Ich solle nicht immer so verallgemeinern, sagt Caro, und sicherlich hat sie Recht damit. Aber in diesem einen speziellen Falle will ich einmal verallgemeinern: nahezu alle Pariser Taxifahrer sind Flegel, und ich weiß, wovon ich rede, denn ich gehöre zu der bedauernswerten Spezies Mensch, die seit Jahrzehnten mehrmals im Monat nach Paris muss und dort sodann auf Taxis zum Behufe der innerstädtischen Fortbewegung angewiesen ist. Und dabei mag ich Paris sowieso nicht: die Stadt ist dreckig, laut, zunehmend unsicherer, die Menschen sprechen eine Sprache, die ich schwerlich verstehe, und wenn sie Englisch zu sprechen versuchen, verstehe ich meist noch viel weniger, der Verkehr ist chaotisch, in den Restaurants – auch in den guten – ist die Bestuhlung viel zu eng, die Tische viel zu klein, es gibt – zugegebener Maßen – phantastische Lebensmittel, nur kochen können die Franzosen durch die Bank weg überhaupt nicht, und diese dämliche Modemafiaindustrie, die suggeriert, man müsse idealer Weise magersüchtig sein und wenigsten zweimal pro Jahr seinen Kleiderschrank leer räumen und neue Fummel kaufen, wird auch aus Paris (und Mailand) heraus gesteuert. Passend zu dieser Stadt sind ihre Taxifahrer, 17.000 Taxifahrerlizenzen sind hier ausgegeben, und doch ist selten ein Taxi zur Stelle, wenn man es braucht, vor Charles-de-Gaulle gibt es statt wartender Taxischlangen oft lange wartende Passagierschlangen – wie früher im Ostblock –, zumal vor dem Terminal 1, wo die fremden Fluglinien landen, vor dem Air-France-Terminal 2 ist die Situation – komisch, komisch – deutlich besser. Die Taxis selber sind in der Regel Klein- und Mittelklasse-Wagen aus heimischer Produktion, innen sind sie meist verdreckt, stinken, mit hellen Hosen oder einem Sommerkleidchen sollte man sich nicht auf so manchen Sitz setzen, der Beifahrersitz ist fast immer zugemüllt mit den persönlichen Dingen des Fahrers – Jacke, Tasche, Zeitung, Kippen – und oft auch mit halb-leer gefressenen, stinkenden McKotz- oder McAlibaba-Fast-Food-Tüten, es gibt wohl eine Regelung in Frankreich, dass Taxigäste im Fond Platz zu nehmen haben, und so sieht der Taxifahrer keinerlei Veranlassung, wenn man mit drei stattlichen Männern ins Taxi will, den Beifahrersitz freizumachen, nein, man muss sich zu dritt auf den Rücksitz eines Französischen Kleinwagens klemmen, Klimaanlagen sind Fehlanzeige, statt dessen bemüht sicher Fahrer um stetes tropisches Klima, dazu laute arabische Musik oder französisches Radiogelaber, die nur leiser gestellt werden, wenn der Fahrer telephoniert (und das tut er oft, wenn er nicht gerade SMS schreibt), dazu verfügen sie über die ausgeprägte Fähigkeit zur sehr kreativen Streckenführung, ich kenne sicherlich ein paar Dutzend verschiedene Routen von Le Bourget zum Place République und entsprechend ein paar Dutzend unterschiedliche Preise, und wenn man sich über offensichtliche Umwege beschweren will, sei es auf Französisch, sei es auf Englisch, so ist der Fahrer meist mit einem Male keiner Europäischen Sprache mehr mächtig und antwortet mit Flüchen, die kein Christenmensch kennt, das Taxameter wird nicht etwa angeschaltet, wenn der Fahrgast das Taxi besteigt, sondern schon nach der Bestellung bei der Anfahrt, es ist also leicht möglich, dass schon mal 10, 20, 30 EURO auf dem Taxameter stehen, wenn man in’s Taxi steigt, deren Berechtigung man weder kontrollieren noch verhandeln kann, und wenn den Pariser Taxifahrern etwas wirklich nicht passt – wie man im vergangenen Januar und Juni zu erleben – dann haben die Taxiflegel auch kein Problem damit, rabiat zu werden, Reifen anzuzünden und der Verkehr der halben Stadt lahmzulegen. Vielleicht hat’s der geneigte Leser schon geahnt: ich mag Paris nicht, ich mag Taxifahren in Paris nicht, und ganz besonders mag ich die Pariser Taxifahrer nicht. Aber letztendlich sind das meine eigenen, persönlichen Probleme.
Nun ist seit gut einem Jahr – den gewaltsamen Protesten vom Sommer 2015 und von Anfang 2016 zum Trotz – Uber in Paris aktiv. Um das vorwegzunehmen: Uber mag ich auch nicht. Mich zu einem wildfremden Menschen in’s Auto zu setzten, der keinerlei Ausbildung oder Prüfung hat, dessen Fahrkünste weder ich noch sonst wer kennt, dessen Gesundheit ebenso wenig wie sein Fahrzeug regelmäßig gecheckt werden, der nirgends registriert ist außer im Computer eines imperial-amerikanischen Unternehmens, solch einem Menschen letztendlich mein Leben anzuvertrauen (zumal in Paris), das ist wirklich nicht mein Ding. Dabei sind die Uber-Wagen deutlich sauberer als Pariser Taxis, sie sind per App in Sekundenschnelle bestellt und bezahlt und sind meist rasch zur Stelle, die Fahrer sind ungleich freundlicher, zuweilen gibt es Magazine oder Gratis-Wasser, das Radio ist aus, das Telephon ebenfalls, und deutlich billiger als die vermaledeiten Taxis sind sie auch noch.
Auch wenn es schizophren klingen mag, ich fahre meistens weiterhin Taxi in Paris, nicht mit Uber, wahrscheinlich ist das das Deutsche in mir, eine staatliche Lizenz muss schon sein (und Ausbildung, Identitätsfeststellung sowie regelmäßige Überprüfung von Auto und Fahrer). Aber seit Anfang dieses Jahres stelle ich zunehmend fest, dass die Pariser Taxis sauberer werden, die Fahrer freundlicher, der Service besser … naja, sagen wir besser, dass die Pariser Taxis weniger schmutzig, die Fahrer weniger unfreundlich und der Service weniger schlecht: das trifft’s wohl eher. Vielleicht ist es ja tatsächlich die Konkurrenz von Uber, die aus den Pariser Taxiflegeln endlich verträgliche, vielleicht sogar reinliche und freundliche Taxifahrer macht. An der Zeit und schön wär’s.