Summa summarum: hübscher, authentischer Landgasthof mit heimeligen Gaststuben, in denen freundliche Bedienungen handwerklich gut gemachte, Convenience-freie, regionale Hausmannskost ohne Enttäuschungen und ohne kulinarische Höhenflüge servieren, dazu wertig eingerichtete, gemütliche Zimmer, die leider etwas besser gepflegt sein könnten.
22 Jahre vor der Geburt von Galileo Galilei (der Typ mit dem „Und sie dreht sich doch“-Spruch) prellten Landsknechte 1542 die Zeche im Eybischen Hof in Randersacker, wo heute der Gasthof Bären steht, das ist mal eine Tradition. Seit 1886 ist das Haus im Familienbesitz. Statt von einem Haus sollte man jedoch besser von einem Ensemble sprechen, gelegen mitten in dem kleinen Main- und Wein-Städtchen Randersacker, einen Katzensprung südlich von Würzburg verkehrsgünstig an der A3, zur Straße hin ein wuchtiger Halbwalmdachbau aus Bruchsteinen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, darum weitere Fachwerk- und sachte moderne Gebäudeteile, die einen – durchaus toskanisch anmutenden – Innenhof mit romantischem Gastgarten hinter einem großen, schweren Eisengitter einrahmen, direkt daneben kommod ein Hotel-eigener Parkplatz. So stelle ich mir einen schönen Landgasthof vor.
Dieser positive Eindruck setzt sich innen fort, ländliches Interieur, gemütliche, heimelige Gaststuben mit einem echten Kachelofen, der von hinten mit Holz befeuert wird, alte Standuhren, die die Viertelstunden schlagen, kein Deko-Tinnef, schwere rote Samttischdecken, Holzböden, Butzenfenster, keine Gastronomie-System-Möbel, sondern individuelles, massives Schreiner-Mobiliar, in jeder Stuhllehne kunstvoll zwei Bärentatzen eingefräst, keine Chipkarten für die Zimmer, sondern klassische Schlüssel mit massiven Messinganhängern in Bärenform, die Zimmernummern nicht mit Klebebuchstaben an die Türen gepappt, sondern wieder massive Messingschildchen — das alles ist schön, macht Freude und entschädigt auch für den fehlenden Lift, stattdessen gibt es knarzende Holztreppen, es ist halt ein altes Gebäude-Ensemble, aber dafür authentisch. Mein Zimmer ist halbwegs geräumig, kleiner Balkon zum Innenhof, schwere Schreiner-Möbel, ich schätze Eberesche oder Birne, kleiner Schreibtisch (mit zwei Steckern für Laptop und Handy!), kleine Sitzecke, 180*200-Doppelbett mit Besucherritze, Kleiderschrank mit kleinem Tresor, Kofferablage, Flachbildschirm, halbwegs wohlfeile Minibar, keine verdammte Kapsel-Kaffeemaschine, funktionales, fensterloses Bad, flauschige Frotteehandtücher: das alles ist für weniger als 100 EURO / Nacht mehr als ok. Hier könnte man sich durchaus auch ein paar Tage wohlfühlen, wären da nicht der dicke Teppichboden mit sehr dubiosen Flecken, das schlecht geputzte Bad mit dunklen Schlieren am Boden, die fehlenden Müllsäcke in den Deckel-losen Mülleimern oder die ungeflickten Risse in den Über-Gardinen aus Brokat-Imitat; das alles sind gastronomischen Schludrigkeiten, die eine gute Hausdame so geballt nie durchgehen ließe und die auch nicht sein müssen.
Doch dafür versöhnt das Abendessen. Die Speisekarte ist nicht groß. Fünf Vorspeisen und Salate (etwa Rauchforellenmousse im Lachsmantel mit Rote-Beete-Apfel-Salat, Feldsalat mit pochierten Birnenspalten, Rinderfiletstreifen an Blattsalaten), zwei Süppchen, dann Saibling, Forelle oder Waller Blau oder Müllerin frisch aus dem hauseigenen Bassin, für Vegetarier die – üblichen – Knödel mit Pilzsauce oder – kreativer – gefüllte Wirsingsäckchen mit Selleriepüree, fünf Fleischgerichte (Steak, Schnitzel, Tafelspitz, fränkische Bratwürste, Blaue Zipfel), als Dessert Crème brûlée, Rumtopf mit Bauernhofeis oder Käse vom Affineur Waltmann aus Nürnberg, schließlich noch eine kleine Tageskarte mit Kalbskopf oder Ochsenbäckchen. Einerseits, das verspricht keine kulinarischen Höhenflüge und Extravaganzen, andererseits, das ist bodenständig, regional und ohne Convenience ehrlich in einer Gasthof-Küche machbar. Auch die Weinkarte dazu ist erfreulich, fünf Seiten ausschließlich mainfränkische Winzer, eine Seite offene Weine, die Bouteillen fangen bei 20 EURO an, gehen aber auch mal über 200 EURO (natürlich die vom Fürst aus Bürgstadt, aber den finde ich völlig überbewertet, außerdem ist das schon Churfranken), die Durchschnittsflaschen dürfte bei 30 bis 50 EURO liegen und bieten die Möglichkeit, gute und Spitzenwinzer aus Franken repräsentativ kennenzulernen. Dazu eine Liste mit netten heimischen Obstbränden kleiner Brenner, Ziegler ist nicht dabei. Die Bedienungen schließlich sind flott, freundlich, aufmerksam, zuvorkommend, des Deutschen mächtig, so macht Wirtsstube Spaß.
