Neu-Ulm gegen Ulm: Herrlich London Dry Gin vs. Ginger Dry Gin

Die Geschichten ähneln sich seit nun mehr Jahrzehnten alle miteinander so sehr, dass man sie nicht gar nicht mehr erzählen mag. Im Bayrischen Neu-Ulm bekommt der Inhaber einer kleinen Marketing-Agentur und Hobby-DJ eine kleine Destille zum Geburtstag geschenkt, dilettiert autodidaktisch an der Gin-Produktion herum, findet das Ergebnis irgendwann herrlich und nennt es dann auch gleich selbstbewusst „Herrlich Gin“, startet eine Crowdfundig-Kampagne, räumt seine Garage daheim aus, nennt diese dann nicht minder selbstbewusst Château Steinle und beginnt 2016 das small-batch, hand crafted, hand bottled, Rhabarberrhabarberrhaberber Gin-Destillieren. Im Württembergischen Ulm auf der anderen Donau-Seite treffen sich zwei junge Braumeister, die sich von der Meisterschule her kannten, in der Kronen-Brauerei wieder und haben – wer würde es vermuten – die Idee, gemeinsam Gin zu produzieren, experimentieren ein wenig autodidaktisch herum, bauen selber eine Brennblase, verwenden einen Grund-Alkohol auf Basis einer Malz-Kartoffel-Mischung, gründen 2018 ihre eigene Gin-Firma namens RHochZwei und verkaufen ihren Ulmer Ginger Gin in einer dunklen Flasche, die an das Kupfer der Braukessel erinnern soll, natürlich auch handmade, jede Flasche mit Flaschen-Nummer, Batch und Jahr handbeschriftet, und da Württemberg grün diktiert wird, auch noch mit Ökostrom produziert.

Beiden Gins gemeinsam ist, dass sie es nötig hatten, an den – aus meiner Sicht unsäglichen – World Spirits Awards teilzunehmen, eine bezahlte Prämierungsveranstaltung, bei der in den Jahren 2012 bis 2016 94% bis 99% der eingereichten Spirituosen eine Auszeichnung einheimsten, davon 65% bis 71% Gold, nur 1% bis 6% der eingereichten Spirituosen erhielten keine Prämierung. Das Geschäftsmodell der World Spirit Awards ist bestechend: zuerst zahlt der Brenner dafür, dass er seine Spirituose zur Begutachtung einreicht, dann zahlt er für die Teilnahme an der Prämierungsveranstaltung, dann kann er ein PR-Paket für seinen Schnaps buchen, und wenn er mit der erhaltenen Auszeichnung auf seinen Flaschen werben will, so zahlt er nochmals einen Obolus pro Flasche. Ich persönlich finde es erbärmlich, daran teilzunehmen und auch noch damit zu werben. Aber wer’s nötig hat …

Der Bayrische Herrlich Gin kommt kräftigen 44% daher, persönlich schmecke ich für einen London Dry verdammt viel Restsüße, der Wachholder geht hinter Pfeffer und Kardamon unter, die Nase ist so komplex-indifferent, wie man es von einem Gin mit 31 Botanicals erwarten kann. Persönlich würde ich den Herrlich Gin eher als New Western Style verorten und nicht als London Dry, aber das wird schon alles seine Richtigkeit haben. Mit einem dominanten Tonic, das der komplexen Botanical-Suppe Kontra geben kann und viel Eis mag der Herrlich gehen, pur oder im Martini funktioniert er für mich nicht. Die 80 EURO für den Liter ist er mir nicht wert.

Der Württembergische Ginger Gin hat noch immer ordentliche 42%, wenn Corona meine Nase nicht lahm gelegt hat, ist ein Geruchs-Bouquet sehr flach bis nicht vorhanden, im Maul dominieren dann scharf – der Ingwer – und Zitrus, eine leichter Bitternote vom Hopfen und lästige Süße vom Malz, der Rest eine weiche, indifferente Melange aus insgesamt 8 Botanicals. Das passt irgendwie, reißt mich aber gewiss nicht vom Hocker, es ist halt tatsächlich ein New Western Style, wo sich Destillen-Irrwische sich fast bar jeglicher Geschmacks-Regeln austoben können und das auch tun. Auch wenn Ginger Gin mit 70 EURO pro Liter etwas billiger ist als sein Bayrischer Kollege von der anderen Donau-Seite, wert ist er das ebenfalls nicht, finde ich.

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