Summa summarum: Gelungen renovierte Räumlichkeiten und schöner Biergarten in der Fuggerei, endlich ein Lokal mit durchgängig warmer Küche in der Jakobervorstadt, tolle Idee, Bayrische, Schwäbische und „eingebayerte“ internationale Gerichte für Touristen und Einheimische in Tapas-Portionen anzubieten, so dass man bei einer Mahlzeit mehrere verschiedene Speisen probieren kann, nur leider hapert’s (noch) gewaltig mit der Qualität sowohl in der Küche als auch beim Service, obwohl der Laden anscheinend dauernd proppe-voll ist, aber für ein Bier und einen Wurstsalat reicht’s schon.
Über 20 Jahre haben Josef und Christa Uhl die Fuggerei Stuben in gleichnamiger, Welt-ältester Sozialsiedlung betrieben, sicherlich keine Hochküche, aber immer bodenständig, Convenience-frei, „Packerl sind tabu“, pflegte Josef Uhl immer zu sagen (und ich hatte auch nie den Eindruck, irgendwie „Packerl“-Futter vorgesetzt zu bekommen), Sohn Markus Uhl lieferte Salate und Gemüse frisch von seinem Stand am Stadtmarkt, meine eigenen Söhne haben – auf eigenen Wunsch – hier ihre Erstkommunion und ihre Firmung bei Flädlesuppe und Filettöpfchen mit der bucklichten Verwandtschaft gefeiert, wie’s der Zufall will, hatten beide Erstkommunion und Firmung gemeinsam mit den Kindern des in der Fuggerei direkt vis à vis wohnhaften Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Stiftungs-Administrators (was für eine Berufsbezeichnung!) Wolf-Dietrich Graf von Hundt beim (zwischenzeitlich) legendären Pfarrer Hubert Ratzinger (dem Vernehmen nach nicht verwandt und nicht verschwägert mit gewissen gleichnamigen Päpsten) von St. Max. Good old days, so to say, und damals gab’s auch noch eine gescheite Jakober Kirchweih, selbst wenn das Gotteshaus seit 1521 von der falschen Konfektion betrieben wird, und Brecks buken um die Ecke ehrliche Semmeln und Brezen. Ende 2014 gingen die Uhls in den wohlverdienten Ruhestand, einige Jahre nach den Brecks, und lange – beunruhigend lange – standen die Fuggerei Stuben leer, ebenso lange wurden sie – ohne Bauschild, was denn da nun entstünde – umgebaut.
Fuggerei Augsburg, rund 200.000 Besucher + Laufpublikum pro Jahr, da fallen mir doch gleich eine ganze Menge lukrativer Gastronomie-Konzepte ein, am lukrativstem wahrscheinlich eine Vapiano- oder McKotz-Filiale, natürlich mit gebührendem Respekt vor der Lokalität, vielleicht mit einer „Fugger-Pizza mit Kaiserwurst“ oder einem „Jakob-der-Reiche-Quadruple-Burger mit extra Gürkchen“, die Service-Knechte an Mikrowelle und Fritteuse dazu adrett in Renaissance-Kleidung gewandet. Zum Glück hat sich das Fuggersche Familienseniorat unter dem Vorsitz von Theresia Gräfin Fugger von Glött anders entschieden. Man hat das Lokal nun an Torsten Ludwig verpachtet, der bereits fast 10 Jahre lang im Papageno hinter dem Stadttheater sein Können mehr oder minder unter Beweis gestellt hatte. Die alten, seit Jahrzehnten unveränderten Gasträume wurden für den neuen Pächter umfassend umgestaltet und erneuert, trotz edler Materialien wie Nussbaum, Eiche und Kalksteinplatten aus dem Altmühljura ist das Ambiente schlicht, fast spartanisch, dazu recht düster, eine Mischung aus Refektorium einer Benediktiner-Abtei und Speisesaal in Hogwarts, und über allem thront – wie sollte’s anders sein – ein Portrait Jakobs des Reichen. Zusätzlich wurde auf dem Markusplätzle in der Fuggerei selber ein neuer Biergarten mit eigener Schenke zur Selbstbedienung im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes eingerichtet. Das ist alles in der Tat recht hübsch geworden. Auch das Futter-Konzept überzeugt in der Theorie: statt mächtiger gegrillter Schweinebeine oder winziger, Stickstoff-geeister Molekularkügelchen gibt es vor allem sog. Bayrisch-Schwäbische „Tapas“, will sagen, traditionelle Gerichte der Bayrisch-Schwäbischen Küche, aber auch neu interpretierte regionale Klassiker und „eingebürgerte“, „bajuwarisierte“ internationale Speisen in kleinen, in sehr kleinen Portionen, aber mit hohem Qualitätsanspruch. Da finden sich Wurstsalat, Obazda, Kässpatzen, Schmorbraten, Krustenbraten, Backhendl, Saibling, Salatteller, alles eben in sehr kleinen Portionen, meist um die 5 EURO, Gemüse, Blaukraut, Knödel, Bratkartoffeln, Salat (um die 3 EURO) muss man separat dazu ordern; für die weniger Experimentierfreudigen gibt es aber auch sättigende Portionen von Schweinebraten, Spareribs, Süßkartoffelgulasch oder