Zum Hirschen in Würzburg-Lengfeld: weitgehend enttäuschend

Summa summarum: enttäuschend.

Reise von der Mitte Deutschlands in den Süden, sechs hektische, verfluchte Stunden auf der Autobahn oder zehn, elf entspannte Stunden im offenen Cabrio auf Landstraßen, zum Glück habe ich mittlerweile reichlich Zeit, wenn die Handwerker mich bei meinem Hausumbau nicht piesacken. Halbe Strecke ist in etwa der Weißwurstäquator, warum also nicht mal wieder Würzburg, die Residenz ist immer einen staunenden Besuch wert, nur scheint die Innenstadt-Hotellerie weitgehend touristisch geprägt und kulinarisch wenig ansprechend. Aber es muss ja nicht Würzburg-Zentrum sein, es ist ohnehin eine Katastrophe, mit dem Wagen in die Stadt hineinzufahren, zumindest empfinde ich das so. In Lengfeld, am süd-östlichen Stadtrand von Würzburg, finde ich ein alteingesessenes fränkisches Gasthaus mit eigener Metzgerei, eigene Metzgerei ist fast immer gut bei Gasthäusern, noch dazu seit 1886 im Familienbesitz, auch ein gutes Zeichen. Leider bietet die Internet-Präsenz des Hauses keine aktuelle Speisekarte, doch hübsche Profiphotos leckerer Speisen, Fränkische Suppe, Hirschedelgulasch, Spargel, Gans, das sieht nicht nur gut aus, sondern klingt auch gut und authentisch. Auch die Photos der Speisen des Gasthauses auf Google sehen durchaus gut aus, ebenso das Gasthaus selber, authentisch, rustikal, ehrlich, netter Außenbereich, einfache, aber hinreichende Zimmerchen. Also vertrauensvoll flugs eine Übernachtung und einen Tisch gebucht.

Und dann einen Tag später Lengfeld live: enge bis engste Gässchen, kein hübscher, historisch gewachsener Dorfkern, sondern eine wilde Mischung aus alten Bauernhöfen und durchaus unhübscher alter und neuer EFH-Bebauung, katastrophale Parksituation, der hauseigene Parkplatz wegen einer Freiluftveranstaltung gesperrt, ein historisch gewachsenes Vorstadt-Gasthaus vis-à-vis der klassizistischen St. Laurentius-Kirche, herzliche, auch nur freundliche Begrüßung durch ein Wirts-Ehepaar gehen anders, eigene – reichlich von Einheimischen frequentierte – Metzgerei, kein Lift, Gepäck über enge, steile Treppen in den zweiten Stock schleppen, eine dubiose Matratze und Rigips-Platten auf dem dunklen Gang vor den Zimmern, einfachste Zimmereinrichtung, zerschlissene Frotteehandtücher, alte Armaturen, aber saubere Betten und Bad, doch Teppichböden, bei denen man sich gar nicht vorstellen mag, was da schon alles drauf gelaufen und passiert ist. Schlafen lässt’s sich hier schon irgendwie.

Unter den Restaurant-Gästen fast nur einheimische Franken, überraschend viele Stammtische älterer Frauen, die parlieren, gemeinsam elektronische Kreuzworträtsel lösen, Kässpätzle mit Gurkensalat essen und unablässig davon reden, dass die Mittelchen, die in der Höhle der Löwen feilgeboten werden, ganz famose Wirkungen hätten, die hellsten Kerzen auf Gottes Christbaum sind sie offensichtlich nicht.

Enttäuschend dann die tatsächliche Speisekarte, die im Internet vorab ja nicht zu finden war: recht übersichtlich, zwei Suppen, zwölf Hauptgerichte, drei Desserts, kaum etwas von den fränkischen Spezereien, die im Internet angepriesen werden, gibt es heute tatsächlich, kein Sauerbraten, kein Schäufele, zumindest Fränkische Bratwürste mit hausgemachtem Kartoffelsalat, stattdessen …. Spargelcremesuppe Ende Juni, Schnitzel, Putenbraten mit italienischer Füllung, Tortelloni mit Käse-Spinat-Füllung in Tomatenpesto (wer würde sie nicht kennen, die fränkischen Tortelloni mit dem Pesto aus fränkischen Tomaten?), als Salat nur einen extra Beilagensalat. So was enttäuscht einen Reisenden, der zum Schmausen nach Franken reiste.

Was wir dann tatsächlich aßen, war ähnlich enttäuschend. Der gebackene Camembert offensichtlich Convenience-Ware aus der Fritteuse mit getoastetem Industrie-Labberweißbrot, die auf der Karte versprochen Wildpreiselbeeren schlichtweg vergessen, egal. Die Leberklößchensuppe fett, aber dünn vom Geschmack.  Die Fränkischen Bratwürste aus der eigenen Metzgerei tatsächlich grob, aber für meinen Geschmack unterwürzt, der Fränkische Kartoffelsalat dazu selbst gemacht, aber schon deutlich besseren gegessen. Unbestritten ordentlich die frisch gemachten Kartäuserklöße, das Vanilleeis dazu beliebige Industrieware. Das Abendessen im Hirschen hat keinen Spaß gemacht, rausgerissen wurde alles nur durch den Hausschnaps, eine Pflaume – und die ausgesprochen freundliche und flotte Bedienung.

Versöhnlicher stimmte dann das Frühstück mit Würsten aus der hauseigenen Metzgerei und heimischen Backwaren; zwischenzeitlich ging die Chefin auch noch mit frisch gebackenem Leberkäs an die Tische. Das hat dann wieder gepasst.

Zum Hirschen
Familie Schömig
Laurentiusstraße 5
D – 97076 Würzburg-Lengfeld
Bayern, Deutschland
Tel.: +49 (9 31) 27 19 37
E-Mail: kontakt@schoemig-lengfeld.de
Online: https://schoemig-lengfeld.de

Hauptgerichte von 12,80 EURO (Gemüseküchle mit Kartoffelsalat) bis 18,80 EURO (Putenbraten, Rösti, Salat oder Schnitzel, Kartoffeln, Salat); Drei-Gänge-Menue von 23,10 EURO bis 39,20 EURO

DZ/F 118 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)

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