Grand Hotel Savoia in Genua: Morbider Charme zwischen Afrika-Fährhafen und Palazzi

Wenn der gemeine Bayer als solches Ausflüge in den Süden unternimmt, die über Starnberger See und Garmisch hinausgehen sollen, so landet er entweder in Südtirol, in Venedig oder an dieser von Deutschen bevölkerten, von dicht befahrenen Uferstraßen Zwangsjacken-artig eng umgebenen, überteuerten Gebirgspfütze zwischen Reiff und Peschiera (sorry for that, Tom), quartum non datur wollte man in (freilich unzulässiger) Erweiterung des principium exclusi tertii sive medii inter duo contradictoria fast sagen. (Warum ich das hier erwähne? Irgendwas muss man ja schließlich mit der humanistischen Bildung anfangen, die man so völlig unnütz mit sich rumschleppt, und hier passt’s grad halbwegs …) In ein, zwei Fahrtstunden mehr ist man aber auch in Genua, altehrwürdige Seerepublik am Nordzipfel des Ligurischen Meeres, und Genua ist so ganz anders als das meiste, was man von Italien so kennt oder zu kennen meint. Genua ist nicht so touristisch überlaufen wie Venedig, Genua ist nicht so mondän und chic wie Mailand, Genua ist nicht so international, historisch und katholisch wie Rom, Genua ist nicht so gefährlich wie Palermo, Genua ist nicht so künstlerisch wie Verona (und Mailand), Genua ist nicht so geschichtsträchtig wie Florenz, Genua ist nicht so industriell wie Turin, Genua ist nicht so lässig wie Neapel, Genua ist nicht so steif wie Bologna, Genua ist nicht so verträumt wie Perugia, und Genua ist nicht so aufgeräumt wie Triest, Genua ist einfach ganz anders, und immer wieder faszinierend.

Via Mala

Gerade mal sieben Stunden braucht man von München mit dem Wagen nach Genua (wenn alles gut läuft). Ich würde immer die Strecke über Bodensee, Schweiz, den Hinterrhein – einer der beiden Rhein-Quellflüsse – hoch, über den San Bernadino, nach Lugano und Como herunter (bis hier eine landschaftlich sehr reizvolle Strecke), auf dem meist überfüllten Autobahnring vorbei an Mailand, dann durch die endlosen öden Felder der Po-Ebene und die sanften, bewaldeten Ligurischen Hügeln hinab zum Meer nach Genua. Und eigentlich ist bereits diese Strecke viel zu schön, als dass man sie rasenden Rades auf der vielfach eingetunnelten Autobahn durchmessen sollte. Spätestens ab der Grenze zu Graubünden, bei Landquart sollte man die Autobahn 13 verlassen und meist parallel dazu auf der Bundestraße 13 weiterfahren, der alten Römerstraße Via Spluga, die zwischen Thusis und Zillis-Reischen zur Via Mala wird, einer bedrückend engen und vormals auch kreuzgefährlichen Schlucht, die durch den Roman von John Knittel und ungleich mehr noch durch dessen Verfilmung mit Gerd Fröbe als alten Lauretz und 1985 nochmals als TV-Stück mit Mario Adorf Berühmtheit erlangte. Heute ist die Via Mala mit Parkplätzen, öffentlichen Klos, Führungen und Souveniershops touristisch gut erschlossen und wird von den wackeren Schweizern nach Kräften monetarisiert, und doch bleibt in der oft sonnenlosen Enge zwischen wirklich tosendem Wasser tief unten und hoch aufragenden steilen Felsen bis heute ein Gefühl der Beklemmung, besonders wenn man auf die auf den Fels gemalten Silhouetten der ausgemergelten Kindergestalten, sogenannte „Schwabenkinder“  blickt, die alljährlich bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein aufgrund der Armut ihrer Eltern durch die Via Mala den Hinterrhein hinab auf die Oberschwäbischen Kindermärkte  getrieben und dort als Saison-Arbeitskräfte verkauft wurden. Wenn man Zeit hat, sollte man in Splügen übernachten, sofern man touristisch noch nicht vollends verhunzte Schweiz vor wildromantischer Bergkulisse erleben will, und vor dem Abendessen noch einen ausführlichen Spaziergang durch und um das Dörfchen unternehmen. In Splügen kann man sich dann auch entscheiden, ob man auf der Via Spluga bleibt, über den Splügen Pass hinab zum Comer See fährt und dort die Uferstraße weiter bis nach Como oder ob man auf der 13 bleibt und parallel zur Autobahn über den –knapp 100 m niedrigeren – San Bernadino nach Lugano fährt (wer hier im Juli unterwegs ist, kann gleich noch das völlig abgedrehte Shankra-Festival bei Lostallo besuchen) und von dort ebenfalls nach Como. Dort mag man sich getrost auf die A9 werfen, Mailand raschen Fußes umfahren, auf der A7 ebenso rasch durch die Po-Ebene, um die Piste dann bei Serravalle Scrivia wieder zu verlassen (wer unbeschadet an den Konsumtempeln der Mailänder Peripherie vorbeigekommen ist und wer’s mag und wer’s braucht,  kann auch hier noch ziemlich viel Geld für Allewerweltsmarken von Armani bis Woolrich im örtlichen Riesen-Outlet, dessen Deutsche Klone in Berlin, Neumünster und Ochtrup stehen, lassen). Wer’s nicht mag und nicht braucht, der mag nun das teilweise noch wild-romantische Tal der Scrivia auf der SP35 durch den Apennin nach Süden fahren, hinter Busalla über den Sattel bei Giovi hinab ins Tal der industriell arg geschundenen Polcevera bis hinein ins Stadtzentrum von Genua.

