The Westin Leipzig: durch und durch enttäuschend

Summa summarum: das Hotel Merkur – heute Westin Leipzig – war eines der besten Hotels der untergegangenen DDR. Die Marriott-Gruppe hat aus dem Haus aktuell eine freud- und charme- und service-befreite Absteige gemacht, es ist ein Trauerspiel …

Es gibt im Leben wirklich Schicksalsschläge: da will man mal wieder nach Leipzig, und dann wird der Fürstenhof renoviert. Wenn ich in Leipzig bin, wohne ich eigentlich immer im Fürstenhof, den mag ich sehr, aber diesmal eben Pech gehabt. Der Handelshof ist nun wirklich keine akzeptable Alternative, Victor’s Residenz (mit falschem Apostroph) ist zwar ganz hübsch, aber derzeit besser nicht, bei der Lage. Also bleibt also eigentlich nur noch das alte Interhotel Merkur (der Gott des Handels, wie sinnig), Anfang der Achtziger Jahre von Japanern, Schweden und Westdeutschen als Vorzeige-Bleibe für Devisenbringer, ostdeutsche und sowjetische Parteifunktionäre und die Stasi (die Zimmer für Westler sollen allesamt verwanzt gewesen sein, so ein dokumentierter Seitensprung eines westlichen Geschäftsmanns mit einer ostdeutschen Dame zweifelhaften Rufs ließ sich oft gut monetarisieren) mit 27 Etagen, knapp 100 Metern Höhe, 447 Zimmern, einer eigenen Pass- und Visastelle, Intershop, Bar, Restaurants (das Sakura war das zweite japanische Restaurant der DDR), Tagungs-Facilities, Pool und SPA hochgezogen, vor allem für die Gäste der Leipziger Messe. 1991 war das Merkur auf Platz 8 der besten Hotels Deutschlands. Nach der Wende wurde es für neun Jahre ein Interconti und umfangreich renoviert und umgebaut, seit 2002 ist das Haus ein Westin, das heute zur Marriott-Gruppe gehört, 2005 eröffnete in der obersten Etage unter Peter Maria Schnurr ein Spitzen-Restaurant namens Falco, das 2007 einen Michelin-Stern erhielt, seit 2008 hat es 2 Sterne, die gerade erst wieder erneuert wurden. Meines Wissens ist das Westin Leipzig nicht Dehoga-klassifiziert, auf seiner Website beschreibt sich das Hotel selber als „First Class Business Hotel in city centre with great views … unparalleled fusion of local history and modern design … special atmosphere … aesthetic and distinct elegance … our undivided attention as we attend to your every need with excellent and courteous service …” undsoweiterundsofort. Klingt ja nicht schlecht. In den 90ern Jahren habe ich einige Kongresse und Großveranstaltungen in dem Haus, das damals noch Interconti hieß, durchgeführt und war eigentlich immer von der Professionalität der Mitarbeiter, der Location und dem Ambiente angetan, was kurz nach der Wende angesichts der allgemein maroden Hotel-Situation in der frisch untergegangenen DDR vielleicht an dieser Einäugigen-Blinden-Sache gelegen haben mag. Aber nach 25 Jahren kann man ja mal wieder vorbeischauen, dachte ich mir …