Brotzeitteller. Eigentlich eine brillante Idee. Man stelle sich vor, der statistisch repräsentative Südkoreaner kommt auf seiner „See Europe in ten days“-Tour einen knappen halben Tag nach Augsburg, besichtigt natürlich die Fuggerei und hat dann die Gelegenheit, fünf, sechs, sieben oder mehr typische Gerichte der regionalen Küche in kleinen Portionen zu kosten, also kulinarische Erfahrungen auf einen Schlag zu sammeln, für die er eigentlich ein paar Tage und Mahlzeiten lang in Augsburg weilen müsste: finde ich – und das ist jetzt nicht ironisch-sarkastisch gemeint – einfach toll. Wohl vor allem, um es ausländischen Gästen leichter zu machen, gibt es im Lokal eine große verglaste Vitrine, in der alle Speisen im Original ausgestellt werden, also ein Tellerchen mit einem vertrockneten, kalten Schweinebraten, daneben ein Tellerchen mit vertrockneten kalten Linsen mit vertrocknetem kaltem Würstchen darauf, daneben ein Tellerchen mit einem vertrockneten Stücklein Kuchen – das sieht alles, mit Verlaub, nicht traurig, sondern schlichtweg abstoßend aus, in keiner Weise lecker oder Appetit anregend, einfach alte, vertrocknete Lebensmittel, die hernach wohl auch noch weggeworfen werden (ich hoffe, das Zeugs wird nicht auch noch serviert). Aber ungeachtet dieser unappetitlichen Vitrine, wenn ich nur einen halben Tag in Südkorea hätte, ich wäre dankbar für solche eine kulinarische Gelegenheit. Damit auch jeder zu jeder Zeit diese Erfahrung machen kann, gibt es keinen Ruhetag bei den Tafeldeckern und durchgehend warme Küche von 10:00 bis 22:00 Uhr, am Wochenende sogar schon ab 08:30 Frühstück.
Soweit zu Vorgeschichte, „Hardware“ und Theorie. In der Praxis hat man uns in den letzten Wochen abends dreimal wieder weggeschickt, einfach weil der Laden voll bzw. reserviert war bis auf den letzten Platz. Eigentlich ein gutes Zeichen und schön für die Betreiber. Dumm nur, dass man – zumindest wir nicht – vorab telephonisch reservieren kann: entweder ging keiner an’s Telephon oder aber es ist belegt. Aber nun gut, diesmal, an einem warmen Abend im August, hat es geklappt, wir konnten uns an einem der langen Biergartentische dazu setzen, ansonsten tatsächlich alles proppevoll. Den größten Tisch im Garten hatte an diesem Abend ein gewisser Oberbürgermeister belegt, der sich auch schon mal eine Fußballreise nach Liverpool oder zwei mehrere tausend EURO teure VIP-Karten für das FCA-Stadion schenken lässt; der feierte dort mit seinen Kumpanen und Quetschkommode einträchtig einen Geburtstag. Getränke kann man sich – wie gesagt – – zum Glück – selber holen, so dass wenigstens dies halbwegs flott geht, keine 5 bis 10 Minuten anstehen in der Schlange vor dem Schanktresen, schon hat man seine Halbe. Bedienungen zur Aufgabe der Essensbestellung muss man sich weitgehend selber „jagen“, es ist also nicht so, dass in vertretbarer Zeit jemand von den jungen, leger in schwarz gekleideten Servicekräften zum Tisch käme und nach unseren Wünschen fragt, nein, die jungen Leute wuseln unendlich hektisch, aktionistisch und anscheinend planlos durcheinander, jeder scheint irgendwas furchtbar wichtiges und zeitkritisches zu machen, nur zu uns kommt keiner, um nach unserer Bestellung zu fragen, oder zu den Leuten, die mit uns am Tisch sitzen, oder zu den Leuten am Nachbartisch, die irgendwann unter Absingen schmutziger Lieder den Biergarten ungespeist wieder verlassen. Man muss also mit fester Stimme und bestimmtem Blick direkt in’s Aug‘ lautstark zum Ausdruck bringen, dass man bestellen möchte, wenn einer oder eine der Wuselnden den Tisch passiert; das macht man drei, viermal, dann bleibt tatsächlich eine der Servicekräfte stehen, zückt eine Funke, lauscht unseren Wünschen, tippt diese sodann in die Funke ein und verschwindet wieder. Es würde nicht der Wahrheit entsprechen, jetzt weiter zu schreiben, dass wir hätten hernach ewig auf’s Essen warten müssen, nein, kurze Zeit später, sehr kurze Zeit später, viel zu kurze Zeit später, als dass ein Geschnetzeltes mit Pilzen, Röstkartoffeln, Ziegenkäsestrudel oder Spareribs frisch hätten zubereitet sein können, irrt eine völlig andere schwarz gewandete Person suchend mit einem vollen Tablett durch den Biergarten, auf dem wir just erspähen, was wir kurz vorher bestellt haben. Also wieder feste Stimme und bestimmter Blick direkt in’s Aug‘, und dankbar kommt der Tablett-Schlepper angewackelt und übergibt uns seine Fracht.
