Ein weiteres Stück aus dem Narrenhaus …

Eigentlich beschäftigt sich www.opl.guide ja mit den Themen Reisen, Essen, Trinken. Essen und Trinken kann man ja nun auch mal daheim. Also heute mal was über mein Zuhause, und das wird bestimmt keine prahlerische home story über meine luxuriösen Anwesen irgendwo in der Welt. In Nordhessen, am Arsch besagter Welt, besitze ich ein recht großes Haus aus den Nachkriegsjahren, solide Bauweise, immer halbwegs in Schuss gehalten, mit rd. 400 Quadratmetern Nutz- und 300 Quadratmetern Wohnfläche mit eigentlich drei oder vier Wohnungen, aber das Haus ist total verbaut, unser altes Familienhaus („Stammsitz“ wäre maßlos übertrieben), wo wir mal mit vier Familien aus unserer Sippe wohnten, gebaut und angebaut wurde, wie Geld da war und wie die Kinder kamen, alle Bäder über den Hausflur, machte in einer Familie ja nichts, wenn man morgens Omma im Bademantel über den Flur zum Klo schlurfen sah, und da ich der letzte Überlebende der Sippe bin (bis auf ein paar ausgezahlte Cousinen und einen verschollenen Cousin), ist das Haus halt auf mich gekommen, ich habe es nicht (aktiv) „in Besitz genommen“, es ist (passiv) „auf mich gekommen“, das Haus war im Lead, nicht ich, und jetzt hab‘ ich’s halt an der Backe. Verkaufen mag ich’s nicht, für den Verkaufserlös bekäme ich in München wohl einen Tiefgaragenstellplatz, maximal ein Studentenappartement im Hasenbergl. Also will ich den Schuppen halten, zugegebenermaßen auch aus Sentimentalität, schließlich bin ich dort geboren und aufgewachsen, was genau ich damit mache, weiß ich auch nicht, Wohnungen mit Klo über’n Hausflur dürften heutzutage kaum vermietbar sein, also Umbaukosten für halbwegs moderne Wohnstandards, allein, was die Raumaufteilung anbelangt, werde ich ohnehin haben, und zwar im deutlichen sechsstelligen Bereich. Aber den Politirrwischen in der Narrenhauptstadt und ihren politischen Kapriolen traue ich nicht, also habe ich einen Energieberater angeheuert, der mir erzählen soll, was ich qua staatlicher Energie-Gängelung noch zusätzlich in das Haus werde stecken müssen. Letzte Woche hat er mir sein Gutachten vorgelegt, so ein Gutachten kostet knapp 2.000 EURO, 80% werden von irgendeinem Gängelungsministerium oder -amt übernommen (also von Dir und Deinen Steuergeldern, lieber Leser), 20% muss ich selber zahlen, verkraftbar, dafür hat mein nordhessisches Haus jetzt einen offiziellen Energieausweis.

Natürlich hat mein Haus die schlechteste Energieeffizienzklasse überhaupt, das Computerprogramm, mit dem diese Berechnungen durchgeführt werden, zeigt den Zustand meines Hauses im tiefsten, bedrohlichen Rot. Dann kommt eine Graphik mit verschiedenen Sanierungsschritten – Heizungs-Austausch, Wärmedämmung, neue Fenster, Lüftung, Dachdämmung, Solarpaneele, natürlich Wärmepumpe und allerlei anderes Zeugs – in ganz einfacher Sprache (schöner, plakativer und narrensicherer hätten McKinsey & Co. solch eine Graphik auch nicht machen können, vielleicht stammt sie ja sogar von denen, als hochbezahlte Berater eines Bundes-Unfugs-Ministeriums), in der mein Haus zuerst Gelb, dann Hellgrün und schließlich im elysischen energetischen Endzustand satt Dunkelgrün dargestellt wird. (Dass sich da in der Ampel niemand aufregt, Rot und Gelb sind schlecht, allein Grün ist gut; und Schwarz und Blau kommen erst gar nicht vor.)