Als kleiner Gruß aus der Küche kommt ein Klecks würziger Tomaten-Frischkäse mit ausgesprochen gutem, kompaktem Bäcker-Baguette. Die Kartoffelsuppe ist eine kleine Sensation; eigentlich sind es nur Kartoffeln und etwas Gemüse gekocht, püriert und mit Sahne verfeinert – aber was für Kartoffeln! Richtig gute fränkische Kartoffeln, die noch nach Kartoffeln schmecken, und nicht nach Wasser, Gemüsebrühe, Geschmacksverstärker und Chemo-Pamp, das ist ein fast vergessener, ursprünglicher, unbeschreiblicher Geschmack. Und auf der Kartoffelsuppe – manchmal sind es eben die Kleinigkeiten – ein paar Croutons, aber eben nicht die Kilo-Beutel-Ware vorgefertigter industrieller Brotwürfelchen, sondern handgeschnittene Semmeln oder Weißbrot vom Vortag, kurz in Butter geröstet und leicht gesalzen, das sind richtige Croutons, auch wenn sie nicht mit normierten Kantenlängen daherkommen. Danach fränkische Bratwürste auf Sahnewirsing mit Bratkartoffeln: die Bratwürste sind ordentliche Qualität, zu zaghaft gewürzt, da habe ich schon deutlich bessere in Franken gegessen, die Bratkartoffeln sehr mäßig (aber Süddeutsche können halt generell keine guten Bratkartoffeln, wer mich eines Besseren belehren kann, bitte unbedingt melden!), aber der Wirsing wieder eine geschmackliche Sensation von Kohl, Sahne und Muskatnuss, knackig-sämig, nicht zu Brei verkocht, die Hauptrippe eines Kohlblattes ist nur an-, nicht durchgehackt, da hat eine Küchenhilfe wohl geschludert, tut dem Geschmack aber keinen Abbruch, sondern zeigt nur, dass der Wirsing frisch selber zubereitet wird; die Bratensoße dazu hätt’s gar nicht gebraucht. Lediglich der angeblich frisch geriebene Meerrettich zur Wurst ist für das Meerrettich-Land Franken mehr als enttäuschend, ja beschämend, keine Schärfe, keine Tränen, keine freie Nase, sondern nur hölzriger Muff. Schließlich eine lebendfrische, gebratene Forelle aus dem großen Fischbassin im Innenhof: optisch ist das Fischlein mit seinen paar Petersilienstücklein wahrlich keine Schönheit auf dem Teller, aber geschmacklich wieder eine Sensation, frisch gemeuchelt, frischer geht’s nicht, auf den Punkt gebraten, in guter Butter, noch ganz leicht glasig, schlichtweg perfekt, dazu wieder ausgesprochen gute Dampfkartoffeln mit Eigengeschmack, geklärte Butter und ein frisch geputzter, knackiger Salat – was braucht’s mehr? Zum Abschluss Rumtopf, nicht etwa – wie so oft – mit wabbligem Früchtematsch, sondern mir Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren noch mit Biss, dazu – zugekauftes, aber ordentliches – Vanilleeis vom Bauernhof und eine selbstgemachte Schoko-Hippe. Das Abendessen ist weit davon entfernt, perfekt zu sein oder neue kulinarische Horizonte zu eröffnen – vielleicht mit Ausnahme des unbeschreiblichen Kartoffel-Geschmacks – aber es macht Spaß …
Und ebenso das Frühstück: frische, handgemachte, ausgesprochen gute Backwaren vom heimischen Bäcker, lokale Marmeladen, Wurstwaren von ortsansässigen Metzgern, frisch zubereitete Eierspeisen (keine warmgehaltene Rühreipampe), dazu das ganze Gedöns von Säften, Cerealien, Obst, Aufstrichen, Streichfetten, Milchzubereitungen (nur keine Käse vom Waltmann, stattdessen vertrocknete Käsescheiben und -ecken), dazu echter deutscher Filterkaffee, dünn, heiß, viel, nicht dieses Maschinen-Standard-Zeugs. So fängt ein Tag gut an.
Gasthof Bären
Inhaber Stefan Morhard
Würzburger Straße 6
97236 Randersacker
Tel.: 0931-70510
E-Mail: info@baeren-randersacker.de
Internet: www.baeren-randersacker.de
Hauptgerichte von 12,50 EURO (Blaue Zipfel mit Meerrettich und Brot) bis 38 EURO (Waller blau), Drei-Gänge-Menue von 25 bis 65 EURO
Doppelzimmer mit Frühstück von 114 bis 215 EURO (pro Zimmer, pro Nacht)