Auch wenn’s keinen interessiert, ich habe mich geärgert. Im neuen „Feinschmecker“ wird der „anonyme Hoteltester des Feinschmecker“ interviewt, über zwei Hochglanz-Seiten. Sehen wir einmal davon ab, dass dem Herren mit Trenchcoat, Hut und verdecktem Gesicht ein gewisses – spannend-gefährlich-verruchtes – Agenten-Image aufgedrückt wird (was schlichtweg albern ist) und dass dem Feinschmecker wohl langsam die Themen bzw. die bezahlten Advertorials ausgehen, wenn sich die Macher schon gegenseitig interviewen. Dabei hat dieser Test-Mensch eine Menge kluge Dinge gesagt, über lärmende russische Großfamilien und In-die-Funke-Brüller in Hotelhallen, über Zimmerelektrik, für die man ein Aufbaustudium Elektrotechnik zum Bedienen braucht, über Eier Benedict als Lackmustest für wirklich gute Hotels und überflüssigen mittelmäßigen Champagner zum Frühstück, über das Fluidum eines Hauses und über dicke Teppichböden als Staub-, Milben- und Bakterienfänger. Trefflich beschrieben, unterschreibe ich alles sofort, guter Mann. Und dann hat er etwas unglaublich … (Parenthese Anfang – ich habe sehr lange gegrübelt, um ehrlich zu sein, ein paar Tage lang, welches Adjektiv ich jetzt an dieser Stelle verwende: arrogant, überheblich, dumm, widerlich, blöd, verbohrt, borniert … all diese Adjektive beschreiben diese Äußerung nicht, aber jetzt habe ich das passende Wort gefunden – Parenthese Ende) … Armseliges gesagt. Auf die Frage, ob er auch in etwas anderem als Fünf-Sterne-Häusern nächtigte, antwortete der „anonyme Hoteltester des Feinschmecker“ wörtlich: „Wenn es sich vermeiden lässt, nicht.“
Um ehrlich zu sein, ich war auch mal so, „höher-schneller-weiter“, armselig halt. Es mussten Fünf Sterne sein, Business-, besser noch First-Class-Tickets, Senator und HON, V6, V8, V12 („Ist das Schwänzchen allzu klein / Muss es wohl ein Porsche sein!“ plapperte mein kleiner Sohn, als ich stolz wie Bolle mit meinem ersten Porsche heimkam – wie weise, das Kind, sage ich heute, damals hat es mich nicht tangiert) … Ich schuftete wie blöde, und sie hängten mir immer größere Möhren vor die Nase, nach denen ich mich immer weiter reckte und streckte. Das habe ich längst hinter mir, zum Glück. Es gibt wunderschöne, liebeswerte Dorfgasthäuser, schöne kleine Stadthotels, alte, verwunschene Pensionen mit wirklich Flair, rustikale Berghütten, dafür lasse ich jede gekaufte Fünf-Sterne-Freundlichkeit links liegen. „Mögns no a Eierspeis?“, hat die Wirtin in meinem kleinen Lieblingsgasthaus im Innviertel jüngst beim Frühstück gefragt. Ich bejahte, sie ging in die Küche, schäumte frische Butter auf und schlug frische Eier vom Nachbar-Hof hinein. „I hob Eana glei drei gmocht, i weiß doch, dass Sie a Feinspitz san und moane Eierspeis liaben.“, sagte sie beim Servieren. (Ich bitte, die mangelhafte Lautumschreibung zu verzeihen.) Wer braucht da Eier Benedict mit frisch aufgeschlagener Hollandaise? Aber beides hat irgendwie seine Daseins-Berechtigung, dann und wann mal ein fast perfektes Luxushotel (komplett perfekte Hotels gibt’s ohnehin nicht) macht auch mal Spaß, ebenso wie ein knarzendes, düsteres, altes Gasthaus in dem es nach Misthaufen und Holzfeuer riecht, auf dem gigantische Bratkartoffeln in einer gusseisernen Pfanne braten. Aber zu sagen, man vermeide solche Etablissements nach besten Kräften, das ist für mich einfach armselig, weil man dadurch so viel vom prallen, echten, schönen, eckigen und kantigen, interessanten, anderen Leben nicht mitbekommt und immer nur in der internationalen Einheitssauce von Marmor, Samt, Champagner und bezahlter Dienstbarkeit mit oft gespielter Freundlichkeit vor sich hindümpelt. Ich wiederhole mich, aber: armselig.