Summa summarum: Satt wird man irgendwie im Hotel-Restaurant Kronenhof Oedelsheim, aber gut essen geht irgendwie anders; dafür stellen die Gespräche und das Benehmen an den Nachbartischen zuweilen jeden Satiriker in den Schatten, wenigstens etwas.
Es geht gediegen zu in Oedelsheim an der Oberweser, eine gewundene Dorfstraße, die kein schnelles Durchfahren ermöglicht, Entschleunigung ausgerechnet dort, wo Beschleunigung dringend Not täte, ein Kaufmannsladen, ein fast nicht erkennbares kleines Werk von Continental, ein Eierautomat, ein trüber, träger Fluß samt mehr oder minder malerischen Auen, Bauerngehöfte, Felder und Wiesen, einfache Einfamilienhäuser, drum herum die Hänge von Reinhardswald und Solling, doch Fuchs und Hase sagen sich hier nicht Gute Nacht, beide hängen schon längst tot über einem der zahlreichen Gartenzäune, selber entleibt vor lauter schauriger Idylle, nur die Veloisten auf dem Weserradweg, die scheinen noch zu leben, zumindest strampeln die meist greisen Radlerbeinchen tapfer, gleichwohl oft E-Bike-gepimpt, doch dem Alter sei dies zugestanden. In dieser schaurigen Idylle also ist das Hotel-Restaurant Kronenhof Oedelsheim das erste Haus am Platze. Erstes Haus am Platze, das heißt hier nicht wirklich viel, mehr so in Richtung Einäugiger unter Blinden, doch Hunger und Alternativlosigkeit (Danke, Angela) zwingen zur Einkehr.
Der Gastraum – besser die Gasträume sind überraschend groß, um nicht zu sagen sehr groß und verwinkelt, hier ein Nebengelass, da eine Nische, dort ein Anbau, dennoch ist alles halbwegs hell und übersichtlich, hier kriegt man gleich mehrere Reisebusse unter und satt. Die Einrichtung ist deutsche 08/15-Gastronomie-Möblierung mit ein paar Blümchen und Deko-Tinnef, am Eingang ein Stammtisch für die Dorfbewohner und eine lange, wuchtige Theke, alles ist so, wie man es in einem Haus, das eine Übernachtung samt Begrüßungs-Cocktail, Verwöhn-Frühstück, 5 Gänge Candle Light Dinner, kostenloser Kegelbahn und Leifahrrad für 64,90 EURO anbietet, erwarten würde, auch das Publikum, das zahlreiche Publikum, denn siehe, um kurz nach 17:30 Uhr ergattern wir gerade den letzten nicht reservierten Tisch, Respekt, das ist mal eine Auslastung.
Die Bedienungen sind flott, freundlich, bemüht, modisch gänzlich, olfaktorisch zum Teil der ländlichen Umgebung angepasst, fachlich nicht immer ganz treffsicher, was die klassischen Regeln des Servierens anbelangt, aber wir sind ja schließlich auf dem Lande, und auch die Speisekarte gibt sich eher ländlich rustikal, zwei Suppen, zwei Vorspeisen, diverse Salate und kleine Gerichte, dann Schnitzel, Leber, Steak, Burger mit Hack vom Wild, Roulade, Tafelspitz, Nudeln, Saibling, Forelle, Wild, Ragout, bei den Nachtischen die üblichen Verdächtigen von Apfelküchlein, Roter Grütze, Industrie-Eis-Kreationen. Das Bitburger vom Fass dazu ist süffig – weil in Strömen fließend –, die kleine Weinkarte ist drollig, gerade mal zwei Flaschen über 20 EURO, der Rest … naja.
Was dann kommt ist … nennen wir’s mal „durchwachsen“. Etwas Streichfett mit Labberbrot zum Auftakt lässt keine Hoffnung aufkommen. Das Rote Beete Carpaccio besteht aus einem Dutzend aufgeschnittener, im Kreise gelegter Scheibchen gekochter Roter Beete, in der Mitte eine Hand voll gemischter Wildkräutersalat (von der Sorte, die es in der Metro vorgeputzt für 5,49 EURO netto das Pfund gibt) mit ein paar Parmesan-Flocken und Sonnenblumenkernen, bei denen man nichts vom in der Speisekarte avisierten Krokant merken kann, Sonnenblumenkerne halt, das alles mit einem dünnen hellen Vinaigrette-chen, das in der erdigen schwere der Roten Beete geschmacklich völlig verschwindet. Der nämliche Salat mit nämlichem dünnem Vinaigrette-chen und nämlichen unkaramellisierten Kernderln füllen den Teller beim gratinierten Ziegenkäse, begleitet von drei kurz abgeflämmten Scheibchen Chavroux, ein paar Apfelspalten und Wabbelbrot, hier passt die leichte Vinaigrette zumindest besser, aber dafür 12,90 EURO zu verlangen ist recht sportlich. Das Rumpsteak Tiroler Art ist ein großer, guter Flatschen toter Kuh, allerdings scheint der Begriff „medium“ in Oedelsheim so viel zu bedeuten wie „well done“; die gebackenen Zwiebelringe sind monströse, aber wohl tatsächlich selbst gemachte frittierte Zwiebelabschnitte, die geschmolzenen Tomaten dafür weitgehend verschwunden, die Pariser Schaumbutter ähnelt verdammt einer lausigen Tüten-Fertig-Béarnaise, die „hausgemachten Rösti“ schließlich sind drei runde, außen krosse, innen breiige Kartoffeldinger aus der Fritteuse, die jeden aufrechten Schweizer unmittelbar dazu bringen müssten, ganz Oedelsheim den Krieg zu erklären, das alles garniert mit Troickenpetersilie. Tja, und schließlich der Pikante Chilispieß, drei tatsächlich medium gebratene Filetbrocken von Kuh und Schwein, hübsch drapiert auf einem geschmackvollen Metallspießchen, die „pikante Paprika-Chili-Rahmsoße“ fast kalt, bitterlich, leicht scharf, sahnig-schwer, die avisierten gebratenen Champignons nicht auffindbar, die Pommes lausig, die zusätzlich georderten Bratkartoffeln fettriefend, nicht kross, ein Trauerspiel. Also, satt wird man irgendwie im Hotel-Restaurant Kronenhof Oedelsheim, aber gut essen geht irgendwie anders; dafür stellen die Gespräche und das Benehmen an den Nachbartischen zuweilen jeden Satiriker in den Schatten, wenigstens etwas.
Hotel Kronenhof
Axel und Astrid Przyludzki
Bremer Straße 11
34399 Oedelsheim
Tel.: +49 (55 74) 9 58 30
Fax: +49 (55 74) 95 83 49
Email: Hotel-Kronenhof@web.de
Internet: www.kronenhof-oedelsheim.de
Hauptgerichte von 10,90 € (Bandnudeln, Pesto, Gemüse) bis 29,90 € (Rinderfilet, Röstzwiebeln, Champignons, Pommes, Salat), Drei-Gänge-Menue von 20,00 € bis 46,00 €
Doppelzimmer mit Frühstück (pro Zimmer, pro Nacht) 87,00 € bis 102,00 €