Summa summarum: ein gemütliches, uriges bajuwarisches Wirtshaus an einem idyllischen Fleckchen Bayerns, das allemal für einen Ausflug taugt, zu Stoßzeiten allerdings recht überlaufen, flotte, freundliche, bedinrndelte, des Kellners und des Deutschen mächtige Bedienungen, sehr, sehr gute, bodenständige, Convenience-freie bayrische Küche mit großer Auswahl, nicht nur Kurzgebratenes, auch erfreulich viele Schmor- und Bratengerichte mit richtig guten Soßen, dazu ein paar Versuche in internationaler Küche, die recht missglückt und völlig überflüssig sind.
Fährt man von München aus die A8 nach Süden und verlässt die Autobahn bei Weyarn Richtung Mangfall, so gelangt man über verschlungene Pfade in 10 Minuten ins Leitzach-Tal, das Goldenes Tal genannt wird. In der Tat ist dieses Fleckchen Erde überaus idyllisch und verdient diesen Namen gewiss. Hier liegt der Weiler Naring, die Telephonnummern sind hier noch dreistellig, ein paar Dutzend propere Bauernhöfe und Wohnhäuser, und eine Gastwirtschaft Namens „Zum Goldenen Tal“, ein großes, schmuckes zweistöckiges Bauernhaus mit einem unförmigen Anbau aus den vierziger Jahren und einer kleinen Terrasse. Im Winter ist es hier unter der Woche eher beschaulich, allein der Großparkplatz vor dem Haus, der so manchem Aldi zur Zierde gereichen würde, lässt erahnen, was hier an Wochenenden und im Sommer los ist, da geht kaum etwas ohne Reservierung im Goldenen Tal, Geheimtipps bleiben halt nicht auf Dauer geheim, wenn ständig irgendwelche selbst berufenen Krittler-Idioten auf irgendwelchen dubiosen Blogs oder sogar in Zeitungen darüber schreiben. Nichtsdestotrotz hat sich das Goldene Tal, das sich seit 1937 im Besitz der Familie Huber befindet und heute von Elisabeth Huber geführt wird, halbwegs seine Zünftigkeit und Urigkeit bewahrt, wenngleich das recht düstere Ziegel-Tonnengewölbe im Eingangsbereich erstmal erdrückend wirkt, es riecht massiv nach Essen aus der offenen Durchreiche der Küche, hier sollte dringend mal eine neue Entlüftungsanlage eingebaut werden, auf dem blanken Steinfußboden und den weiß getünchten Wänden steht allerlei überflüssiger Zierrat rum, ein alter funktionsloser Ofen, Trockenblumen, alte Bilder, Schnapsflaschen, Jagdtrophäen, Waschschüsseln, so’n Zeugs halt, kann man machen, muss man aber nicht, dazu prominent platziert der Josef Gin von Lantenhammer vom Schliersee aus Kartoffelschnaps. Die verschiedenen Gaststuben selber dann typisch bajuwarisch, typischer geht’s kaum noch, Sprossenfenster, ordentlich geraffte beige Leinenvorhänge, grün-weiß gemusterte Kachelfußböden, schwere, reich geschnitzte Bauernstühle mit Herzchen in der Lehne, halbhohe Fichtenverkleidung und umlaufende Fichtenbänke an den Wänden, leinengedeckte Tische mit Papierservietten, wieder alte Bilder, Jagdtrophäen, Tinnef und Grünpflanzen, ein freundlich-neugieriger alter Kneipenhund, dazu ein großer Schanktresen, davor ein blank gescheuerter, speckiger Stammtisch-Tisch („Da hocka nua die, die wo aowois da hocka.“ … oder so ähnlich, ungefragt würde ich mich jedenfalls nicht dort hinsetzen), bis vor ein paar Jahren kellnerte hier noch die über neunzig Jahre alte Kathi, die legendäre älteste Kellnerin Bayerns, die 1939 von den Nazis zu ihrem Pflichtjahr auf’s Land in’s Gasthaus Goldenes Tal geschickt wurde und dann einfach dort für den Rest ihres Lebens hängen blieb, auch heute tragen die Bedienungen allesamt Dirndln und sind offensichtlich sowohl der Deutschen Sprache als auch des Kellnerns als auch eines derb-freundlichen Umgangstones mächtig … fast könnte man meinen, man sei im tiefsten Oberbayern mitten auf dem Lande.