Bahnhof Piazza Principe

Der erste und auch der zweite und dritte Eindruck Genuas ist für jeden Neuling hier … herb bis derb. Genua ist keine Schöne, zumindest nicht auf den ersten, zweiten, dritten Blick. Der Zugang zum Meer ist auf fast der ganzen Länge der Stadt verbaut vom Corso Italia, einer vielspurigen Stadt-Schnellstraße, zugleich ihr Transportrückgrat, ohne die wahrscheinlich der gesamte Verkehr und die gesamte Versorgung zusammenbrächen. Richtung Potente (auch so eine Eigenheit von Genua, zur Beschreibung der geographischen Ausrichtung – Genua liegt wie ein Pfropfen zwischen Apennin und Meer, hier gibt es eigentlich nur Ost und West – aber hier spricht man von Potente, damit ist die südwestliche Richtung zur Riviera di Potente gemeint und von Levante, damit ist die südöstliche Richtung zur Riviera di Levante gemeint) dominieren der große Fähr- und Frachthafen unter dem mächtigen Leuchtturm das Meeresufer, irgendwo im Hintergrund der Flughafen direkt am Meer, unmittelbar vor der Altstadt sind die alten Hafenanlagen städtebaulich entwickelt worden, hier gibt es Molen mit allerlei Touristencafés und -shops, das berühmte und bedeutende Meeresaquarium, das Meeresmuseum, die Messehalle, ein Vier-Sterne-Retorten-Hotel direkt am Wasser, und Roman Polanski hat das originalgetreu nachgebaute Segelschiff Neptune aus seinem Film Piraten rumliegen lassen. Hier finden große Teile des touristischen  Lebens und Verdienens Genuas statt, der Porto Antico ist eine Touristenmeile, wie sie touristischer nicht sein könnte und hast nichts, aber rein gar nichts mit der eigentlichen Stadt zu tun. Hinter dem alten Hafen Richtung Levante säumen nochmals Docks und Werften das innerstädtische Ufer, seit Jahren wird hier ganz offen und ungeniert die Schande der jüngsten italienischen Passagierschifffahrt, die Costa Concordia Stück für Stück abgewrackt, erst dahinter, lange hinter dem eigentlichen Stadtkern beginnen wenn schon keine Strände, so doch zumindest Betonplatten mit Liegen und Sonnenschirmen drauf am Ufer; da in diesem Wasser jedoch kaum jemand wirklich schwimmen will, säumen Schwimmbecken das Ufer, Pools mit Meeresblick, welch ein Unsinn.

Im Hintergrund die Costa Concordia beim Abwracken

Hinter dem Corso Italia beginnt die eigentliche Altstadt Genuas, ein Gewirr von Straßen, Gassen, Gässchen, Treppen, Liften durch den Berg in die höher gelegenen Stadtteile, Plätzen und Plätzchen, alten Palazzi, Bürger- und Geschäftshäusern, mehr oder weniger authentischen Restaurants, eher kleinen Geschäften als gigantischen Shoppingmals und dem tristen Gucci-Feragammo-Armani-Einerlei, quirligem Leben, kühlen Arkaden, alten, aber belebten Kirchen: es ist schön hier, lebendig, authentisch, italienisch. Dann und wann mal, wenn ein Kreuzfahrtschiff im Hafen seine Pauschaltouristenfracht für ein paar Stunden in die Stadt auskotzt, kann es schon mal kurzzeitig etwas touristischer zugehen, aber die meisten bleiben eh‘ im alten Hafen, und die, die sich mit Kamera, Reiseführer und Sonnenhut in die Altstadt verlaufen, sind auch bald wieder weg, in die kleinen Gässchen kommen oder trauen sie sich ohnehin nicht. Ich mag Genua, die Herbe, weil hier die Italiener noch in der Überzahl sind, weil kleine Osterien, Trattorien, Ristorantes, Bars, Pizzerien, Pasticcerie, Cafés usw. noch bei weitem die kulinarische Hoheit gegenüber McKotz und Co. behaupten, weil die Geschäfte Stammkunden haben, die wiederkommen, und nicht einfach dumme Touristen, die ohnehin niemals wiederkommen, abgezockt werden … Genua ist eine lebendige, eine echte Stadt, keine gigantische Touristenfalle. Es ist gut, dass es abseits der paar Hauptstraßen kaum Restaurants mit Englischen Speisekarten gibt, ich mag es, wenn Kellner und Verkäufer weder Englisch, Deutsch noch Französisch verstehen, sondern eben ihre Sprache, Italienisch, schließlich ist man ja in Italien.

