Verstorbene einheimische Gasthäuser und Retorten-Italiener

Der Antiquar in seinem düsteren, etwas muffig riechenden Laden – aber das müssen Antiquariate ja eigentlich – ist kompetent was alte Bücher anbelangt, dazu nett und er sieht vertrauenswürdig aus. Nach dem Kauf einiger hübscher alter Kochbücher frage ich ihn also, wo man in Trier noch so richtig gut einheimisch essen gehen könne, traditionelle Trierer oder von mir aus auch Mosel-Küche, wo er mit seiner Familie hingehen würde, ohne viele Touristen, dafür einheimische Stammgäste. „Ach wissen Sie“, seufzt der nette Antiquar, „das mit dem Essen gehen ist so eine Sache, zumal mit der einheimischen Küche. Eigentlich müssen Sie dazu schon auf’s Land fahren, weit auf’s Land, da gibt’s noch einige traditionelle Lokale, bei manchen Winzern wird auch noch gut gekocht, aber hier in Trier sind wir längst überrannt von Italienern, Griechen, Dönerbuden, McDonalds und wie sie alle heißen. Und die paar Lokale, in denen es angeblich noch einheimische Gerichte gibt, auch in den Hotels, das ist doch fast überall nur noch Fertigzeugs aus Tüten, Dosen, Tiefkühler, da wird doch kaum noch richtig gekocht. Wenn ich mit meiner Frau mal Essen gehe, dann hier in der Stadt mal einen Teller Nudeln und Salat bei unserem Italiener, ansonsten, um wirklich gut und bezahlbar zu essen, fahren wir schon lange nur noch raus auf’s Land. Hier in der Stadt …“, der Mann macht eine lange Pause und scheint nachzudenken, „… die Schlemmereule, die soll gut sein, aber das ist französisches Chichi, das sich kein normaler Mensch mehr leisten kann. Der Domstein war früher mal gut, aber seit dem die Grachers in Rente sind, ist das auch nur noch alles Fertig-Zeugs, dieser windige Itaker“ – er sagt tatsächlich ‚windiger Itaker‘ „und sein deutscher Kumpan, die betreiben wenigstens ein Dutzend Kneipen von Köln aus, die lassen hier auftauen und zahlen schlecht, sonst kümmern die sich doch nicht. Die Glocke gibt es noch, die ist noch halbwegs authentisch, was die Küche anbelangt, aber sonst fällt mir auch nichts ein, tut mir leid.“ Ich habe den Eindruck, der nette Mann sieht fast ein wenig traurig aus.

Die Glocke in Trier, das ist auch so eine Sache. Als Romantik Hotel per se erstmal nicht schlecht beleumundet. Als der legendäre Glocken-Jupp noch lebte, da war das Gasthaus eine Institution, gewiss noch authentisch, immer leicht schmuddelig, veraltete Sanitäranlagen, Küchengerüche, aber etwas abseits der Idiotenrennmeile und doch zentral gelegen halbwegs sicher vor touristischem Laufpublikum, die Zwiebelsuppe war legendär, ebenso die Trierer Mehlknödel mit Speckstippe für kleines Geld (und großem Sättigungsfaktor), überhaupt habe ich das Essen in der Glocke als bodenständig, fulminant, grobschlächtig, ehrlich in Erinnerung. Anfang des Jahrtausends verstarb der Glocken-Jupp, es folgte irgendwie eine ganz unglückliche Übergangszeit, bis – ich glaube 2010 – der Trierer Self-Made-Millionär Peter Brommschenkel das Haus übernahm; neben der Glocke betreibt Brommschenkel verschiedene Parfümerien, Naturkostläden, System-Restaurants, das Weinhaus Oechsle und eine eigene Werbeagentur, um alles gleich entsprechend zu bewerben. Nun gut, die Toiletten sind sauberer geworden in der Glocke, es riecht nicht mehr nach Küche, der Gewölbekeller ist schick und urig renoviert, auch die Hotelzimmer sind hübsch und komfortabel, wenngleich ziemlich kitschig, aber man merkt halt doch, dass kein Wirt mehr auf der Glocke ist, sondern ein Unternehmer. Ich für meinen Teil wollte eigentlich nicht mehr hingehen, aber vielleicht ist es ja doch der Einäugige unter den Blinden in der Trierer Gastronomie.