Mitten auf dem Lande, so gibt sich auch weitgehend die Speisekarte, wenngleich die Preise schon noch erahnen lassen, dass man vom Goldenen Tal aus in 30 Minuten am Tegernsee und in 45 Minuten am Stachus ist, Wohlfeil-Bayern ist das nicht. 8 verschiedene Suppen zwischen 5 und 10 EURO, 10 Vorspeisen zwischen 10 und 16 EURO, durchaus reell der Schweinsbraten mit Kartoffelknödel für 10,80 EURO, rund 3 Dutzend Hauptgerichte zwischen 11 und 23 EURO, ein paar Desserts von 5 bis 10 EURO, schließlich eine umfangreiche Brotzeitkarte von 5 EURO (Wiener mit Brot) bis 12 EURO (Käseteller). Aber bei gutem Essen schaut man ja nicht akribisch auf den Preis, sondern auf das Essen … und das ist so-so im Goldenen Tal, wenngleich die große Anzahl der Gerichte auf der Karte schon ein Stirnrunzeln beim misstrauischen Gast aufkommen lassen mag, aber die haben dort offensichtlich den Durchsatz und die nötigen Küchenkapazitäten, um so viel anbieten zu können. Was man im Golden Tal wirklich kann, das sind die urbayrischen Gerichte: kräftige Rindsbrühe, selbst gemachte Pfannkuchen und Bratnocken, Katzenkopf-große Leberknödel, frische, knackige, gut geputzte, schlecht angemachte Salate (Salatdressing, das können die Bayern einfach nicht), ein Drumm von einem krossen Schäufele (ok, das ist eigentlich Fränkisch, und das ist ja – meinen zumindest die Franken – nicht Bayern) mit kurzer, kräftiger, eigener Sauce, mehr schon ein Saftl (und nicht diesem angerührten Eimer-Einheits-Soßen-Scheiß) und anscheinend selbst gemachtem Kartoffelkloss, der Sauerbraten aus dem Falschen Filet mürbe, zart, mager, eine richtig gute Sauerbratensauce dazu, das Tellerfleisch tatsächlich mit noch leicht knackigem Gemüse im Wurzelsud, tadelloser, schlorziger Kartoffel-Endivien-Salat und frisch geriebener Meerrettich, ein dickes Pfannenschnitzel aus sehr gutem Schweinefleisch, die Bratkartoffeln dazu ausgesprochen mäßig, mehr in Fett erwärmte Kartoffelscheiben, dann wieder drei große, zarte Rehfilet-Stücke, leider nicht rosa, sondern totgebraten, aber wieder eine ziemlich geniale Wildsauce und ordentliche Knöpfle (die kurzen Dinger sind Knöpfle, auch wenn man tausend Mal „Spätzle“ auf die Speisekarte schreibt), das alles ist weitgehend sehr, sehr guter bajuwarischer kulinarischer Standard: gute Zutaten, frisch zubereitet, lecker abgeschmeckt, keine zu offensichtlichen Convenience-Tricksereien, recht große (aber nicht riesige) Portionen, das alles ist wirklich „value for the money“, wie der Bayer zu sagen pflegt.
Das war das Kapitel „so“. Aber bei „so-so“ gibt es ja immer noch ein zweites „so“, und das ist nicht so im Goldenen Tal. Marinierte Flusskrebsfilets mit Avocado etwa: wo beim Flusskrebs die Filets liegen mögen, muss mir noch mal jemand erklären, und wie man die auslöst, und vor allem, wie viele Flusskrebse man für ein Löffelchen Filets braucht; aber keinen Zynismus, die „Flusskrebsfilets“ sind ganz einfach industriell geschälte, entdarmte, gekochte, in Lake eingelegte Flusskrebse aus dem Kühlregal, angerichtet in einem Näpfchen mit ein wenig Kresse, dazu eine halbe, geschälte, in Scheiben geschnittene, sehr gute Avocado und auf dem Teller ein paar braune Tröpfchen industrieller Balsamico-Creme-Dreck … sowas braucht’s einfach nicht in einem bayrischen Lokal, ebenso wenig wie Tiefkühlgarnelen mit geschmacklosen Cocktailtomaten und verkochten Spaghetti in einer ölig-sauren Sauce oder Tiefkühl-Röstinchen zu einer Vegetarier-Pfanne. Und italienischen Spargel im Winter braucht’s ebenfalls nicht auf der Karte.
Auch die Desserts sind wieder so-so: ein genialer Kaiserschmarrn, aber dann ein Ananassorbet aus gefrorenem Fertig-Fruchtpüree in billigem, süßen Prosecco, Industrie-Speiseeis mit Sprühsahne und Beeren-Deko, für die gerade keine Saison ist, oder dicke, pappige, lauwarme Pfannkuchen mit guter Marillenmarmelade darinnen und Industrie-Schokosoße darüber … das ist dann wieder durchwachsen und bedarf wohlüberlegter Auswahl bei der Bestellung.
Gasthaus “Zum Goldenen Tal” GmbH
Geschäftsführerin Anna Elisabeth Huber
Im Goldenen Tal 19
83629 Naring / Weyarn
Tel.: +49 (80 63) 3 28
Fax: +49 (80 63) 67 10
E-Mail: info@goldenes-tal.de
Online: www.goldenes-tal.de/
Hauptgerichte von 10,80 € (Schweinebraten mit Kartoffelknödel) bis 22,50 € (halbe Ente mit Kartoffelknödel und Salat), Drei-Gänge-Menue von 19,40 € bis 51 €