Zwei Amerikanerinnen – offensichtlich Mutter und Tochter, ich schätze zwanzig und gut vierzig, dem outfit nach halbwegs geldig – sitzen im Dachrestaurant. Sie trinken Cola light und zwei kleine Gläser Weißwein. Nach einem ausführlichen Studium des Inhalts ihrer Funken, diversen Telephonaten auf Derivat-Englisch und einer ausführlichen Mutter-Tochter-Diskussion, wie die nächsten Tage in Austria im Detail zu gestalten seien, wieder auf Derivat-Englisch (nun, genau genommen keine Diskussion, die Mutter schlägt von Festung, Museen und Konzerten über Cabrio mieten, Gletscherwelt, Hochgebirgsseilbahnen und Alpenseen bis hin zu Kampf-Shopping, Wellness und gemeinsamen Abhängen ziemlich viel vor, wie ich meine, die Tochter lehnt stets gelangweilt und sichtlich genervt ab, ich würde solch ein Balg ja in den Flieger heim setzten und mich alleine vergnügen) widmen sich beide schließlich der Speisekarte, die es natürlich auch auf Englisch gibt. Desinteressiert legen bei die Karten nach kurzem wieder beiseite, winken den Kellner heran und fragen, ob sie dieses world famous Vienna Schnitzel haben könnten, ja entgegnet der Kellner, selbstverständlich. Und außerdem wollten sie dieses world famous Vienna fried chicken, von dem sie schon so viel gehört hätten (ich nehme an, sie meinen Steirisches Backhendl); der Kellner stockt, da müsse er erst in der Küche fragen, kommt aber nach kurzem zufrieden zurück und erklärt ja, er könne den Damen auch dieses world famous Vienna fried chicken anbieten, obwohl es nicht auf der Karte stehe. Sehr schön, antwortet die Mutter, dann hätten sie gerne einmal dieses world famous Vienna Schnitzel und einmal dieses world famous Vienna fried chicken, dazu Salat. Höflich nimmt der Kellner die Bestellung entgegen, fragt, ob es noch was sein dürfe, die Amis verneinen, und der Kellner will gehen. Ach ja, ruft ihm die Mutter dann noch hinterher, Schnitzel und Chicken natürlich vegan, und bloß kein Sahnedressing über den Salat, nur Balsamico. Einigermaßen entgeistert erklärt der Kellner, das mit dem Salat sei kein Problem, aber Wiener Schnitzel bestehe nun mal aus Kalbfleisch, und Backhendel aus Hühnerfleisch. Ja, ja, entgegnet die Ami-Tusse, aber es müsse doch auch eine vegane Version geben von den Gerichten, es gäbe doch heute überall auch vegane Alternativen, celery und tofu könne man doch ebenfalls ganz famos panieren und frittieren. Es entspinnt sich eine absurde Diskussion darüber, ob ein Österreichisches Lokal traditionelle Österreichische Speise in veganer Form anzubieten habe oder nicht, die Ami-Weiber werden dabei gegenüber einem zusehends verzweifelt-verwirrten Kellner (der übrigens aus Brandenburg stammt und sehr nett ist, wie ich im weiteren Verlaufe des Abends erfahren werde) sogar laut. Irgendwann zieht sich der Kellner zurück. Später dann serviert er zwei formidable Salat-Schüsseln voll Grünzeugs, drum herum auf dem Teller panierte Hähnchenschenkel und panierte Schnitzelchen, beide male mit je zwei kleinen Visitenkarten-großen Papier-Täfelchen auf denen steht „Not vegan! Contains veal“ bzw. „chicken“. Die Damen blicken skeptisch, beginnen dann, den Salat zu mümmeln. Die Tochter greift als erstes ein Hühnerbeinchen und knabbert anfänglich zaghaft, dann herzhaft; dann greift auch die Mutter ein Schnitzelchen, zuerst zaghaft, dann herzhaft. Das Ende vom Lied: Salat halb aufgefressen, Schnitzelchen und Hühnerbeine komplett vertilgt. Imperialer Veganismus also.