„Kochen in Kupfer. Material · Rezepte · Genuss.“ Für alle Liebhaber von Kupfergeschirr ein Muss; für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, Kupfergeschirr zu kaufen, eine Pflicht; für alle, die nichts mit Kupfergeschirr am Hut haben, eine unglaubliche Versuchung

Jetzt sind wir mal ehrlich: „Man lasse das Ganze leicht köcheln“, „Man brate das Fleischstück nicht zu scharf an“, „Man schlage die Masse zur Rose auf“ … Wir befassen uns mit Zutaten, mit Zubereitungsarten, mit Garzeiten, mit Würzungen, mit Anrichtungsweisen, mit Garnituren, … Wir schreiben und lesen Bücher mit Rezepten, jagen die besten, naturbelassensten, biologischsten, leckersten Zutaten, üben und perfektionieren uns in grundlegenden und exotischen Zubereitungsarten, versuchen Teller-Ikebana auf teuerstem Porzellan wie die Spitzenköche, … Worin wir aber kochen, das bleibt gemeinhin beliebig. Vielleicht streitet man noch mal über die richtige Wahl des Herdes, aber der richtige Herd ist ohnehin fast immer unerschwinglich, und so wird’s für die einen ein Neff und für die andere ein Gorenje, obwohl sowohl die einen als auch die anderen eigentlich einen Lacanche hätten haben wollen. Über Kochgeschirr hingegen wird relativ wenig geschrieben und gestritten, Töpfe, Tiegel und Pfannen halt, meist aus Metall, meist möglichst schwer, wenigstens nicht so’n Blech-Glump aus Fernost. Nun gut, der gusseiserne Schmortopf von Le Creuset , die Tajine, der Römertopf, die beschichtete Pfanne, das sind noch Spezial-Kochgeschirre, die man in den meisten Haushalten vorfindet, schätzt und pflegt, aber dann hört’s auch schon auf, der Rest sind beliebige Töpfe, Tiegel, Pfannen. Ich war da nicht viel anders. Beim Einrichten unseren ersten richtigen – nachstudentischen – Haushalts vor 30 Jahren haben wir ein paar tausend Mark in die Hand genommen – viel Geld damals – und haben die Profi-Line von Fissler gekauft, schwere, schnörkel- und schmucklose Stahltöpfe, scheinbar unkaputtbar, scheinbar für die Ewigkeit gemacht, einmal was Ordentliches gekauft und nie wieder Sorgen oder Kosten an der Topf-Front. Dachten wir damals. Wohl haben uns die Fissler-Profi-Töpfe über Jahrzehnte treue Dienste geleistet, heute aber gehen die Griffe reihenweise ab und die Böden sind nicht mehr Plan, so dass die Töpfe auf dem Herd wie ein Kuhschwanz wackeln. Das sei halt so, bei alten Töpfen, teilt uns der Fissler Kundendienst lapidar mit, aber beim Kauf weiterer Fissler Produkte über das Internet im Fissler Online-Shop würde wir aus Kulanzgründen einmalig 25% Rabatt bekommen. Teilt uns der Fissler Kundendienst lapidar mit. Dermaßen enttäuscht von Fissler – einem alten deutschen Familienbetrieb aus Idar-Oberstein (mit einer Tochtergesellschaft, der der Fissler China Limited in Shanghai; mittlerweile gibt es Kochgeschirre „Fissler made in Germany“ und Kochgeschirre „Fissler Germany“, wobei letztere in China gefertigt werden) – suchte ich eine Alternative und verfiel auf Kupfer. Wenn man für ein Set guter Stahltöpfe weiland tausende von Mark ausgeben musste, so muss man heute für ein Set guten Kupfer-Kochgeschirrs zig tausende von EURO ausgeben. Angesichts dieser horrenden Preise einerseits und angesichts der tatsächlichen Unkaputtbarkeit von Kupfer rate ich jedem, der sich mit dem Gedanken trägt, auf Kochgeschirr aus Kuper umzusteigen, sich zuerst einmal auf ebay & Co. umzuschauen. Allerdings muss man sich dabei auskennen, denn Kupfer ist nicht gleich Kupfer. Es gibt gutes und billiges Kupfergeschirr, schweres und leichtes, ältere Kupfergeschirre eignen sich nicht für Induktion, innen sollte Kupfertöpfe eine dünne Keramik- oder Edelstahl-Schicht aufweisen, um direkten Kontakt zwischen Lebensmitteln und Kupfer zu vermeiden, da Kupfer selber nicht immer und in jedem Falle gänzlich ungiftig ist. Natürlich kann man auch in ein Haushaltswarenfachgeschäft oder zum Kupferschmied seines Vertrauens gehen und sich dort beraten lassen (und danach natürlich auch dort kaufen – für lau vom Fachmann beraten lassen und dann wohlfeil im Internet kaufen ist fies und asozial!).

