Schlosswirtschaft Mariabrunn, Röhrmoos: Traumhafter Biergarten und solides Restaurant in wunderschöner, historiengeschwängerter Umgebung

Summa summarum: Mariabrunn ist zweifelsohne einer der schönsten Biergärten ganz Bayerns, schattig unter alten Bäume gelegen, man kann sich sein Essen mitbringen oder sich an den Selbstbedienungsständen mit trefflichen traditionellen bajuwarischen Biergartenspezereien vom Leberkas bis zum Steckerlfisch in – für ein Biergartenstandl – hervorragender Qualität zu wohlfeilen Preisen bedienen; das ganzjährig geöffnete gemütliche Schlossrestaurant mit schöner Terrasse bietet bodenständige, durchwachsene, bayrische Küche in gutbürgerlicher Qualität mit Potential nach oben.

 

Amalie Hohenester
Amalie Hohenester

Die Geschichte der Schlosswirtschaft Mariabrunn bei Röhrmoos ist in der heutigen – Marketing-Geschichten getriebenen – Zeit eigentlich viel zu schade für einen profanen Biergarten mit vielleicht ein paar hunderttausend Euro Umsatz pro Jahr, diese Geschichte ist so verdichtet, Mythen- und Klischee-geschwängert, die wäre glatt für ein paar Millionen-Euro-Konsumprodukt wie etwa einen Gin gut. Waldarbeiter trinkt 1662 aus frisch entdeckter Quelle auf grüner Wiese und sein Bruch kuriert sich von selber, Volk strömt in großer Zahl herbei und suggeriert sich Heilung, während katholische Priester die nassen Besen schwingen (und mitverdienen), bajuwarischer Kurfürst lässt schon 1665 Kapelle und Badehaus errichten, halleluja zefix, Wallfahrtsort verfällt über die Jahre wieder in die Bedeutungslosigkeit zum reinen Ökonomiegut, bis 1863 Amalie Hohenester, die Tochter einer heilkundigen Frau und zugleich professionellen Engelsmacherin und Schwester einer Wilddiebsbande, verurteilte Streunerin, Diebin, Pfuscherin, gleichwohl aber auch eine unstudierte Frau, die sich in der medizinischen Domäne der studierten Männer erfolgreich breit macht den verkommenen Wallfahrts- und Bade-Ort übernimmt, Volk strömt wieder herbei, wirklich Kranke werden abgewiesen, Hypochonder durch Harnschau, Marienwasser, Guru-Guru, den rechten Glauben und viel Geld geheilt, der Titel der „Doktorbäuerin“ macht die Runde, ein angestellter männlicher Badearzt fungiert als Strohmann, mit den Behörden arrangiert man bzw. frau sich, selbst hohe Herrschaften, dem Vernehmen nach auch Sissi, sollen nach Mariabrunn zwecks Heilung gepilgert sein, Pfuscherin stirbt nur 50-jährig schwerreich und ebenso -krank und elendig, Mariabrunn verschwindet wieder in der Bedeutungslosigkeit mit wechselnden glücklosen Besitzern, bis 1907 die Familie Breitling das Anwesen übernimmt und wieder auf Vordermann bringt.

Eigentlich sind das die Geschichten, aus denen man Heimatfilme dreht und mit denen man Markenprodukten eine gefälschte Vita andichtet. „Doktorbäuerin-Gin aus Mariabrunn (Bistum Freising), vierfach destilliert aus den 17 geheimen Heilkräutern der Amalie Hohenester und echtem Marien-Quellwasser – 0,5 l in der original Medizinal-Flasche zu 48,90 €, hergestellt und abgefüllt in historischen, mit Buchenscheiten aus dem Röhrmoser Holz beheizten Original-Kupfer-Destillier-Blasen im Wallfahrtsort Mariabrunn“ … ich sehe die Werbekampagne quasi vor schon mir, wären da nicht die Dollar-Zeichen in meinen gierigen Augen.

Aber genug der Historie und der Träumerei, Mariabrunn ist heute gewiss einer der schönsten Biergärten ganz Bayerns. Er liegt eine gute Autostunde nordöstlich von München, schattige Parkplätze gibt es genug; oder man fährt mit der Bahn nach Dachau, dann mit dem Bus nach Ampermoching und von dort eine knappe halbe Stunde zu Fuß durch die grünen Auen; mit dem Fahrrad erreicht man Mariabrunn von München in gut 1 ½ Stunden. Dort angekommen hat man die Wahl zwischen der Schlossgaststätte mit Terrasse (wo man selten – zumal bei gutem Wetter – ohne Reservierung einen Platz bekommt) oder dem eigentlichen Biergarten hinter dem Gebäude, schattig unter Kastanien gelegen, neben der alten, schönen Marienkapelle auf der einen Seite, einem großen Selbstbedienungs-Buffet auf der anderen Seite, nach hinten ein Kinderspielplatz und dann sanft in den Wald übergehend, Bayern, wie es im Buche steht, oder aber im Kitschroman, so verdammt klischeehaft schön ist dieser Ort.

