Es gibt gewiss viele Definitionen und viele Spielarten von purem Luxus beim Hotelfrühstück, und ich meine jetzt nicht überbordende, riesige Buffets mit reichlich von Allem, was das Herz des Gastes begehren könnte, ich meine die echten, qualitativen Highlights, den Tee-Sommelier zum Beispiel, echtes Wasabi zum hausgebeizten Lachs, frisch gepresster Orangensaft aus Blutorangen im Frühling auf Sizilien, die kleine hauseigene Patisserie, die selbst Sacher beschämt, perfekte Eggs Benedict mit tatsächlich frisch aufgeschlagener Hollandaise, frisch von der Wirtin des Gasthofes gebackenes duftendes Brot und resche Semmeln, hausgemachte herrliche Marmeladen, frische Bio-Eier von den eignen Hühnern, die Clotted Cream von der Nachbarin bei Ana in Kobarid … das sind kulinarische Schätze, die absolut selten sind beim Hotelfrühstück. Dem entgegen, 38 Sorten Wurst, auch koscher, halal und halali, 28 Käsesorten, auch vegan und Lactose-frei, 50 Brotaufstriche, 16 Birchermüslis, 40 Sorten Gebäck, Eierberge, Teebuffet und Kaffeespezialitäten aus der Maschine, Miso-Suppe, Baked Beans, Weißwürst, … you name it, das bekomme ich ständig in jedem x-beliebigen 5-Sterne-Hotel, diese Massenschlacht mit riesigen Bergen von meist ordentlichen Lebensmitteln ist zwischenzeitlich Standard geworden, hingegen Frühstück am Tisch serviert ohne Buffet gibt es ja fast gar nicht mehr, wahrscheinlich ist es billiger, nach dem Frühstück jeden Tag das halbleer gefressene Buffet wegzuwerfen statt Servicekräfte einzustellen, die das Frühstück am Tisch servieren. Ich will noch nicht mal sagen, dass diese Lebensmittelberge qualitativ minderwertig sind, gleichwohl sie in der seltensten Fällen aus artgerechter, biologischer, nachhaltiger Landwirtschaft und von regionalen Erzeugern und Verarbeitern stammen dürften, sondern aus Agrar-Fabriken. Aber Frühstücke in Spitzenhotels sind heute zumeist einen gesichtsloses, durch Quantität und nicht Qualität geprägtes, austauschbares Einerlei.
Die Frühstück-Highlights, die findet man dann woanders, klar, Adlon, Bensberg oder Dolder Grand, da findet sich immer wieder was von den oben genannten Glanzpunkten. Aber meist sind dererlei positive Überraschungen die Domäne kleiner Häuser, etwa wenn die Senior-Chefin selbst Marmelade gekocht hat, der Nachbar einen exzeptionellen Bergkäse liefert, der Dorfbäcker noch weiß, wie man Brötchen bäckt … Und eine solche Überraschung hatte ich jetzt im Looshaus am Kreuzberg: kleines, aber halbwegs ordentliches Frühstücksbuffet, nicht schlecht, aber auch beileibe nichts Besonderes, bis auf … bis auf eine große Schüssel mit frischen, ordentlich verlesenen, nicht matschigen Waldheidelbeeren (wohlgemerkt: wild gewachsene Waldheidelbeeren, nicht dieses weißfleischige, geschmacklose Zuchtzeugs von Busch). Waldheidelbeeren satt, das hatte ich noch nie zum Frühstück, als die Schüssel leer war, wurde sie sofort wieder aufgefüllt. Als ich den Kellner fragte, wo sie die denn her hätten antwortete er mit einer herzerfrischenden Selbstverständlichkeit: „Wieso, die wachsen hier doch wie Unkraut …“