Der schönste Tag im Leben der anderen

Heiraten kann stressen. Wer gemeinsam als Paar die Vorbereitungen zu einer öffentlichen Trauung samt Hochzeitsfeier übersteht, hat bereits bewiesen, dass er auch den Rest des Lebens gemeinsam durch selbiges schreiten kann. Lassen Sie mich den „schönsten Tag im Leben“ aus der Sicht eines Hochzeitsgastes zusammenfassen.

Das Ganze beginnt mit der Einladung. Je nach Gehaltsgefüge und Kunstverstand verschickt das Paar Einladungen auf Bütten- oder Butterbrotpapier. Wenn die Einladung ins Haus flattert, fragt sich die Frau zuerst: „Was zieh ich bloß an, um den anderen Damen in jedem Fall die Schau zu stehlen?“ Der Mann hingegen fragt sich: „Wie kann ich mich bloß davor drücken?“ Beide zusammen fragen sich: „Was sollen wir denen bloß schenken?“ Renditeorientierte Hochzeitsleute machen es einem da leicht. Sie nennen mit der Einladung gleich die Bankverbindung, wohin die Heiratsprämie überwiesen werden soll. Unsere zukünftigen Ex-Ledigen zählen auch zu dieser Kategorie. Ich suche in der Hochzeitseinladung nach dem Überweisungsträger und frage mich, ob´s drei Prozent Skonto gibt.

Als der große Tag für´s Brautpaar endlich kommt, stehe ich mit anderen Anzug- bzw. Kostümträgern in dieser romantischen kleinen Kirche in diesem romantischen kleinen Kaff an dieser romantischen kleinen Autobahnausfahrt hinterm Irschenberg.
Kirche aus – Reis raus – Hupe an! Im Korso (nein, das kein neuer Opel) düsen wir ins Gasthaus.

Wositzma – wo spült uns die Sitzordnung hin? Glück gehabt. Wir sitzen am Tisch mit den entfernten Verwandten und weniger engen Freunden, von denen niemand den Namen so genau kennt, die aber unbedingt eingeladen werden mussten. Der zirrhotische Schwippschwager vierten Grades der Brautmutter schläft gleich ein. Neben mir zieht der beste „Freund“ der Braut unentwegt über den gestressten Bräutigam her. Pstpstpst. Eine Rede. Als der Vater der Braut seine Ansprache beginnt und sehr sehr lange damit nicht aufhört, denke ich mir stille: Kein Wunder, dass er bloß ein Kind hat, wenn er immer so lange redet. Er ist eigenen Aussagen zu folge „kein Freund großer Worte“, dafür hat er aber gut gelernt mit dieser Antipathie umzugehen – Schwalleri und Schwallera.

Die gut toupierte Braut bekommt „am schönsten Tag in ihrem Leben“ noch gute Ratschläge von der besten, jedoch meist noch unverheirateten Freundin. Beide beginnen bitterlich zu weinen – der schönste Tag eben. Als auserwählte Trauzeugin erstellte sie schon im Vorfeld das obligatorische Hochzeits- bzw. Kochbuch (jeder soll sein lustigstes Lieblings-Rezept schicken, haha). Zudem strebt sie ein Rahmenprogramm an, bei dem die Olympia-Eröffnungsfeier in Peking 08 wirkt wie ein Bingo-Abend im Pfarrsaal.
Dalliklickherzblattschuhversteigerungreisenachjerusalem und weitere lustige Spielchen beginnen. Alle haben Spaß – außer dem Brautpaar, das wohl in diesem Ritual schon auf etwaige Demütigungen der folgenden Jahrzehnte eingestimmt wird. Die bucklige Verwandtschaft überreicht ein Kuvert, das man erst nach deren Abreise öffnen darf – eine sinnvolle Tradition, damit die Lage nicht eskaliert. „Das ist alles??? Diese Geizkrägen!“ wird es später auf dem Zimmer der Brautleute heißen. Doch davor kommt es noch zum üblichen heftigen Gerangel der Heiratswilligen beim Brautstraußwerfen. Knuffpuff. Ein schönes gemeinsames Leben noch.

Heirat, Hochzeit

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