Food-Marketing ist oft drollig, gerade erst wieder bin ich über einen hübschen Fall gestolpert. Auf der diesjährigen Augsburger Whisky-Messe lernte ich einen Herrn Schumm kennen, einen umtriebigen jungen Mann, der an seinem kleinen Stand einen Gin namens Wunderburg und zwei Ingwer-Liköre feilbot.
Bekannt ist Herr Christian Georg Schumm eigentlich als Geschäftsführer und mit 80% Hauptgesellschafter einer Firma mit dem blasphemischen Namen Weihwasser GmbH, erster Handelsregistereintrag am 6. März 2013 unter der Amtsgerichtsnummer 204313, Kennzeichen B am Gericht 80333 München. Diese Weihwasser GmbH stellt so gottgefällige Produkte her wie „Hells Kitchen Dry Gin“, „Resident Evil Vodka“ oder „Buena Vista Devils Cut Rum“, alle Flaschen verziert mit kunterbunten Totenköpfen und mit ca. 20 EURO für den Liter eher im unteren Preissegment angesiedelt, dazu noch ein „Zwölf Apostel Trinkspiel – Der Judas zahlt die Runde“. So sehr mich das provokant-gotteslästrige Marketing auch anwidert, so positiv überrascht war ich von der Value Preposition, die sich die anscheinend gottlosen Macher selber gegeben haben. Die Geschichte vom heimwehkranken Airforce-Commandern im Schwarzwald mit Affen, die Mär vom Rhein, der Linde, dem Siegfried und der Brennerei an der Ahr oder das angebliche Rezept aus dem 18. Jahrhundert aus einer kleinen Brennerei in Dünkirchen … ich kann diese erlogenen und erstunkenen Vermarktungs-Märchen nicht mehr hören, und beim Gin sind sie derzeit besonders schlimm und haarsträubend. Nicht so die Macher der Weihwasser GmbH, die schreiben entwaffnend ehrlich auf ihrer Homepage:
„WEIHWASSER® steht für beste Zutaten, geilen Geschmack und ein unterhaltendes Marketing. Wir haben keine eigenen Weizenfelder, keine Vorfahren auf Kuba und entstammen auch nicht der 37. Schwarzbrenner-Generation. Unsere Etiketten ähneln weder Geldscheinen noch Briefmarken und es wird auch nicht behauptet, allen Botanicals persönlich beim wachsen zuzuschauen oder daran zu ziehen, dass dies schneller geht.“ (Quelle: http://weihwasser.info/de/)
Chapeau, das nenne ich mal ehrlich.
So weit, so gut. Doch seit 2014 hat der Herr Christian Georg Schumm ein weiteres Unternehmen, das nennt sich Schumm GmbH, sitzt in Bichl und ist eingetragen am Amtsgericht München unter der HRB 216705. Diese Schumm GmbH vertreibt (wer tatsächlich produziert , bleibt unklar) besagten Gin namens Wunderburg und die zwei Ingwer-Liköre. Was den Wunderburg Gin anbelangt, so habe ich ja schon meine persönliche Meinung öffentlich Kund getan, ich persönlich goutiere das Süßholz-Aroma nicht, ebenso wenig wie den hübschen optischen Effekt der Gelb-Verfärbung beim Umrühren mit dem Süßholzwurzel-Stäbchen. Und für einen Liter Gin um die 120 EURO zu verlangen, das ist sportlich, selbst wenn die Flasche ausgesprochen wertig daherkommt. Aber über Geschmack kann man ja bekannter Weise streiten. Hier geht es nur um die Marketing-Botschaft, mit der der Wunderburg Gin vertrieben wird, und die ist diametral zu der Weihwasser-Positionierung:
„Der Süßholzanbau der Familie Burgis im Stadtteil Wunderburg lässt sich bis ins Jahr 1878 zurückverfolgen. Wie bereits seine Vorfahren baute mein Großvater Georg Burgis … Süßholz an. Zur gleichen Zeit reiste mein Großvater Georg Schumm nach Großbritannien. … Seinen Tagebuchaufzeichnungen ist zu entnehmen, dass ihm im Vereinigten Königreich ein Getränk ganz besonders geschmeckt hatte: Gin. Seit kurzem wird in Bamberg nun wieder Süßholz angebaut. … WUNDERBURG DRY GIN ist eine Reminiszenz an alte Zeiten. Da ich selbst in der Wunderburg aufgewachsen bin, schliesst sich nun der Kreis von SCHUMM und der Welt meiner Großeltern. … Mit über fünfzehn Botanicals und dem in Vergessenheit geratenen Süßholz steht der WUNDERBURG DRY GIN für jahrhundertealte Familientradition.“
(Quelle: http://www.christiangeorgschumm.com/wunderburg)
Die Value Preposition der Weihwasser GmbH ist entwaffnend ehrlich, und dann kommt derselbe Eigentümer und Geschäftsführer in seiner anderen Firma mit genau der lauen Geschichte von der alten Familientradition daher, über die sich die Weihwasser GmbH in ihrer Positionierung lustig macht. Sicherlich steht es jedem Unternehmer frei, die Positionierungen für seine Unternehmen zu wählen, die ihm genehm sind oder die den größten Erfolg am Markt versprechen, letztendlich entscheidet dann der Kunde über Erfolg oder Misserfolg. Aber wenn ein Unternehmer für zwei Marken mit ähnlichen Produkten diametrale Positionierungen wählt, so schadet dies zumindest erheblich der Glaubwürdigkeit. Aber wahrscheinlich bin ich der einzige Gin-Liebhaber, der bei neuen Gin Marken neugierig im Handelsregister und im Internet rumstöbert, um mehr über die Macher hinter dem Schnaps zu erfahren.
Beides sehr hilfreich, danke für die Hintergründe, so etwas in der Richtung hab ich mir angesichts der unverschämten Preise (insbesondere der Miniaturen) schon gedacht.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Mir schmeckt der Costoluto Wunderburg Gin jedenfalls außerordentlich gut und die Optik der Flasche ist mega! Hat halt seinen Preis. Er ist etwas besonderes und nicht günstig, das stimmt. Aber es ist keineswegs ein falscher Preis. Ich habe zwei verschiedene Miniaturen verschenkt und das kam gut an. Die Miniaturen sind nicht wie bei anderen einfach „kleine Flaschen“, sondern irgendwie supersüß, dann noch mit der Schnur drumrum, einfach toll. Das Geschenk war als kleine Aufmerksamkeit für einen Gin-Liebhaber gedacht und der Beschenkte hat sich sehr gefreut!
Darf ich in diesem Zusammenhang auf den Kommentar des Ex-Mitarbeiters von Herrn Schumm über die Herkunft des besagten Gins verweisen? Aber in der Tat, die Flaschen sind hübsch.
Finde die Kommentare und den Bericht äußerst persönlich und nicht objektiv geschrieben. Hier beschäftigt man sich mit unwichtigen Details und lässt das Produkt außen vor.
Ich vertreibe selbst in unserem Concept Store den Gin von Costoluto – mit großem Erfolg. Selbst wenn man die Marketingstrategie außer acht lässt ist es ein cooler Gin in einer wahnsinnig geilen Flasche.
Schade, dass der Erfolg einem nicht gegönnt wird.