Also, ich stamme ja von der Diemel, genau gesagt aus dem Ort, wo die Diemel in die Weser mündet, Sumpfland ehemals, urbar gemacht von einem Landgrafen, der den Welfen ein Schnippchen und der einen Kanal bauen wollte, dann besiedelt von aus Frankreich geflohenen evangelischen Hugenotten, Karlshafen heißt das Städtchen, heute mangels Bevölkerung wohl wieder auf dem Wege zum Sumpfland. Dass ausgerechnet aus dieser Gegend mal ein Gin kommen sollte, hätte ich niemals erwartet. Aber ein paar Kilometer Diemel-aufwärts, in Liebenau-Ostheim, brennen Joachim Kalitzke, Mitja Hendrik Fehring und Kai Seidenheftert samt Familien unter dem Namen Diemelstrand Distillers und in der recht ungewöhnlichen Firmierung als UG & Co. KG seit vorletztem Jahr einen lokalen Gin namens Fieldfare Diemel Dry Gin mit einem Krammetsvogel auf dem Etikett. OK, es gibt dort im Diemeltal wirklich reichlich Wachholderwiesen als unverzichtbare Grundzutat für Gin. Aber dann kommt der ganze längst überreizte Sermon mit den streng geheimen Botanicals, und weil die Diemel in die Weser fließt, und die Weser in die Nordsee, und weil die Nordsee ein Meer ist, muss als letztes Botanical dann auch noch Wakame-Alge mit in den Topf (obwohl die Wakame-Alge eigentlich aus dem Pazifik stammt und nur künstlich im Atlantik vor der Bretagne angesiedelt wurde). Und dann kommen natürlich noch die ganzen Buzz-Words wie Handarbeit, kleine Batches, Leidenschaft, regional, geringe Stückzahlen, unfiltriert, usw. – man kenn sie zur Genüge – und – man höre und staune – auch noch fairer Preis, und das habe ich eigentlich noch bei keinem neuen Mode-Gin als USP gelesen, stimmt aber mit 70 € für den Liter auch nicht wirklich, hört sich aber gut an.
Geschmacklich dominiert den Fieldfare Diemel Dry Gin eindeutig Wachholder, vom ersten Geruch durch das ganze Maul bis zum Abgang und Nachklang, wobei hier gleich zu Anfang eine Gewisse Süße mitschwingt. Ich schmecke Zimt, Nelke, Minze, Eukalyptus, Zitrusfrüchte, recht stark Anis und eine gewisse Schärfe des Alkohols, der hier mit 45% kräftig mitspielt. Wenn man den Gin nur ein wenig im Glas schwenkt, tritt sogleich der Louche Effekt ein, also eine deutliche Trübung der ursprünglich klaren Flüssigkeit, die man vor allem von Anishaltigen Schnäpsen wie beispielsweise Pastis kennt und die dafür spricht, dass der Schnaps tatsächlich ungefiltert ist. Für einen Martini Cocktail ist mir der Fieldfare Diemel Dry Gin zu süßlich und zu komplex, außerdem sieht ein trüber Martini Cocktail nicht sonderlich gut im Glas aus (finde ich), für Martinis will ich einen Gin haben, der „straight“ ist. Da eignet sich der Fieldfare schon eher zum pur trinken, oder mit einem süßlichen Tonic als heimtückischer Abfüller für unbedarfte junge Menschen jeglichen Geschlechts.
Trotz alledem: Goof WE, Folks!