Die Bar im Grand Hotel Savoia
Die Whirlpools auf dem Dach des Grand Hotels Savoia

Am Rande dieses Gewimmels findet sich eines der nur zwei Fünf-Sterne-Hotels, die es in Genua gibt,  das Grand Hotel Savoia, zwischen Fährhafen und Altstadt gelegen, gegenüber vom Bahnhof Piazza Principe. Dennoch ist die Gegend keine typische Bahnhofsgegend, städtisch, lärmend, laut, ja, aber keine typische Schmuddel-Bahnhofs-Gegend (die Nutten finden sich eher stadteinwärts, in den Seitengassen zwischen Via Balbi und Via di Prè). Der siebgeschossig Bau mit seiner markanten rosa-weißen Fassade ist schon von weitem gut zu erkennen. Auch wenn die Vorfahrt vor dem Hotel chronisch zugeparkt ist – typisch italienisch halt –, irgendwie schaffen es die Pagen immer, sich zum Auto durchzukämpfen, auch wenn es zuweilen etwas dauert. Ein erster großer Vorteil des Savoia ist die Tatsache, dass es nicht nur einen Parkservice gibt, sondern den auch noch in einer verschlossenen, ziemlich scharf bewachten Parkgarage; in Turin wurde mir der Smoking aus dem verschlossenen Wagen auf dem Hotelparkplatz geklaut, in Bologna der iPod aus dem verschlossenen Wagen im Hotel-Innenhof, in Triest gar mitten in der Innenstadt bei helllichtem Tage die Scheibe eingeschlagen; nichts dergleichen ist mit bisher – toi-toi-.toi – in der Hotelgarage des Savoia widerfahren. Das Hotel wurde im späten 19. Jahrhundert gebaut und 2008 komplett, aber behutsam renoviert. Bis heute prägen glänzender Marmor, poliertes Messing, dunkles Holz, schwere Stoffe, bunte Mosaikfenster, edle Parkett-, Marmor- und Teppichböden das Bild des Hotels, genauso, wie man es sich von einem alten Grand Hotel erwartet. Das Personal ist durchweg livriert, diensteifrig, höflich, mehrsprachig, flott. Die Lifte knarzen, die Atmosphäre ist gedämpft, ebenso die Lautstärke und das Licht, in den heißen Sommermonaten ist es angenehm kühl, nicht Klimaanlagen-kühl, sondern Marmor-kühl, käme Victor Emanuel III mit seinem Gefolge hier unvermittelt um die Ecke, man wäre gewiss nicht verwundert, sondern würde höflich grüßen, und gewiss grüßte der Monarch huldvoll zurück. Die Zimmer sind allesamt individuell mit alten Möbeln eingerichtet, sauber, gut in Schuss, die üblichen Hotel-Annehmlichkeiten von Flachbildschirm, Safe, WLAN, Minibar, Bad, Pflegeartikeln, Klimaanlage, gute Matratzen, Schallschutz sind selbstverständlich, es gibt sogar Stecker für die Laptops in den Safes und genügend freie Steckdosen an den Schreibtischen. Die Standardzimmer sind mit rd. 15 qm relativ klein, die Executive-Zimmer bieten mit über 20 qm etwas mehr Platz. In den unteren Etagen ist es ratsam, ein Zimmer nach hinten raus zu nehmen, man blickt dann zwar in einen kleinen Innenhof mit Hotel-eigenem Kinderspielplatz (!) und auf eine Wand, aber dafür ist es ruhig und man  kann auch mal ein Fenster öffnen, ohne von dem – ständig mitschwingendem – Verkehrslärm weggepustet zu werden. In den oberen Stockwerken geht der Lärm, hier würde ich immer ein Zimmer zur Stadt und zum Hafen nehmen, allein schon wegen des Ausblicks. In den Kellergewölben des Hauses gibt es ein kleines, gänzliches unspektakuläres SPA ohne Pool (Nutzung bei den preiswerten Zimmern nicht im Preis inbegriffen), im Winter ist die Hotelbar neben der Halle beliebter Treffpunkt der Genueser Haute Volée, die Qualität der Cocktails allerdings variiert ja nach dem Keeper on Duty, meistens sind sie mäßig bis lausig, aber das Publikum ist zuweilen