10„Viel bringt viel.“ ist ein Motto, nach dem zahlreiche Rezepte – auch von mir, ich mache da keine Ausnahme, mea culpa – aufgebaut zu sein scheinen. Zuerst die Basis-Zutaten, dann ein wenig Hiervon, ein Quäntchen Davon, eine Spur von Sonstwas, und einen Hauch von Feenstaub, bei Vollmond von einer Fee geklaut und dann mit linksdrehendem Stößel fein pulverisiert. Das mag ja oft seine Berechtigung haben und zu ganz exquisiten Gerichten führen. Ebenso oft ist es aber auch der verzweifelte und dann doch vergebene Versuch, aus minderwertigen, industriellen Lebensmitteln (Stichwort holländische Tomaten z.B.) etwas geschmacklich Akzeptables zu machen, und ganz oft wird da dann auch noch der Teufel mit Belzebub bekämpft, indem man minderwertige industrielle Lebensmittel mit konzentrierter Lebensmittelchemie aus den Küchen des Satans aufzupeppen versucht. Und schließlich gibt es – ganz, ganz oft, und dies besonders seit Jahren bei den professionellen Rad-Neu-Erfindern, den Rezept-Designern der Food-Journaille – noch die Angeber-Rezepte, die ihre Banalität dadurch zu überdecken versuchen, indem sie absurde und abstruse Zutaten vorschreiben, die angeblich unabdingbar sind und ohne die das Gericht gewiss misslingen wird; da müssen es dann zwei Teile des So-und-so-Salzes aus Dingeskirchen gemischt mit einem Teil des Bla-Bla-Salzes aus Hinter-Hindustan sein, dazu drei Tropfen des Guru-Guru-Öls aus Guru-Guru-stan, ein Hauch des Zauberkräutleins Hipfzupfbums („Jetzt exklusiv erhältlich vom bekannten Fernsehkoch Stiefelmetz in unserem Web-Shop, gehen Sie jetzt auf www.kochen-und-geldgier.de und bestellen Sie noch heute zum Sonderpreis von nur 57 EURO, nur exklusiv für unsere Leser“) und dann … Genug davon, das ist natürlich alles Scharlatanerie.
Aber – jenseits dieser Monster-Rezepte – gerät die wirklich einfache und unverfälschte Küche immer mehr in Vergessenheit. Machen wir uns nichts vor: die Gewürzecke im Küchenschrank eines Studenten enthält heute mehr Gewürz-Kostbarkeiten als die Küche eines jeden (europäischen) Königs vor ein paar hundert Jahren. Die kleinen schmutzigen Küchentricks von Brühwürfel, Tomatenmark, Fertig-Fond, Maggi, Geschmacksverstärkern, usw. sind längst hoffähig geworden, selbst Jean-Claude Bourgueil hat die öffentliche Hexenjagd auf ihn nach der Glutamat-„Affäre“ halbwegs unbeschadet überstanden. Ich rede ja nicht davon, gleich wie weiland der Homo Habilis ungewürzte Fleischfetzen an Stöcken über die ersten Flammen zu halten, aber ein wenig unverfälschter dürft’s schon zuweilen zugehen, in unseren Küchen.
