Köche mit Sternen und Hauben und Rang und Namen uns mit immer austauschbareren Kochbüchern, Kochshows und Kochreportagen geradezu überfluten – das Pronomen „Mein“ ist hier gerade sehr populär: Meine Kräuterküche, Meine Heimatküche, Meine Suppenküche, Meine vegane Küche, Mein Bayrisches Kochbuch … das sind sinngemäß aktuelle Kochbuch-Titel, die mir so oder ähnlich in Erinnerung geblieben sind – macht sich der grantelnde Burgvogt der Wielandshöhe in den vergangenen Jahren eher rar als Kochbuchautor; 2015 hat er als letztes ein launisches Gemüsekochbuch herausgebracht, davor 2008 und 2010 auch zwei „Mein“-Kochbücher, nämlich „Meine Küche“ und „Meine mediterrane Küche“ bei Gräfe und Unzer (bei aller Bewunderung für Klink, zumindest zum zweiten dieser Büchlein kann ich nur sagen: „Si tacuisses, philosophus mansisses“), ansonsten erfreut und belehrt uns Klink eher mit literarischen, manchmal auch fast schon philosophischen Werken wie seinen kulinarischen Reisen oder als Co-Autor zusammen mit Wiglaf Droste und Nikolaus Heidelbach. Besagten letzten literarischen Coup landete er im Oktober 2016, da hat er nämlich im Rowohlt Verlag eine Neuauflage der „Grundzüge des gastronomischen Anstands“ von Grimod de la Reynière in der Übersetzung von Robert Habs (jenem fast schon legendären Österreichischen Feinschmecker, Gastrosophen, Übersetzer und Autor, Verfasser des „Appetit-Lexikons“ und Übersetzer der „Physiologie des Geschmacks“, die bereits 1880 auf Deutsch bei Reclam in Leipzig erschien, um 1900 erfolgte dann auch alldorten die Veröffentlichung seiner Übersetzung der „Grundzüge“) herausgegeben. Ebenfalls enthalten sind „Alkoran der Feinschmecker“ in der Übersetzung von Eduard Maria Oettinger und Reynières „Küchenkalender“, ergänzt mit 12 heute nicht mehr ganz gewöhnlichen, ausführlichen Rezepten von Klink selber.

Reynière ist in Deutschland etwa im Vergleich mit Jean Anthelme Brillat-Savarin nur wenig rezipiert worden. 1985 veröffentlichte der Verlag Lothar Bortowsky in München das letzte Mal die 20161208_072852„Grundzüge des gastronomischen Anstands“ auf Deutsch – offensichtlich mit mäßigem Erfolg. Jetzt wird allein der Name des neuen Herausgebers gewiss für die notwendige Beachtung sorgen. Denn Alexandre Balthazar Laurent Grimod de la Reynière, wie er mit vollem Namen heißt, gilt mit seinem von 1803 bis 1812 von ihm herausgegebenen „Almanach des Gourmands“ als Vater der Gastronomiekritik. Er wurde 1758 in Paris als Kind einer reichen hochadligen Familie geboren, dummer Weise mit verstümmelten Armen, studierte Jura, wurde Advokat, nebenbei auch noch Theaterkritiker, als er das Familienvermögen erbt, verschreibt er sich voll und ganz seinen wahren Leidenschaften, der Feinschmeckerei sowie dem Philosophieren und dem Schreiben darüber. So entstehen die „Grundzüge des gastronomischen Anstands“ und die anderen Schriften, die jetzt neu erschienen sind. Eigentlich liest man in den „Grundzügen“ zwar teilweise etwas angestaubte, aber im Prinzip zeitlose, auch heute noch gültige Wahrheiten, eher Selbstverständlichkeiten, aber erstmals systematisch aufgeschrieben von Reynière. Er beschreibt, wie eine Einladung zum Essen erfolgen zu hat (und dass nachträgliche Absagen nach erfolgter Zusage mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden sollen, sehr sympathisch, muss ich da als Gastgeber sagen), wie Gäste empfangen und platziert werden, von Tischmanieren, dem Service bei Tisch, von Getränke-Abfolgen, der Konversation bei Tisch, … usw. usf. Nichts Neues, mag man 2016 geneigt sein zu urteilen, aber vor 208 Jahren war dies gewiss nicht Standard, sonst hätte’s Reynière nicht so dezidiert und kämpferisch aufgeschrieben. Reichlich verspätet ein Danke dafür an den Autor. Kaum eine Regel, die meine Jungs nicht auch gelernt hätten und heute wie selbstverständlich einhielten, vielmehr sich echauffierend, wenn Angehörige niederer oder – ungleich schlimmer – ungebildeter höherer Stände gegen die selben bei Tisch verstoßen.

Zwei Passagen in dem Büchlein – dies sei noch erwähnt – mag ich besonders. Zum einen das 18. Gesetz von „Alkoran, dem Feinschmecker“, das da lautet: „Vor dem Gesetz und bei Tische müssen Alle gleiche Rechte, gleiche Pflichten haben. Die Tafel macht uns Alle gleich.“ Und zum anderen Klinks Rezept für eine „Krustenpastete vom Kalb“ für den Küchenmonat Juli, hier schafft er es tatsächlich mal wieder, barocke Lebensfreude küchentechnisch und geschmacklich mit dem 21. Jahrhundert zu versöhnen. Unbedingt nachkochen! Dieses Büchlein ist perfekt für einen Advents-Sonntag-Nachmittag mit einem Gläschen Portwein im Lesesessel oder auch als Geschenk – jenseits des 103. „Mein … – Kochbuchs“ – für den/die kulinarisch ambitionierten und/oder interessierte/n Onkel/Tante.

 

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„Grundzüge des gastronomischen Anstands: Serviert von Vincent Klink.“ Von Alexandre Balthazar Laurent Grimod de la Reynière und Vincent Klink. 1. Auflage Oktober 2016, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, ISBN 978 3 498 056568, gebunden, 19,95 €

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