durchaus illuster. Direkt neben dem Sovoia liegt das Vier-Sterne-Schwester-Hotel Continental, in den unteren Stockwerken verbunden durch die beiden Hotelrestaurants Salgari und Tralalêro. Das Salgari bietet schlechte, möchte-gern gehobene ligurische Küche, das Tralalêro ist eine schlechte Trattoria: Punktum. Zur Qualität dieser beiden Restaurants passt die Qualität des Hotelfrühstücks, das im Saal auf dem Dach des Hotel Savoia serviert wird: Berge von Lebensmitteln fragwürdiger Qualität, lieblos dahingeknallt, z.T. unreifes, schlecht geschältes Obst, labbrige Brote, Croissants, Kuchen, Tetrapack-Säfte, Kaffee, der eine Schande für das Land des Espressos und Cappuccinos darstellt, ein Eierbratstand mit langen Schlangen davor, dazu ein chronisch überfordertes, meist unfreundliches Personal mit einer Mischung aus Faulheit – verlassene Tische werden einfach nicht abgeräumt und neu eingedeckt, statt dessen stehen die Mitarbeiter rum, halten Maulaffen feil oder quatschen ganz entspannt – und nackter Verzweiflung – wenn ein junges Mädchen einem Dutzend Tischen gleichzeitig Kaffee bringen soll –, und so ab 09:00, spätestens 09:30 Uhr werden die Buffets auch nicht mehr nachgefüllt, wohl damit sich diese penetrante Gästeschar endlich verpissen möge. Also, Speis und Trank sind nicht die Pfunde, mit denen das Grand Hotel Savoia wirklich wuchern könnte. Wirklich wuchern aber kann es … mit seiner Dachterrasse im 8. Stock des Gebäudes, rund um den erwähnten Frühstücks- (und Fest-) –Saal auf dem Dache. Von hier hat man einen unschlagbaren Blick über die Altstadt Genuas, das Meer und den Hafen, hier kann man die Kreuzfahrtschiffe beim An- und Ablegen ihr kunstvolles Ballett tanzen sehen, die Luft ist klar, von unten klingen nur noch verhalten die tausend Töne der Stadt heraus, dies ist ein ganz wundervoller Ort. Neben Tischen und Sonnenliegen gibt es zwei große Whirpools hoch über den Dächern der Stadt, das Wasser stinkt meist nach Chlor, und wenn man nach dem Bade darinnen nicht recht bald und gründlich duscht, so stellt sich zuweilen auch schon einmal eine besorgniserregende Hautrötung ein, weiß der Geier, was die da reinkippen. Dennoch, wenn hier nicht gerade Frühstück oder Abendessen zu verabreichen versucht wird, so ist es schön hier. Am Vormittag einen Kaffee nehmen, Nachmittags auf einer der Liegen schlummern, lesen, bräunen, am Abend den Aperitif nehmen, bevor man zum Dinner in eines der zahlreichen guten Lokale der Umgebung geht, und nach dem Dinner, vor dem Zubettgehen, eine Absacker über dem Lichtermeer, dafür ist dieser Ort wie geschaffen.

Grand Hotel Savoia
Via Arsenale Di Terra, 5
16126 Genova
Italien
Tel.: +39 (10) 2 77 21
E-Mail: info@grandhotelsavoia.it
Internet: www.grandhotelsavoia.it

DZ Ü/F 119 € bis 256 € (pro Zimmer, pro Nacht) (über Buchungsportale und Pauschalanbieter oft deutlich preiswerter; Preise schwanken stark nach Jahreszeit, Veranstaltungskalender und Auslastungsgrad)

 

Das sagen die Anderen:
Google: 4,6 von 5 Sternen (bei 181 Bewertungen)
HRS-Klassifizierung: 5 von 5 Sternen; HRS-Kundenbewertung: 9,8 von 10 (bei 3 Bewertungen)
Booking.com-Klassifizierung: 5 von 5 Sternen; Booking.com-Kundenbewertung: 8,9 von 10 (bei 1.632 Bewertungen)
Holidaycheck: 5,4 von 6 Sternen (bei 76 Bewertungen), 100% Weiterempfehlung
Yelp: 4,0 von 5 Sternen (bei 14 Bewertungen)
Tripadvisor: 4,5 von 5 Punkten (bei 2.563 Bewertungen)

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