So weit, so gut. All diese Sanierungsschritte sollen in Summe rd. 260.000 EURO kosten, die möglichen staatlichen Zuschüsse belaufen sich auf ca. 60.000 EURO, für mich persönlich blieben also Kosten von rd.  200.000 EURO. Von diesen 200.000 EURO Kosten für die energetische Sanierung hat der Berater „im Geiste“ nochmals rd. 70.000 EURO „Eh-da-Kosten“ abgezogen, also Sanierungs- und Instandhaltungskosten, die in den nächsten Jahren ohnehin auf mich zukommen, egal, ob konventionell oder energetisch; das ist nur fair, irgendwann muss jede Heizung mal ausgetauscht oder das Dach neu gemacht werden. Wenn ich das Ganze allerdings „energetisch“ mache, kommen energetische Mehrkosten von 130.000 EURO auf mich zu – – – und das für ein Haus, das – wegen seines Alters, vor allem wegen seiner Lage in der strukturschwachen Provinz – gerade mal 200.000, mit viel Glück vielleicht 250.000 EURO wert ist. Die Zusatzkosten für die energetische Sanierung sind also etwa halb so hoch wie der Wert der ganzen Bude. Ob mein Haus nach so einer Sanierung dann auch 400.000 EURO wert sei, habe ich den Berater gefragt. Nö, antwortete dieser, nach der kompletten energetischen Sanierung werde es immer noch 250.000 EURO wert sein; jedoch ohne energetische Sanierung sei es aber sehr bald nur noch 100.000 oder 150.000 EURO wert. Glips! Aber ich müsse auch die Vorteile der energetischen Sanierung sehen, meine Heizkosten für das gesamte Haus von jährlich derzeit rd. 7.000 EURO würden sich danach auf rd. 3.500 EURO halbieren, außerdem verbessere sich der carbon footprint meines steinernen CO2-Monsters damit ganz erheblich, mein persönlicher Beitrag zur Weltrettung, sozusagen. Da klebe ich mich doch lieber ein paar Mal irgendwo auf die Straße und fliege danach nach Bali, das ist billiger und soll angeblich auch die Welt retten. Außerdem sei die jährliche Einsparung von 3.500 EURO ja nur nach heutigen Energiepreisen berechnet, bei der zu erwartenden Entwicklung der Energiepreise werde auch die Einsparung größer werden. Verstehe, wenn Deutschland flächendeckend mit nach grüner Glaubenslehre „kostenloser“ regenerativer Energie versorgt werden wird, steigen die Energiepreise, ist ja logisch.

Stünde mein Haus wenigstens im Speckgürtel von Frankfurt, so wäre es gut und gerne zumindest das Vierfache wert, die energetischen Zusatz-Sanierungs-Kosten beliefen sich bei identischer Bausubstanz auf rd. ein Zehntel des Hauswertes, und nicht – wie bei mir – auf die Hälfte.

Aber rechnen wir mal nach. Wenn ich jährlich nur 3.500 EURO an Heizkosten einspare, dann amortisiert sich diese 130.000 EURO energetische Zusatz-Investition nach lächerlichen 37 Jahren, ein echtes Schnäppchen, aber auch nur unter Annahme, dass die Um- und Einbauten – Wärmepumpe, Solarpaneele, Fenster usw. – dann auch 37 Jahre halten und nicht zwischendurch erneuert werden müssen. Nun, die Lebensdauer eines Solarpaneels soll bei 20 bis 30 Jahren liegen (dass Dinger meist in China mit sehr viel dreckigstem Kohlestrom produziert werden, blenden wir jetzt mal aus, das ist ja schließlich deren CO2-Bilanz), die eines Gleichrichters oder eines Stromspeichers bei nur 15 Jahren, moderne Fenster sollen nach 30 bis 40 Jahren erneuert werden. Finde den Fehler.

Rechnen wir mal anders nach. Unterstellen wir mal, die grünen Weltretter seien alles Lügner und Betrüger, und die Energiepreise sinken nach der republikweiten Zwangs-Umstellung auf regenerative Energien gar nicht, sondern der Energiepreis steigt kontinuierlich Jahr für Jahr um 2,5 %. Dann hätte ich im Jahr 0 Energiekosten von 7.000 (unsaniert) vs. 3.500 EURO (saniert), also die 3.500 EURO Einsparung. Im Jahr 1 hätte ich 7.175 vs. 3587,50 EURO Kosten, also bereits 3587,50 EURO Einsparung. Rechnet man die Zeitreihe so weiter, so würde sich die energetische Sanierung immerhin schon nach 27 Jahren amortisieren (sofern das verbaute G’lump so lange hält und ich zwischenzeitlich nicht die energetische Sanierung sanieren muss), aber nur, wenn der Energiepreis in diesem Zeitraum auf das Zweieinhalbfache steigt, was ja nicht geschehen wird, fallen wird er, der Energiepreis, verspricht man uns. Sollte das tatsächlich eintreten und der Preis für Energie sinkt Jahr für Jahr um nur 0,5%, dann betrüge die Amortisationsdauer der energetischen Sanierung mit einem Male wieder 41 Jahre. Finde den Fehler.

Dritte Rechenart: Nehmen wir an, ich muss mir das Geld für die energetische Sanierung von der Bank leihen, nehmen wir weiter an, ich bekomme einen billigen Kredit mit nur 4% Zinsen, dann hätte ich im Jahr 0 die 3.500 EURO Einsparung bei den Energiekosten, dem stünden 5.200 EURO Zinsen für den Kredit gegenüber, Tilgungen noch nicht eingerechnet. Finde den Fehler.

Vierte Rechenart: Nehmen wir nun mal an, ich habe die notwendigen 130.000 EURO auf der Bank liegen, nehmen wir weiter an, ich erhalte lediglich magere 3% Zinsen dafür, und ich zahle die energetische Sanierung bar (nicht gerade aus der Portokasse, so doch bar). Klar, dann habe ich meine 3.500 EURO jährliche Einsparung; dieser Einsparung stehen aber entgangene Zinsen von 3.900 EURO gegenüber, ich hätte also im Jahr 0 einen finanziellen Verlust von 400 EURO. Finde den Fehler.