Vergangenes Wochenende hatte ich das Glück, frisch geerntete Buschbohnen beim Gärtner zu ergattern, keine vorkonfektionierte Flug-Ware aus Kenia, keine vertrockneten, angegammelten, Schoten am Ende der Logistikkette im gekühlten Discounter-Regal, keine Tiefkühl- oder Convenience-Ware, da war ein richtiger Mensch des Morgens auf ein richtiges Stangenbohnenfeld gegangen und hatte Bohnen geerntet, noch feucht von Tau und so frisch, dass sie beim Aneinander reiben quietschten (ein Test und zugleich eine Ehre, die man hier gemeinhin maximal dem Spargel zukommen lässt). Dazu erstand ich noch frisches Bohnenkraut, nicht etwa das Alibi-Zweiglein, das hierzulande zuweilen zu mehr oder minder frischen Bohnen mitgegeben wird, sondern ein ordentliches Büschel, etwa so dick wie ein Kinder-Unterarm. Und damit tat sich, zurück in meiner Küche, sogleich Folgendes:
Zutaten:
- 1 mittelgroße Zwiebel
- 2 Essl. Öl
- 100 bis 200 g frisches Bohnenkraut
- 1 Pfund grüne Buschbohnen
- 1 Pfund gelbe Buschbohnen
- 250 ml Crème fraîche
- Salz (natürlich ausschließlich zwei Teile des So-und-so-Salzes aus Dingeskirchen gemischt mit einem Teil des Bla-Bla-Salzes aus Hinter-Hindustan)
- Und dann schau’n’mer mal …
Zubereitung:
- Zwiebel schälen, fein würfeln, in einem größeren Topf mit 2 Essl. Öl glasig andünsten, mit 1,5 l Wasser ablöschen, aufkochen
- Dickes Büschel Bohnenkraut so brechen, dass es von der Länge her in den Topf passt, mit Küchengarn fest zusammenbinden und verknoten (die Blättchen können und sollen sich später beim Kochen durchaus lösen und in der Suppe landen, nur die harten Stiele sollen fixiert und am Stück rausfischbar werden), kurz abbrausen, in das kochende Wasser werfen, dort ca. 30 Minuten leicht köcheln lassen
- Währenddessen die Bohnen getrennt abbrausen, Spitzen, Stielansätze und falls nötig, unschöne Stellen abschneiden, in mundgroße Stücke teilen
- Zuerst die grünen Bohnen zu den Sud im Topf geben und mitköcheln lassen (Hitze kurzzeitig etwas erhöhen, bis alles wieder köchelt), nach ca. 5 Minuten die gelben Bohnen dazu geben, alles nochmals 10 Minuten zusammen köcheln lassen
- 250 ml Crème fraîche (oder mehr) zur Suppe geben, kurz unter Rühren verkochen lassen, dann sachte salzen, abschmecken, …
- Tja, und wer jetzt nicht hin und weg ist von diesem feinen, zurückhaltenden, keinesfalls brachial daherkommenden Geschmack von Pfefferkraut, Bohnen und Sahne, der kann jetzt noch – behutsam! – in die Trickkiste greifen.
- Wem das Süppchen zu dünnflüssig ist, der kann ein wenig Maisstärke in kaltem Wasser auflösen, löffelweise in die köchelnde Suppe geben und kurz mitköcheln lassen (Obacht, nicht alles auf einmal, wenn man die falsche Menge erwischt, kann man plötzlich Suppenkleister haben, und das wäre schade); alternativ kann man auch ein, zwei Schöpfkellen der Suppe samt Bohnen in den Mixer geben, fein pürieren und den Brei zurück zur Suppe geben, die Suppe als quasi mit sich selber binden; eine dritte Möglichkeit der Bindung ist es, nachdem man die grünen Bohnen dazu gegeben hat noch eine rohe, mehlig kochende Kartoffel auf der Brei-Reibe in die Suppe zu reiben und bis zum Schluss mitköcheln zu lassen, auch das gibt relativ geschmacksneutrale Bindung, man muss dabei allerdings den Stärkegehalt seiner Kartoffeln vorab recht gut kennen, denn im Gegensatz zum Maismehl muss der Kartoffelbrei schon ein paar Minuten mitkochen. Und wer hier zum Maggi-Fix-Saucenbinden oder Instant-Mehl greift, auf den mögen die Götter aus großer Höhe herabscheißen.
- Tja, und wem das Süppchen zu wenig Geschmacks-intensiv ist (wobei man sich dann auch schon mal fragen sollte, ob das Süpplein tatsächlich zu wenig Geschmack hat oder ob die eigenen Geschmackspapillen vielleicht zu überreizt und abgestumpft sind, nur mal so als Denk-Ansatz …), der kann jetzt loslegen: ein Gemüsebrühwürfel von Cenofix, frischer schwarzer Pfeffer, Paprika-Pulver, Chili-Flocken, Glutamat, neuerdings auch gerne mal alter Balsamico, kurzum alles, was die Trickkiste so hergibt.