Der Alte Wirt in Obermenzing ist eine Institution, seit 1417 wird der Gasthof an der Würm betrieben, bodenständige bayrische Küche, flotte, etwas freundliche, etwas grobe Bedienungen, faire Preise, und ein ulkiges Publikum, zum einen die ehemaligen Obermenzinger Bauern, die allesamt durch den Ausweis ihres Ackerlandes als Bauland über Nacht und ohne eigenes Zutun zu Multi-Millionären geworden waren, vom Misthaufen non stop auf den Geldhaufen sozusagen, zum anderen die Besserverdiener, die sich das Wohnen in dieser Gegend leisten können. Zu meinen Studienzeit in den 80ern hatte ich meine Studentenbude in der Nähe – 16 qm, Gemeinschaftsbad über’n Flur, 45 Minuten Bus, S- und U-Bahn zur Uni, 300 DM warm, das war wohlfeil damals – und der Alte Wirt war – neben dem Atzinger – mein Stammlokal. Wenn das BAFöG mal wieder nicht für ein Schnitzel zu 9,90 DM reichte, bekam man als Student auch den Kinderteller mit Spätzle oder Knödel mit Soße für 2 DM, und wenn man Frau Stern, die Pächtersfrau oder eine der Bedienungen danach noch hungrig-bittend anschaute, dann bekam man kostenlos Nachschlag. Irgendwann waren die Sterns als Pächter verschwunden, irgendeine Frau saß auf dem Alten Wirt, und die hat Pfannen-Gyros und so ein Zeugs auf die Speisekarte gesetzt, da bin ich dann nicht mehr hingegangen. Seit 2004 sind die Schlegels Pächter des Alten Wirts, und das sind wieder richtige Bayrische Gastwirte mit einer richtigen Bayrischen Speisekarte, trotz der vielen Convenience-Beilagen, aber eine ordentliche halbe Ente mit Knödel und Kraut für unter 12 € – wo gibt’s das sonst noch auf dem Münchner Stadtgebiet. Anfang Mai war ich jetzt wieder im Alten Wirt, nach vielleicht 10, 12 Jahren Pause. Ich setzte mich in die Ecke, in der ich auch früher meistens saß, die alte Bedienung stellte mir unbestellt – wie früher – eine Halbe von Löwenbräu hin und sagte in breitestem Bayrisch, nach wie vor mit jugoslawischem Akzent: „Du warst aber auch schon lange nicht mehr da. Wo hast Du Dich denn rumgetrieben?“ Zuerst glaubte ich an eine Verwechslung oder an eine verkaufsfördernde Standard-Phrase, aber nein, sie kannte mich noch, wir plauderten dann auch noch ein wenig über alte Zeiten, über Diesen und Jenen, und das Leben im Allgemeinen. Da arbeite ich nun 25 Jahre lang in allen möglichen Städten, reise quer um den Erdball, diese Frau schleppt die nämliche Zeit Bier und Haxen in Obermenzing — und erkennt mich wieder. Irgendwie ein Gefühl von Heimat.