An diesem Abend jedenfalls verschlägt es uns in das offensichtlich neue Italienische Restaurant Dona Mia am Kornmarkt, einem der schönsten Plätze der Stadt. klingt Die value preposition des Lokals klingt durchaus vielversprechend (wenn man von dem vermaledeiten Duzen einmal absieht, eine Unsitte ist das!):

„Ein individuelles Ambiente mit natürlichen Materialien, zusammen mit einer intelligenten, unauffälligen Logistik empfangen dich mit einer gemütlichen Gastlichkeit und einem authentischen italienischen Flair. Donna Mia steht für frische, ausgewählte Zutaten. Regionale Top Produkte machen unsere Pizzen, Pasta & Co. zu dem was sie sind. Leichte, raffinierte Gerichte, nach über Generationen perfektionierten Rezepten.“

Ein ergänzender Blick in’s Handelsregister hätte sicherlich geholfen, dann dort steht über die Geschäftstätigkeit der Donna Mia – Trier GmbH:

„Eingetragener Gegenstand: das Betreiben einer italienischen Systemgastronomie in Trier, Durchführung von Veranstaltungen, Aufbau und Durchführung eines Liefersystems sowie Herstellung und Vermarktung von Produkten unter dem Namen Donna Mia, z.B. Wein, Salatsaucen, Olivenöl, Essige, Nudelsaucen, Gewürzen, Nudeln.“

Auch wenn man dem Lokal bereits auf den ersten Blick ansieht, dass hier nichts authentisch gewachsen ist, sondern alles von Gastro-Designer auf Pseudo-Italienisch durchgestylt, versuchen kann man’s ja mal, auf der Speisekarte finden sich durchaus interessante Gerichte, dazu die richtigen Buzzwords wie „hausgemacht“, „regional Beschaffung“, „saisonal“, „traditionelle Rezepte“, damit kann man erstmal bei einem wie mir punkten. Also versuchen wir’s.

Donna Mia Trier Bruschette

Das Lokal ist voll mit unglaublich viel Tinnef, Weinflaschen, nachgemachten Italo-Memorabilien, Postern, Grünzeugs, die Tische sind klein und eng bestuhlt, jeder Quadratmeter in dieser teuren Gegend will genutzt sein, von der avisierten offen Küche keine Spur, aber durch eine kleine Durchreiche kann man in den Raum blicken, wo das Futter hier wohl verbrochen wird. Und das Lokal ist voll mit unglaublich vielen Gästen, kurz nach 18:00 Uhr bekommen wir kaum noch einen Platz, vor allem junge Leute, Studenten, Pärchen, Familien mit kleinen Kindern, Caro und ich heben den Altersdurchschnitt deutlich. Die ebenfalls jungen Bedienungen mit ihren electronic devices, mit denen sie die Bestellungen mittels eines kleinen Stifts in ein Computersystem eingeben, die dann offensichtlich in der Küche, dem großen Schanktresen und der Kasse wieder rauskommen. Und dann geht’s los: Als Vorspeise werden winzige frittierte Teigtaschen mit fünf unterschiedlichen Füllungen und hausgemachten Dips dazu angeboten (man muss Speisekarten nur genau lesen, davon, dass die Teigtaschen hausgemacht wären, steht nirgends etwas), man kann 15 oder 25 Stück ordern. Als wir darum bitten, 15 Teigtaschen mit nur drei der fünf Füllungen zu bekommen wird uns ungerührt gesagt, bei 15 Teigtaschen gebe es nur alle fünf Füllungen je dreimal, drei Füllungen je fünfmal, das ginge nicht. Einzige denkbare Erklärung für uns: die Dinger sind vorgefertigte und vorkonfektionierte Convenience-Ware. Kleine Portion Spaghetti Bolognese als Vorspeise ebenso Fehlanzeige, es gibt nur eine Portionsgröße, man könne mir den Rest ja einpacken. Caros Frage, ob sie die Carbonara ohne die in der Speisekarte avisierte Sahnesauce haben könne, sondern nur mit Eigelb, wird ebenso verneint, warum eigentlich? Wenn die Carbonara – in die sowieso keine Sahne oder gar Sahnesauce gehört – frisch in der Küche gekocht würde, wäre es doch kein Problem, die Sahne wegzulassen. Das heißt aber im Umkehrschluss, wenn es ein Problem ist, die Sahne wegzulassen, wird in der Küche nicht frisch gekocht. So einfach ist das. Hungrig und erschöpft von einem langen Tag ergeben wir uns in unser Schicksal. Und das war grausam.

