Der Umgang mit dem eigenen Alter ist so eine Sache – mitunter verliert man da durchaus etwas den Bezug zur Realität. Gemäß dem Motto: „Man ist so alt, wie man sich fühlt.“ fühlt man sich auch im fortgeschrittenen Alter häufig deutlich jünger als man tatsächlich ist. Gelegentliche Schmerzen in Kreuz, Gelenk oder Kopf bringen einen zwar zuweilen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, aber ansonsten mischt man sich auch weiterhin gerne unter „die Jugend“ wie es so schön heißt und besucht In-Kneipen und Clubs unter stoischem Ignorieren irritierter Blicke der dort Anwesenden, selbst wenn diese nicht immer an- sondern zuweilen auch abwesend wirken. Zur Not zählt die Ausrede: „Ich muss meine Tochter“ – respektive – „meinen Sohn abholen“.
Ab und an tut dann ein Besuch im Augsburger „Dichtl“ gut, um sich entweder tatsächlich wieder jung zu fühlen angesichts des sich dort in der Überzahl befindlichen doch deutlich älteren Klientels oder aber angesichts des dort entdeckten Telefons aus dem letzten Jahrhundert – ach, was sage ich – Jahrtausends. Man realisiert, dass man dieses Relikt aus vergangenen Zeiten doch tatsächlich noch kennt und merkt, dass es schon lange her ist, dass man ein solches selbst benutzt hat.
„Ja gibt es so was noch?“, war mein erster Gedanke, als ich nach langen Jahren kürzlich mal wieder im Dichtl einen Kaffee trinken ging. Hätte ich meine 15-jährige Tochter dabei gehabt, sie hätte mich irritiert gefragt, was dieser Kasten an der Wand denn sein solle und wie man einen solchen denn bitteschön handhabe.
Nachdem sich die Überraschung gelegt hatte, bestellte ich bei dem heraneilenden Ober einen Milchkaffee mit Butterbrezel und fragte nach einem Glas Leitungswasser als Beigabe zum Kaffee. Kaffee und Wasser kamen unverzüglich – das Gläslein Wasser (ja, es war mini) war auf dem Tablett neben dem von meiner Begleitung georderten Cappuccino drapiert und hätte dort sehr professionell und fast wienerisch anmutend gewirkt. Die Freude meiner Begleitung darüber wurde vom Ober jedoch sogleich im Keim erstickt: das sei das von mir georderte Extrawasser. Wien ade – willkommen in der Augsburger Realität.
So wartete ich – abwechselnd am Milchkaffee und Wässerchen nippend – auf meine Brezel, die jedoch auf sich warten ließ. Warum sollte man die auch gleich mit servieren? Auf Nachfrage, ob bzw. wann ich denn mit derselben rechnen könne, antwortete mir der smarte Ober „Die kommt schon noch.“…. nun gut. Ich wartete weiter – und tatsächlich! Als der Kaffee halb ausgetrunken war, und ich meine Zusatzbestellung fast schon vergessen hatte (man ist ja schon im besagten fortgeschrittenen Alter) – da wurde sie mir dann doch noch mit einem eleganten Schwung serviert.
Ach es ist so schön, sich in Augsburg in gastronomische Einrichtungen zu begeben – Überraschungen erhält man meist inklusive!