Die Jüngeren kennen das wahrscheinlich nicht, aber früher war es oft selbstverständlich, dass Mutter sich den ersten Pfannkuchen nahm, obwohl sie ansonsten das Rollenklischee brav einhielt, alle anderen zuerst bediente und sich selber bei fast allem hintan stellte, sich natürlich auch als letzte beim Essen – das sie ja immerhin gekocht hatte – nahm. (Nicht, dass ich hier missverstanden werde: ich heiße dieses Rollenverständnis nicht gut, aber so war das früher halt oft, um nicht zu sagen meistens.) Aber nicht so bei Pfannkuchen, hier nahm sich Mutter immer den ersten. Warum? Ganz einfach. Traditionelle guss- und schmiedeeiserne Pfannen wurden niemals richtig ausgewaschen, geschweige denn, mit fettlösendem Spülmittel geschrubbt. Eine richtige, eine richtig gute, in langem Gebrauch erprobte Pfanne wurde nach jeder Benutzung nur mit etwas Papier – natürlich Zeitungspapier, Küchenpapier gab es noch nicht – ausgewischt, und das war’s. So blieb immer eine dünne Fettschicht in der Pfanne erhalten, der sie einerseits vor dem Rosten schützte, andererseits aber auch das Bratgut vor dem Anpappen am Pfannenboden bewahrte. So ein Pflegeverfahren ging natürlich in der Regel nicht geschmacksneutral über die Bühne, selbst wenn man von Zeitungspapier und Druckerschwärze einmal absieht. Schnitzel nach Kaiserschmarrn in der Pfanne zu braten, das mochte ja noch halbwegs unauffällig von Statten gehen, aber Pfannkuchen nach etwa Zwiebeln oder Fisch, das kann schon ein unerwünschtes zusätzliches G’schmäckle ergeben. Und dieses G’schmäckle wurde dann weitgehend absorbiert eben vom ersten Pfannkuchen, und das war dann auch der Grund, warum sich Mutter immer den ersten Pfannkuchen nahm, eben weil er geschmacklich vielleicht doch etwas fragwürdig gewesen sein mochte, und da biss dann halt Mutter wenn schon nicht in den sauren Apfel, so doch in den zwiebligen oder fischigen Pfannkuchen. Mütter halt, und wir haben es nie zur Kenntnis genommen oder gar gedankt …