Für 2 X 2 Euro bietet ein rostiger Automat an der Wand der Herrentoilette in großen Lettern eine „Künstliche Vagina“ an, für 1 X 2 EURO ist ein „Sex-Gag“ zu haben. Willkommen im Gasthaus zum Goldenen Fass in Freudenberg am Main. Das Haus liegt direkt neben der Mainbrücke in der Ortsmitte eines dieser elenden Straßendörfer in Mainfranken, nur der leuchtend rote Sandstein einer verfallenden Burg auf dem Hügel mit zwei imposanten Wehrgängen runter zum Städtchen setzt einen kleinen Akzent. Die lange, enge Hauptstraße, durch die sich der gesamte Verkehr zwängt, ist geprägt von heruntergekommenen, alten Häusern, sehr viel Leerstand, kaum mehr Geschäften, blinden Schaufensterscheiben, hinter denen die Schilder „Zu verkaufen“ hängen. Zum Main hin versucht eine Fußgänger-Straße als Flusspromenade hübsch zu sein, mit mäßigem Erfolg. Freudenberg passiert man als Radler auf dem Mainradweg möglichst rasch, ansonsten kommt man maximal hierher, um tot über dem Zaun zu hängen – oder aber, um die Brennerei Ziegler zu besuchen, wahrscheinlich die beste Brennerei Deutschlands, die alldorten ansässig ist; und nach einer Verkostung bei Ziegler sollte man besser nicht mehr Auto fahren, und sofern man nicht den Luxus eines eigenen Fahrer hat ist man dann gezwungen, in Freudenberg zu übernachten. Und die einzige Übernachtungsmöglichkeit in Lauf- bzw. Wank-Entfernung von Ziegler ist nun mal das Goldene Fass. Leider.
Bereits beim Betreten des Gasthaus zum Golden Fasse riecht es nach altem Fett. Die Rezeption ist bei der Ankunft gegen 15:00 Uhr nicht besetzt. Im Gastraum – hier wird der Fettgeruch stärker – erscheint nach einigem Rufen und Warten eine der deutschen Sprache nur mäßig mächtige Frau in fleckiger, ursprünglich wohl mal weißer Kittelschürze. Nachdem sie verstanden zu haben scheint, dass wir Zimmer reserviert haben, verschwindet sie murmelnd wieder in der Küche. Einige Zeit später erscheint ein der deutschen Sprache mächtiger junger Mann, der zunehmend hektisch in einem Stapel handgeschriebener Zettel auf einem Klemmbrett blättert, dabei mal in der Küche, mal in der Rezeption verschwindet, bis er schließlich murmelnd ganz verschwindet. Einige Zeit später erscheint ein weiterer der deutschen Sprache mächtiger junger Mann, der ebenso zunehmend hektisch in dem Stapel handgeschriebener Zettel auf einem Klemmbrett blättert, dabei mal in der Küche, mal in der Rezeption verschwindet, schließlich mehrfach telephoniert, zwischendurch einfach mal andere Gäste, die nach uns kamen, eincheckt und uns eiskalt warten lässt, bis er uns nach vielleicht 20 Minuten erklärt, unsere Online-Buchung sei verschwunden, dass ich eine schriftliche Bestätigung der Buchung vorlege, interessiert ihn einen feuchten Kehricht, außerdem sei das Haus überbucht (komisch, an der Straße steht eine große Tafel „Gemütliche, komfortable Zimmer frei“), schließlich bietet er uns statt der gebuchten „Wohlfühlzimmer“ zwei Dachkammern mit Bad und Klo über’n Flur an, dafür aber tatsächlich wohlfeil. In der Not frisst der Teufel Fliegen, also nehmen wir diese Zimmer. Vier Stockwerke ohne Lift, zwei Dachkämmerlein mit Baumarkt-Möbeln, viel zu niedrigen, quietschenden Betten, durchgelegenen Matratzen, Waschbecken, Dachfenster mit direktem Blick auf die stark befahrenen Mainbrücke in Spuck-Entfernung (und entsprechendem Geräusch- und Abgas-Pegel), winzigem Uralt-Fernseher, geflicktem Bettzeug – aber eine Yoga-Matte (da freuen wir uns doch). Im fensterlosen Gemeinschaftsbad Rost in der Duschwanne, Schimmel an den Fliesen, die Toilettenbrille wackelt besorgniserregend, über den Boden möchte man nicht barfuß laufen. Müßig, das Frühstück gesondert zu erwähnen, es entspricht voll und ganz der sonstigen Qualität des Hauses: erbärmlich. Interessant auch die Tatsache, dass man eine Rechnung nur auf explizite Nachfrage erhält, was wohl die Steuerbehörden zu solcherlei Geschäftspraxis sagen?
Es gibt den alten Chauvi-Spruch, man müsse sich „eine Frau erst schön trinken“ (geht auch – um pc zu sein – et vice versa mit Männern), in Freudenberg jedenfalls gilt, man sollte sich das örtliche Gasthaus vor dem Nächtigen unbedingt erträglich trinken.
Und all den Radlern auf dem Mainradweg sei noch gesagt, ein paar Kilometer weiter gibt es durchaus nette Gasthäuser, allen voran die Krone in Großheubach von der Familie Restel, die Zimmer sind zwar auch einfach, aber die Küche ist genial, der Service perfekt. Oder in Miltenberg die Brauerei Keller, der Hopfengarten, das Jagdhotel Rose …. , allesamt gutbürgerliche, saubere, nette Gasthäuser.