Die hauseigene Brauerei wurde leider vor Jahren schon aufgegeben, seit 17 Jahren sind Bernhard Öttl und Simon Radlmayr Pächter der Wirtschaft und des Biergartens, und die erweisen sich dieser tollen Location als würdig. Wie es sich für einen echten Bayrischen Biergarten gehört, können die Gäste ihre eigene Brotzeit mitbringen, viele Familien und Gruppen breiten tatsächlich weiße oder weiß-blaue Tischtücher auf den langen Tischen aus, stapeln aus Körben Spezereien auf dieselben und holen lediglich die Getränke vom Biergartenstandel. Die weitaus meisten Gäste allerdings versorgen sich an den Ständen nicht nur mit Bier, Radler und Limo, sondern auch mit frisch (auf-)gebackenen, reschen, zuweilen noch lauwarmen Brezn, Leberkäs, Schweinsbraten, Fleischpflanzerl, Obatzten, Wurstsalat, Steckerlfisch, Rahmschwammerl, Essigknödel, die ganze bajuwarische Biergartenglückseligkeit also, dazu Ofenkartoffel mit Lachs, Prosecco und griechischen Bauernsalat mit Schafskäse für die G’stopften und die Zua’groasten. Klar wird das Zeugs vorbereitet und dann warm- oder kalt-gehalten, aber wir sind schließlich im Biergarten Mann, sollen die etwa die Bulette frisch in der Pfanne braten? Die Schlange möchte ich dann sehen! Weitaus wichtiger ist hier die Tatsache (ich kann mich irren), dass hier alles oder zumindest sehr vieles hausgemacht ist, der Kartoffelsalat, der Obatzte, die Rahmschwammerl, Schweinebraten kommen nicht aus dem 10-Liter-Eimer oder der Convenience-TK-Packung daher, da hat noch ein richtiger Koch geschnippelt, gebatzt, geputzt, gebraten. Und auch Leberkäs und Fisch sind – wenngleich zugekauft – von überdurchschnittlicher Qualität. Hier wird nicht Gewinnoptimierung durch Kosten- und Aufwandsminimierung um jeden Preis betrieben, hier wird solide Biergarten-Küche abgeliefert, und das zu fairen bis fast schon wohlfeilen Preisen von (zumeist) freundlichen, flotten, dazu noch adrett anzuschauenden Mitarbeitern/-rinnen in Weste und Dirndl, so macht Biergarten noch/wieder Spaß.

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Etwas weniger rustikal – aber keineswegs weniger frugal und herzlich – geht es auf der Terrasse des Restaurants und in der kälteren Jahreszeit auch im Restaurant selber zu. Auch hier tragen die Servicekräfte Dirndl, die Speisekarte gibt sich gut-bürgerlich mit deutlichen bayrischen Einsprengseln, allerdings – im Gegensatz zum Biergarten – nicht wirklich wohlfeil. Aber die Rindssuppe ist tadellos und kräftig mit viel frischem Schnittlauch, wie es sich gehört, die Salate gut geputzt, frisch, in mundgerechten Stücken, leider ist das Dressing mit minderwertigem Industrie-Balsamico gemacht, Sauerrahm oder Apfelessig wären hier weitaus ehrlicher. Rinderlendensteak groß, zart, fettfrei, auf den Punkt medium-rare, hervorragende Fleischqualität, dazu ein sensationelles, tatsächlich frisches Kartoffelgratin und reichlich frisches Gemüse der Saison in großen Stücken in der Pfanne frisch gebraten – Herz, was willst Du mehr? Ebenso tadellos die Wild-Medaillons unter der Nuss-Thymian-Bröselkruste, die Wacholder-Rahm-Soße dazu etwas schwächlich (wo soll bei Medaillons auch eine richtige Sauce herkommen, es sei dann, man kocht selber Wild-Jus), das Gemüse wieder nicht aus dem Convenience-Beutel, sondern frisch geputzt, blanchiert und in Butter geschwenkt, die Spätzle naja, aufgewärmte, leicht angetrocknete Knöpfle halt. Bei einem Besuch hatten wir ein phantastisches Wiener Schnitzel mit richtig abgehobener, rescher Panade und hervorragenden Bratkartoffeln, beim anderen Besuch waren Schnitzel und Bratkartoffeln schlichtweg Katastrophen. Der Küche des Gasthauses würde ich heute ein gutbürgerliches, durchwachsenes Niveau mit gehobenem Anspruch, meist solidem, bodenständigem Können, guten Rohstoffen und zugleich doch recht viel Potential nach oben bescheinigen wollen; etwas rustikaler im Angebot und dafür etwas verfeinerter in den Zubereitungen fänd‘ ich gut. Mariabrunn ist auch bekannt als beliebter Ort für Hochzeiten und Familienfeiern; um ehrlich zu sein, für den Biergartenausflug mit Mass und Leberkäs oder für ein ordentliches Steak in der Schlosswirtschaft ist die Küche allemal gut, aber meinen 60ten Geburtstag oder die Hochzeit meines Sohnes wollte ich hier nicht feiern, bei aller Schönheit und allem Reiz der Location sollte zu solchen Anlässen auch kulinarisch was Besonderes geboten werden, und ich habe keine Evidenz, dass man dazu dort fähig wäre.

 

Schlosswirtschaft Mariabrunn
Öttl und Radlmayr GmbH
Geschäftsführer: Bernhard Öttl und Simon Radlmayr
Gut Mariabrunn
85244 Mariabrunn
Tel.: +49 (81 39) 86 61
E-Mail: info@schlosswirtschaft-mariabrunn.de
Internet: www.schlosswirtschaft-mariabrunn.de

 

Hauptgerichte im Restaurant von 15,80 € (Schweinefilets, Spätzle) bis 28,80 € (Pfeffersteak, Kartoffelgratin), Drei-gängiges Menue von 25,80 € bis 43,80 €

Öffnungszeiten Biergarten: erster schöner Tag im April bis letzter schöner Tag im September ab 11:00 Uhr, im Zweifelsfalle besser vorher anrufen, ob geöffnet ist

Öffnungszeiten Restaurant: Mittwoch bis Freitag 17:00 – 24:00 Uhr, Samstag und Sonntag 11:00 – 24:00 Uhr; warme Küche 11:00 – 14:00 Uhr und 17:00 – 21:30 Uhr; Montag und Dienstag Ruhetag

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