Donna Mia Trier, Spaghetti Bolognese

Bruschette: verbrannte Baguettescheiben mit matschigen, geschmacklosen Tomatenwürfeln, eher schon Tomatenbrei, dazu der Teller verschmutzt mit widerlicher industrieller Balsamico-Creme. Spaghetti Bolognese: breiige Nudeln, belanglose Allerwelts-Sauce, kann aus dem großen Convenience-Topf stammen oder vom Hilfskoch, Kantinen-Niveau. Garnelen auf Spaghetti mit Tomatensauce: Garnelen zähe vorbereitete TK-Ware, mangelnder Eigengeschmack mit Knoblauch übertüncht, Spaghetti schon wieder nicht al dente, auch die Tomatensauce belanglose Allerwelts-Sauce (s.o.). Der Beilagensalat kommt zeitlich gerade passend, als ich die Garnelen zurückgehen lasse, labbrig, Konservierungsstoff-geschwängertes Dressing. Die „Rullo die Pasta con Salsa Porcini1,2,3,8“ eine übermächtige überbackene, fette Nudelmasse, angeblich Cannelloni, gefüllt mit Schinken und Parmesan, darüber eine Steinzpilzrahmsauce und Mozzarella. Ein paar Gabeln schafft man schon davon, bis sich Sättigung, Fett-Flash und Angewidert sein einvernehmlich treffen. Schließlich die Pizza, um es kurz zu machen, besser beim Lieferdienst bestellen, die kann auch nicht schlechter sein. Dessert haben wir dann aus gegebenem Anlass ausgelassen.

Donna Mia Trier Canelloni

Aber was will man erwarten von einem Lokal, das auf großen Schildern an der Tür und den Fenstern Servicekräfte, Köche, Pizzabäcker, Thekenpersonal und sogar einen Betriebsleiter sucht? Vielleicht war das Restaurant ja noch gar nicht eröffnet und die Maler und Fliesenleger haben sich einen Spaß daraus gemacht, so zu tun, als wäre das Restaurant schon eröffnet und dann so zu tun, als würden sie kochen und bedienen. Und ein Lokal, das nicht nur Spaghetti Carbonara mit Sahnesauce anbietet, sondern auch „Mango Chicken Pasta“, „Pizza Thai Chicken“ oder gar „Pizza Surf & Turf“ mit Rindercarpaccio und Riesengarnelen, sollte man – davon bin ich jetzt vollends überzeugt – gar nicht erst betreten. Ich hätte nicht gedacht, dass das kulinarische Niveau von Vapiano noch zu unterbieten ist, aber Donna Mia schafft das locker. Wahrscheinlich hat das Restaurant große Zukunft.

Donna Mia Trier, Salat

Donna Mia -Trier GmbH
Am Kornmarkt 3
54290 Trier
Tel.: +49 (6 51) 99 93 69 36
Email: info@donnamia-trier.de
Online: www.donnamia-trier.de

Hauptgerichte von 7,70 € (Pizza Margherita) bis 21,50 € (Rumpsteak vom Grill), Drei-Gänge Menue von 15,10 € bis 47,20 €

 

Das sagen die Anderen:
Guide Michelin (Booktable) Inspektoren: n.a.
Guide Michelin (Booktable) n.a.
Gault Millau: n.a.
Gusto: n.a.
Schlemmer Atlas: n.a.
Feinschmecker: n.a.
Varta: n.a.
Holidaycheck: 5,3 von 6 Sternen (bei 1 Bewertung)
Yelp: 4 von 5 Sternen (bei 8 Bewertungen)
Tripadvisor: 4  von 5 Punkten (bei 185 Bewertungen)
Google: 4,2 von 5 Sternen (bei 140 Bewertungen)

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