Samstag 9. Juli 2014, 18 Uhr, 32 Grad, gestern 7 zu 1 gegen Brasilien gewonnen – wer jetzt nicht grillt, mit dem stimmt was nicht und dem wird wohl zur Strafe die Deutschland-Fahne vom Auto entfernt. Selbst der aktivste Nichtraucher stellt sich einen freiwillig in die mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen geschwängerten Grillschwaden. Egal, oder besser: Wurscht.
Auch wir grillen. In einem Reihenendhausgarten nicht viel größer als eine Tischtennisplatte. Es wird serviert. Die Ehegattinnen stellen flugs die mit Rucola gefüllten Salateimer auf die PVC-folienbedeckten Tische.
Männer scharen sich um die Feuerstelle. Grill anwerfen ist Männersache. Bummbumm – Feuer frei. Die Grillexperten fachsimpeln: Hand links im Hosensack (schaukelschaukel), Hand rechts am Bier aus dem selbst kühlenden Fass (endlich mal sinnvolles Hightech!). „Oh mei, so wird des nie was“, raunzt einer der Pyrotechniker und weiß „da fehlt noch ein halber Liter Spiritus“. Zisch – er, der Spiritus Rector, übernimmt jetzt das Grill-Kommando. Man sieht gleich, dass es sich hier um einen echten Grillmaster handelt: verchromte Grillzange und Grillschürze mit dem nachdenklich stimmenden Aufdruck „VEGETARIER ESSEN MEINEM ESSEN DAS ESSEN WEG!“. So wie er fachsimpelt, wurden bereits mehrere Grillsaucen und etliche Marinaden nach ihm benannt.
Inzwischen gibt der Blasebalg vom Schlauchboot aus der Garage sein Letztes. Doch die Glut bleibt cool wie Schweinsteiger beim Elfmeter. Also wieder rein in die Garage, die besser ausgestattet zu sein scheint als manch große Baumarktfiliale. Raus mit der Kabeltrommel, den Föhn aus dem Bad geholt – jetzt geht´s los: Kohlestaub und Funkenschlag erfüllen die Luft wie in einem chinesischen Bergwerk. Endlich offenes Feuer.
Jetzt kommt die Stunde des Grillzangen-Messi: „Du, probier mal, ob´s schon durch ist.“ Er hält mir ein bluttriefendes Gewebeteil eines verendeten Paarhufers unter die Nase. „Na, bisschen braucht´s wohl noch!“ Plopp, die Vegetarierin am Tischende kann kein Blut sehen und kippt gleich ohnmächtig vornüber in ihren marinierten Gurkenauflauf. Es wird dunkel. Zeit für die Mückenlichter, die die aufmerksame Gastgeberin extra im Hunderterpack bei Ikea angeschafft hat. Der Salat welkt im Eimer dahin, die Fleischplatte leert sich, es bleiben nur noch Würstel. „Weißt du eigentlich, was alles drin ist in diesen Darmtrakten ermordeter Tiere, die Ihr Würstel nennt?“, fragt mich die wiederbelebte Vegetarierin vorwurfsvoll. Wenn ich das wüsste, würde ich sie wohl kaum essen, denke ich und hol mir noch schnell Nachschlag, bevor die letzte Glut erlischt. Ich liebe Grillen.
Keep the fire burning.
PS: Testen Sie Ihr Wissen: Weltweit gehen etwa vier Prozent der Treibhausgase auf Rinder zurück. Wie viele Rindviecher (auf vier Beinen) gibt es ungefähr derzeit auf der Welt?
a) 100 Millionen
b) 1,4 Milliarden