Um es kurz zu machen, Torsten Ludwig, Essens-technisch ist das ja noch gar nichts. Wurstsalat ok, daran ist auch schwer was falsch zu machen; Schweinebraten fett, nicht knusprig, belangloses Sößchen; Spareribs tatsächlich hausgemacht (nicht diese vorgekochten und -marinierten Dinger im Plastikbeutel), gänzlich Fleisch-frei, fast nur Fett, Sauce viel zu süßlich; Kalbsgulasch vom Kalbsbäckchen mit Zitronengras und Tandori mit zähem Fleisch (wie bitte bekommt man Kalbsbäckchen zäh?) und mit einer Würzmischung, die mir die Schuhe ausgezogen hat, schmeckte irgendwie wie Indisch mit Badezusatz; Geschnetzeltes ganz gut für meinen Geschmack, nur leider lauwarm, Röstkartoffel dazu bleich wie die Wand, da war auch gar nix geröstet, nur kurz in Öl erwärmte Kartoffel; Rinderschmorbraten nicht butterweich geschmort, sondern schlichtweg verkochte Stücklein fast schon breiigen Fleisches, Sauce dazu belanglos; Kartoffelknödel belanglos; Blaukraut belanglos; Ziegenkäsestrudel in Filoteig eingewickelter und kurz gebackener Ziegenfrischkäse, keine Würzung, keine Kräuter, kein Pfiff, einfach nur fett. Was daran – wie es in der Pressemeldung zur Eröffnung des Restaurants hieß – „moderne schwäbisch-bayerische Küche in feiner Qualität“ sein soll, vermag zumindest ich noch nicht nachzuvollziehen. Caro hat mich geschimpft, sie war zwar ebenfalls nicht begeistert von der Esserei bei den Tafeldeckern, aber sie meinte, ich solle dem neuen, zumeist jungen Team doch eine Chance geben, sich erst einmal einzuarbeiten und in Schwung zu kommen. Ich schreibe das aber trotzdem jetzt, wenn eben noch nicht alles eingefahren ist und der Patron noch frühzeitig an der Feinjustierung arbeiten kann. Und sowohl was die Küchen- als auch die Service-Qualität anbelangt ist da noch viel zu tun. Aber insgesamt ist die Restaurierung der Räumlichkeiten gut gelungen, der Biergarten auf dem Markusplätzle ist ein Gewinn für die Jakobervorstadt, Wurstsalat und Halbe gehen hier schon richtig gut, das Gastro-Konzept mit Bayrischen Tapas finde ich toll, aber da muss aus meiner Sicht noch sehr viel dran gearbeitet werden, bis die Qualität bei Küche und Service dafür wirklich stimmt.
Die Tafeldecker in der Fuggerei
Torsten Ludwig
Bayerisch-Schwäbische Tapas GmbH, Leipheim
Jakoberstraße 26
86152 Augsburg
Tel.: +49 (8 21) 99 87 91 69
Email: info@dietafeldecker.de
Internet: www.dietafeldecker.de
Hauptgerichte von 11,50 € (Schweinekrustenbraten) bis 13,50 € (Spareribs), Drei-Gänge-Menue von 18,50 € bis 22,50 €, Tapas-Portionen von 2,50 € (z.B. Salatteller, Mini-Kartoffelknödel) über 4,50 € (z.B. Weißwurst Gnocchi, Wallerfilet) bis 9,50 € (Zwiebelrostbraten); zusätzlich 3-gängiges Mittagsmenue von 7,90 € bis 10,90 €
Das sagen die Anderen:
- Tripadvisor: n.a.
- Holidaycheck: n.a.
- Varta: n.a.
- Guide Michelin: n.a.
- Gault Millau: n.a.
- Schlemmer Atlas: n.a.