Summa summarum: Das ist gehobene, aber nicht abgehobene traditionelle, authentische und gekonnte griechische Küche in gepflegter, aber nicht steifer Umgebung, so macht ethno-food richtig Spaß.
„Essen wir heute Abend doch beim Griechen.“ Meist bedeutet das dann, man geht in eine einfach eingerichtete Kneipe vollgestopft mit überbordendem folkloristischem Kitsch, die Betreiber sprechen Deutsch mit deutlichem Akzent, sind aber freundlich und meist bemüht, grobschlächtige, überwürzte Speisen, Berge gegrillten Fleisches, aufgewärmte Beilagen, lieblose Salate, aufgetaute, zähe Calamari, aufgebackene Pita ebenfalls aus der Metro, wohlfeiler geharzter Retsina, und vor dem Essen ein kostenloser Ouzo für alle, hier kriegt man eine vierköpfige Familie noch für 100 EURO satt. Unzählige Wirte und Gäste Griechischer Lokale werden jetzt ob dieses pauschalisierendem Über-einen-Kamm-Scherens wütend aufschreien, viele gewiss zu Recht, und doch wage ich die Behauptung, dass dieser Einheits-Kamm auf bei weitem die Mehrzahl der Griechischen Restaurants in Deutschland zutrifft. Aber es gibt auch andere.
Solch ein Anderes ist die Taverna Ikaros in Augsburg Pfersee, gänzlich unscheinbar im Erdgeschoss eines schlichten Wohnhauses aus dem 19. Jahrhundert in einer Seitenstraße in Nähe der markanten Herz-Jesu-Kirche gelegen. Von außen würde man das Etablissement im Vorbeigehen vielleicht für eine Shisha-Höhle oder einen muselmanischen Männerverein halten. Aber spätestens, wenn man die große handgeschriebene Tageskarte neben der Tür liest merkt man, dass hier irgendwas anderes drinnen sein muss. Der Gastraum ist ein langgezogenes L, die Einrichtung konsequent in blau-weiß gehalten mit blauen Gardinen, blauen Stuhlbezügen, blauem Teppichboden, weißen Wänden, weißer Tischwäsche, dazu einfache, ebenfalls blau-weiße folkloristische Bilder, rückwärtig der Ausgang zu einem Gastgarten unter zwei respektablen Kastanien, neben dem Eingang eine kleine Theke, an der man vom Patron Dimitrios Karvouniaris empfangen wird. Die Begrüßung ist nicht südländisch-herzlich-lässig, zumindest nicht bei neuen Gästen, bei Stammgästen mag das anders sein, sondern eher kühl, höflich, bestimmt, so wird man von einem Maître d’hôtel in einem Sterne-Restaurant empfangen. „Haben Sie reserviert?“ ist dann in einem Griechischen Restaurant eine eher seltene Frage, und wenn der Maître auf eine verneinende Antwort dann auch noch sagt „Das wird schwierig … aber doch Tisch so-und-so ist gerade frei geworden.“ dann überlegt sich der neue Gast schon, ob hier jemand kolossal aufschneidet und angibt, oder ob dies tatsächlich eine andere Art von Griechischem Restaurant ist. Um es vorweg zu nehmen: die Taverna Ikaros ist eine andere Art von Griechischem Restaurant, und Dimitrios Karvouniaris hat nicht aufgeschnitten, das Lokal ist in der Tat bis zum letzten Tisch gut besetzt. Aber den kostenlosen Ouzo vor dem Essen, den gibt’s auch hier.