Oder aber man kann sich erstmal mit einem neuen Buch schlau machen: „Kochen in Kupfer“, erschienen bei Ars Vivendi. Hier findet man eigentlich alles, was man zum Kochen, Braten, Backen, Dünsten, Schmoren, … mit Kupfer wissen muss. Das Werk ist keine schnelldrehende holprige Übersetzung eines englisch-sprachigen Coffee-Table-Books von einem industriellen Redaktionsteam oder einer unterbeschäftigten Hausfrau, garniert mit netten Bildchen, sondern ein echtes, professionelles Kompendium in Sachen Kochen mit Kupfer. Es stammt von der Regensburger Bibliothekarin Stephanie Arlt, dem Fürther Photographen Daniel Duve, der autodidaktischen Kochlehrerin Gabriele Hussenether aus Nürnberg und dem Physiker Prof. Dr. Thomas A. Vilgis vom Max-Plank-Institut in Mainz, vielen vielleicht besser bekannt durch seine Kochbücher, u.a., „Der Gastronaut“. Eingangs erfährt man eigentlich alles Wissenswerte über Kupfergeschirr, seiner Geschichte, seine Herkunft, seine Anwendungsgebiete, seine besonderen physikalischen Eigenschaften, seine Pflege, die Do’s und Dont’s bei der Verwendung. Dieser kurze, interessant und leicht zu lesende Theorieteil (kein ellenlanges selbstverliebtes wissenschaftliches Gesülze) wird aufgelockert durch zahlreiche, ästhetisch ansprechende und zugleich informative Photographien und durch zwei kurze Interviews mit einem leibhaftigen Kupferschmied und dem legendären italienischen Ausnahme-Koch Gennaro Contaldo, der offensichtlich auf Kupfer-Kochgeschirr schwört.

Tja, und dann geht es auch schon los mit einem umfangreichen Rezeptteil mit gut 100 Rezepten von der einfachen Polenta bis zur Seezunge, viele Risotto- und Eintopf-Rezepte, wenig Fleisch-Gerichte, insgesamt vielleicht eine Fränkisch-Mediterrane Crossover-Küche, wobei die kulinarischen Plattitüden vom hundertsten Schäufele-Rezept und dem fünfhundertsten streng geheimen Ragù-Rezept von Mama dem Leser erspart bleiben, statt dessen finden sich interessante Anleitungen wie für Schwarzen Venere-Reis mit Fenchel, Schweinekotelett mit gebratenem Radicchio oder Couscous aus Blumenkohl, aber auch wieder Standard-Dinge wie der (offensichtlich unverzichtbare) Kaiserschmarrn oder die Minestrone. Jedes Rezept steht übersichtlich, gut verständlich und nachkochbar auf einer Seite, jeweils mit einem aussagekräftigen und zugleich ansprechenden Bild des fertigen Gerichts, so geht Kochbuch, kann ich da nur sagen, ein sehr schönes Werk.

Wer jetzt noch zweifelt, ob er seine alten Töpfe für ein paar hundert oder tausend EURO zum Altmetall geben sollte und sich Kupfer-Kochgeschirr für noch mehr Geld neu anschaffen sollte, dem rate ich zu einem ganz einfachen Experiment: leihen Sie sich von einem Freund eine einzige gute Kupfer-Kasserolle aus, und dann bereiten Sie aus exakten denselben Zutaten mit exakt den selben Schritten eine Polenta (besser noch eine Einfache Polenta mit gerösteten Gewürzen, S. 79 in dem Buch) zur Hälfte im Stahl-, zur Hälfte im Kupfergeschirr (im Kupfergeschirr werden Sie allerdings weniger Hitze vom Ofen brauchen, wie Sie sehr schnell merken werden, also auch noch Energie-Ersparnis), und dann vergleichen Sie beide Polentas von der Cremigkeit und vom Geschmack … noch irgendwelche Fragen? Vielleicht muss man ja nicht gleich komplett auf Kupfer umstellen, aber so ein paar Kupfer-Töpfchen in der eigenen Küche schaden gewiss nie …

„Kochen in Kupfer. Material · Rezepte · Genuss“ Texte: Thomas Vilgis, Stephanie Arlt; Rezepte: Gabriele Hussenether; Rezeptfotos: Daniel Duve; Hardcover, 192 Seiten; € 34,00 [D] · € 34,90 [A]; ISBN 978-3-7472-0090-2, ars vivendi

Photos copyright Stockfood The Picture Pantry, Daniel Duve

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