Falsch gedacht. Ankunft mit dem Wagen. Doorman, Gepäckservice, Parkservice – Fehlanzeige. Also Taschen selber schleppen, Auto selber parken in diesem First Class Business Hotel. Die Hotelhalle hat noch immer irgendwie diesen DDR-Charme, geschlossene Lobbybar, gähnende Leere, nur eine Rezeptionistin hinter den zahlreichen Countern, wirklich neu sind die großen, innen beleuchteten Kühlschränke neben der Rezeption, hier kann man sich selber (gegen Bezahlung) mit Getränken und Snacks versorgen, sie dienen als Ersatz für die abgeschafften Minibars und den eingestellten Roomservice in diesem First Class Business Hotel. Einchecken nach der obligatorischen Seuchenkontrolle professionell, schnell, problemlos, nur vier Lifte für ein 400-Zimmer-Haus, das Zimmer ein Grand Deluxe im 25. Stock mit wirklich grandiosem Blick über Leipzig vom Völkerschlachtdenkmal über City- und Wintergartenhochhaus, Altes und Neues Rathaus, Nikolai- und Thomaskirche bis zum Reichsgericht, am Horizont die Dampfsäulen des Kraftwerks Lippendorf. Das Zimmer ist ok, mit 26 qm halbwegs geräumig, modern, ordentlich, funktional, lieblos eingerichtetes Übernachtungsgelass mit Hotellerie-Systemmöbeln ohne Stil, ohne Ambiente, ohne Gestaltungswillen, Holzpaneele am Boden statt dieser chronisch versifften dicken Teppichböden, aber reichlich Staub oben auf den Türstöcken, Kalkflecken im Waschbecken, hier könnte besser geputzt werden, keine separate Dusche, zum Abbrausen muss man in die Badewanne hinter einen dubiosen Plastik-Vorhang kraxeln, in diesem First Class Business Hotel. Die Heizung bollert volle Möhre und lässt sich nicht drosseln oder ausschalten; ein Hinweis darüber bei der Rezeption wird am Nachmittag freundlich aufgenommen, zur Nacht bollert das Teil noch immer, passiert ist also offensichtlich nichts, die Nacht wird sehr heiß, und das nicht im übertragenen Sinne, in diesem First Class Business Hotel. Minibar, Aufdeckservice am Abend, Schuhputzservice in der Nacht, Roomservice, persönliche Begrüßung durch die Direktion, wartende Taxis vor dem Haus, alles Fehlanzeige in diesem First Class Business Hotel, aber es gibt immerhin eine Flasche Wasser kostenlos auf dem Zimmer. Zu DDR-Zeiten beherbergte das Hotels zig Restaurants, zwei Bars (wenn ich mich recht entsinne) und sogar einen eigenen, begehrter Nachtclub, gerade für die Völkerverständigung zwischen westlichen Geschäftsleuten und hübschen, jungen, ostdeutschen Mädchen, die nicht nur der Liebe, sondern auch und vor allem der Stasi dienten. Heute gibt es noch den abgedrehten Sterne-Schuppen Falco mit Bar im Dachgeschoss (7-Gänge Menue zwischen 262 und 339 €, das ist selbst für Sterne-Schuppen mal eine Hausnummer, sonst nix, keine à la carte Angebote, schon gar nichts für den müden Geschäftsmann, der des Abends noch rasch ein Schnitzel oder Burger essen, ein Bier trinken und in’s Bett fallen möchte) und eine zugige Hotelhallen-Bar (ohne echten Barkeeper, nur mit einer engagierten, jungen Servicekraft besetzt), die derzeit allerdings erst am späten Nachmittag öffnet, stattdessen kann man sich ja an den Supermarkt-Kühlschränken in der Halle bedienen. Das rustikalere hauseigene Restaurant Brühl ist aktuell komplett geschlossen, wohl mangels Nachfrage. Und bei unserem Besuch ist selbst für Hausgäste kein Platz mehr in der Bar des Falco zu bekommen, es ist leider Valentinstag, und da wollen wohl viele Liebende überteuert schlemmen und mit romantischem Blick über die Messestadt süffeln, aber am nächsten Tag, da könnten wir problemlos zwei Plätze an der Bar bekommen, sagt man uns ….

Irgendwie ist es schade, wenn man ein Haus, das man eigentlich in guter Erinnerung hatte, in solch einem desolaten Zustand vorfindet, wahrscheinlich ist es die Corona-Agonie. Während andere, kleinere Häuser konsequent und engagiert um’s Überleben kämpfen, wird im Westin Leipzig, in diesem First Class Business Hotel, einfach die Service-, Personal- und Kostenstruktur dem verminderten Gastaufkommen angepasst und das Haus auf äußerste Sparflamme gefahren. Das war gefühlt kein Aufenthalt in einem First Class Business Hotel, das war gefühlt ein Hotelbesuch in einem Zwei-Sterne-Ibis mit großen Zimmern und tollem Ausblick. Aber ewig kann der Fürstenhof ja nicht umgebaut werden …

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