Wiesn ist Macht

Wenn Ende September ein bayrischer SPD-Bürgermeister (ja, das gibt es!!!) auf ein unschuldiges Holzfass eindrischt, dass das Bier nur so spritzt, dann ist es soweit, dass es soweit ist.

Jetzt beginnt für den Regel-Bayern ein 16-tägiger Ausnahmezustand: das Oktoberfest oder wie wir sagen „die Wiesn“. Das größte, das schönste und – wenn es nach uns ginge – auch das einzige richtige Volksfest der Welt.   Wer im Bierzelt einen Platz findet, den Holländer, Amis und andere Kulturkreise noch nicht weggefaxt haben (Polt), für den kann der Oktoberfestbesuch ein sinnstiftendes Erlebnis werden. So war es letztes Jahr bei mir auf der Wiesn.

Wir sitzen also nach einem weiteren einzigartigen Sieg des FC Bayern im Augustiner-Festzelt (oder woanders)  und besprechen unsere Vormachtstellung im Weltfußball und darüber hinaus. Ja, eines zeichnet den Münchner Bayern-Fan seit jeher aus – seine nahezu gottgleiche Bescheidenheit. Münchner wissen, dass Triple keine chinesische Geschlechtskrankheit ist, sondern neben dem WM-Titel das Höchste, was ein Fußball-Fan erreichen kann.

Plötzlich biegt sich die Bierbank. Ein wohlgenährter Mann zwängt sich neben mich. Presssackesk spannt sich das rot-weiße Karohemd über der Angermaier-Seppl-Hosn aus Original-Frosch-F****n-Leder. Er ist Teil der breiten Öffentlichkeit.  Seinen Namen verstehe ich bei dem ganzen Bierdunst im Zelt kaum. Irgendwie heißt er wie eine Schrankwand von Ikea:  Thorben-Henrik oder so. Weder akustisch noch vom Dialekt her, verstehen wir uns – oft die beste Voraussetzung für ein gutes Gespräch. Er stammt aus Lüdenscheid-Nord, also aus der Nähe von Schalke, und ist glühender Fan des Vereins, dessen Fahne aussieht wie Biene Maja nach einem knackigen Intermezzo mit der Windschutzscheibe. Ein Prosit der Gemütlichkeit.

Eine Bedienung mit einem Monsterdekolleté trägt ihre erotische Nutzfläche vor sich her, darauf zwölf Mass, da ist auch eine für ihn dabei. Oanszwoagsuffa.

Das ganze Zelt stimmt den Schweini-Song an „Schalalalalalalalaaa—BeVauBee-Hur….“ Da kommt mir plötzlich ein schauerlicher Gedanke: Was wäre, wenn die ganze Welt nur aus Bayern-Fans bestünde. Über wen sollen wir uns dann noch ärgern oder besser lustig machen? Irgendwer muss ja auch für den BVB, S04, Eintracht, VfB, HSV oder gar Werder sein, auch wenn es irgendwie abartig ist.

Klirr und Klong und Kling. „Prost, Spezi“ stoße ich mit dem Maßkrug meines neuen schwarzgelben Freundes an. Weltmeister sind wir ja auch gemeinsam geworden.

 

 

PS: Testen Sie Ihr Wissen. Schalke-Fans sagen zu Dortmund Lüdenscheid-Nord, wie nennen BVB-Fans den Herkunftsort von Schalke 04:

 

  1. a) Lüdenscheid Süd
  2. b) Herne Ost
  3. c) Herne West
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