Fünfte Rechenart: Wenn – wie oben angenommen – die Energiepreise jährlich um 2,5% steigen, hätte ich die Kosten für die energetisch Sanierung ja theoretisch nach 27 Jahren wieder drin. Würde ich nicht energetisch Sanieren, so hätte nach 27 Jahren bei steigenden Energiepreisen 132.692 EURO Mehrkosten an Energie. Aber ohne Sanierung würde ich meine 130.000 EURO mit 3% Verzinsung auf der Bank liegen lassen, dann hätte ich nach 27 Jahren mit Zins und Zinseszins 280.356 EURO auf der Bank. 132.962 EURO Energie-Mehrkosten stünden also 150.357 EURO entgangenen Zinsen gegenüber. Bei sinkenden Energiepreisen hätte ich im 41. Jahr 130.040 EURO eingespart und die Investition wieder drin. Hätte ich meine 130.000 EURO mit 3% jedoch auf der Bank gelassen, hätte ich im 41. Jahr dort 424.064 EURO, also einen Zinsgewinn von 294.065 EURO. Finde den Fehler.

Wie ich auch hin und her rechne, finanziell macht eine energetische Sanierung meines Hauses für mich keinen Sinn. Ich muss halt 130.000 EURO Zwangs-Zusatz-Steuer für die Weltrettung entrichten, aber das ist nicht schlimm, erstens bin ich ja ein böser, alter, weißer, heterosexueller Mann (der kollektiv für alle aktuellen Schlamassel verantwortlich ist), und zweitens bin ich auch noch ein böser, unökologischer Hausbesitzer, auf dessen Grundstück sich problemlos alternativ ein zentral gesteuerter und überwachter Wohnblock für zehn Lebensabschnittsgemeinschaften errichten ließe, statt eines kaum zu kontrollierenden Familienhauses. Um mal in Klischees zu argumentieren: das pensionierte, kinderlose Lehrer-Ehepaar mit sicherer Staats-Pension wird diese Zwangs-Zusatz-Steuer für ihr Haus grummelnd, aber problemlos stemmen können; die Bergarbeiter-Witwe, die sich gemeinsam mit ihrem Mann ein Leben lang krumm gemacht hat für ein eigenes Häuschen und mietfreies Wohnen im Alter im gewohnten Umfeld, wird diese Zwangs-Zusatz-Steuer kaum stemmen können, ihr Häuschen weit unter Wert verkaufen müssen und irgendwo in einer Plattenbausiedlung mit wohlfeilen, winzigen Mietwohnungen, fern ihres sozialen Umfeldes sterben. Echte, gestandene Kommunisten enteignen wenigstens die Reichen; diese Regierung enteignet augenscheinlich die obere Unter- und die untere Mittelschicht. Politisch macht das Sinn für die Grünen, deren Wahlvolk sich vorwiegend aus Menschen, die noch nie gearbeitet haben und oberer Mittelschicht mit Tesla, Lastenfahrrad und Eigentumswohnung in der Innenstadt rekrutiert, keinen Sinn macht das für die SPD, sofern sie noch die klassische Arbeiter-Partei ist, relativ egal ist es für die FDP, ein paar Peanuts für die Weltrettung stemmt deren Klientel allemal, wenn auch grummelnd, aber man will ja nicht gegen den Mainstream schwimmen, sowas ist schlecht für’s Geschäft. Und eine – vorgeblich – echte Volkspartei mit Wählern vom stramm konservativen Gesellen und Studenten, über Dorfbauern, Vorarbeiter und leitende Arbeitnehmer bis hin zu Rentnern, klugen Intellektuellen und weit- und profitsichtigen Großunternehmern zerlegt’s angesichts einer solchen Gemengelage vollends.


P.S.: Wollen Sie den größten Gag an der ganzen Sache noch hören? Ich habe die Heizölrechnungen der letzten sechs Jahre mal rausgekramt. Im Durchschnitt hatten wir pro Jahr definitiv 3.500 EURO Heizöl-Kosten in der gesamten Bude. Die den ganzen Berechnungen zugrunde gelegten 7.000 EURO Energiekosten des Energieberaters beruhen nämlich nicht auf dem tatsächlichen Verbrauch, sondern auf einen angenommenen Verbrauch, Baujahr multipliziert mit der angenommenen Wanddicke, dividiert durch die Quadratmeter, potenziert mit einer angenommenen konstanten Wärme in jedem Raum von X Grad, in allen Bädern von X + Y Grad, und die Summe schließlich dividiert durch die Schwanzlänge des Teufels. Diese ganzen „Energieausweise“ weisen also nicht den tatsächlichen Energieverbrauch eines individuellen Hauses aus, sondern irgendwelche standardisierten Werte eines standardisierten Standard-Hauses, das absolut nichts zu tun hat mit der realen Situation des individuellen Hausbesitzers. Und jetzt vollziehen Sie die ganzen obigen Amortisationsrechnungen nochmals mit tatsächlichen 3.500 statt fabulierten 7.000 EURO Heizkosten nach. Mal wieder ein weiteres Stück aus dem Narrenhaus.

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