Die Tische sind – wie gesagt – mit gestärkten weißen Leinentischtüchern, weißen Stoffservietten, gutem, wertigem Geschirr, Besteck und Glas eingedeckt, das ist in der Tat ungewöhnlich … aber durchaus ansprechend. Die Standardkarte mit den Griechischen Standardgerichten von Tsasiki, gefüllten Weinblättern und Tarama über Souvláki, Moussaka, Calamari und gemischten Grillplatten bis hin zum Griechischen Joghurt mit Honig und Galaktobouriko unterscheidet sich kaum von anderen Griechischen Restaurants, das kennt man, allerdings ist die Auswahl hier deutlich kleiner als sonst, aber das muss ja nichts Schlechtes sein, sondern tendenziell eher ein gutes Zeichen. Dazu gibt es die handgeschriebene Tageskarte mit Muscheln, Fisch, Aufläufen, Salaten, … jahreszeitlichen Angeboten, die es eben nicht ständig gibt. Wirklich besonders ist aber die Mezédes-Karte. Mezédes ist die Griechische Version / Schreibweise von Mezze, im gesamten Mittelmeerraum verbreitete kleine Gerichte, die alleine nicht wirklich sättigen und daher als Vorspeisen oder Zwischenmahlzeit gereicht werden. Die Mezédes-Karte im Ikaros ist umfangreicher als die eigentliche Speisekarte, hier gibt es Alles und noch Mehr in kleinen Portionen, Salate, Gemüse, Dips, Fleischgerichte, Fisch und Meeresfrüchte, Aufläufe, … Von keinem dieser Gerichte – allesamt deutlich unter 10 EURO – wird man satt, man muss / kann schon drei, vier, fünf Portionen davon verdrücken. Noch mehr Spaß macht es natürlich, für vier Personen gemeinsam vielleicht 10 oder 15 Gerichte zu ordern und dann zusammen über den Tisch kreuz und quer zu essen. Die Qualität der Speisen ist dabei – bei allem, was wir gegessen haben – durch die Bank weg sehr gut, gutes Fleisch, frischer Fisch, sogar die Calamari sind zart, selbst gemachte Pita, auch Tsasiki, gefüllte Weinblätter, eingelegte Gemüse, Pasten und Dips scheinen nicht dem großen Metro-Bottich entsprungen zu sein, sondern tatsächlich vor Ort gemacht zu werden; allerdings ist das meiste unsäglich fett, auch die heiße Pita, alles zwar mit gutem Olivenöl, aber sehr viel davon. Die diversen Fleischgerichte kommen frisch vom Grill bzw. vom Drehspieß, auch keine Selbstverständlichkeit mehr im Zeitalter der Pfannen-Gyros-Verbrecher, aber dazu zählt man im Ikaros gewiss nicht, hier wird frisch und gut gebruzzelt was das Zeugs hält. Natürlich bleibt die Küche bei allem Lob grobschlächtig. Mit Salz, Pfeffer, Knoblauch, Oregano, Kreuzkümmel, Majoran und Koriander gewürzter, am Rundspieß gegrillter fetter Schweinenacken bleibt einfach am Rundspieß gegrillter fetter Schweinenacken. Natürlich kann er mehr oder weniger gut gewürzt, mehr oder weniger zart, das Fett mehr oder weniger ausgebraten, die Kruste mehr oder weniger knusprig sein, und im Ikaros ist das Gyros gewiss mehr gut gewürzt, mehr zart, das Fett mehr ausgebraten und die Kruste mehr knusprig, von daher ein tadelloses Gyros, nur ein mit Heuaromaten gedämpftes Rinderfilet wird es halt doch nicht. Muss aber gar nicht sein. Das alles ist ziemlich authentisches Griechisches Essen, nicht so wie das Zeugs, das in den Pauschalhotels an den Touristenküsten geboten wird, sondern eher wie in den Arbeiterkneipen in Ladadika oder im Innenland von Korfu. Und neben den offenen Standard-Weinen von Retsina bis Imiglykos gibt es in der Taverna Ikaros eine kleine, wohlfeile, aber vielversprechende Karte von Flaschenweinen von befreundeten Winzern in der Heimat. Das alles wird serviert von jungen, flotten, freundlichen Frauen, und über allem wacht mit Argus-Augen von der Theke aus der Patron Dimitrios Karvouniaris.
Das ist gehobene, aber nicht abgehobene traditionelle, authentische und gekonnte griechische Küche in gepflegter, aber nicht steifer Umgebung, so macht ethno-food richtig Spaß.
Taverna Ikaros
Dimitrios Karvouniaris
Sigmundstraße 3
86157 Augsburg
Tel.:+049 (8 21) 52 52 53
E-Mail: info@taverna-ikaros-de
Online: www.taverna-ikaros.com