Kehret den Anfängen

Mein Nachbar ist Rentner. Seit knapp einem Jahr. Jeder, der schon mal Loriots „Papa ante Portas“ gesehen hat, kann erahnen, dass auch dieser Neurentner – nachdem er alle Senfgläser ausgewaschen hat – jetzt Heim und Garten seine ganze Aufmerksamkeit widmet.
Ohne Kunden wie ihn läge sie am Boden, die deutsche Schneefräser- und Laubsauger-, ach was, die gesamte Gartengeräte-Industrie. Im Frühjahr zupft er, im Sommer mäht er, im Herbst saugt er, im Winter fräst er: Unkraut – Rasen – Laub – Schnee! Wenn ich im Herbst seinen Laubsauger höre, weiß ich, warum der liebe Gott Nadelbäume erschaffen hat. Doch selbst der hartnäckigste Kastanienbaum hat irgendwann sein letztes Blatt abgeschüttelt. Der Winter kommt – Fräs-Wetter. Jetzt wird der weißen Pracht der Todesstoß versetzt.
Mit dem Ehrgeiz die Schneeflocke noch im freien Fall abzufangen, fräst er in den kalten Monaten ab morgens um sechs unter unserem Schlafzimmerfenster. Mit dem Rasenmähen im Sommer wartet er am Wochenende wenigstens noch bis Nachmittag, bis wir auf der Terrasse sitzen – brummbrumm. Allein das Geräusch bringt meine heuschnupfengeplagte Nase zum Laufen. Wächst das Gras in Gärten von pensionierten oder passionierten Rasenmäh-Aktivsten schneller als anderswo?
Wie sagte schon dereinst 1851 Häuptling Seattle von den Cree-Indianern: „Erst wenn das letzte Blatt vom Baum gesaugt, erst wenn die letzte Schneeflocke vom Asphalt gekratzt ist, werdet Ihr feststellen, dass man Rollsplitt nicht fräsen kann.“ Endlich Frühling.
Freuen wir uns darauf.

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