Alles ist wie meistens: andere Stadt, diesmal Trier, ich gehe in die größte, nicht Ketten-gebundene Buchhandlung am Ort auf der Suche nach einem heimischen Kochbuch (das ist einer meiner – vielen – Spleens, überall, wo ich hinreise, versuche ich, regionale Kochbücher zu kaufen), erste Anlaufstelle im Erdgeschoss in Nähe des Eingangs der Regalabschnitt mit den sogenannten „Regionalia“, wie überall voll mit Regional-Krimis (und Caro – die liest solchen Schund zuweilen – sagt mir, Paul Walz solle definitiv keine Krimis schreiben), dazu das übliche Zeugs, „Trier im Zweiten Weltkrieg“, „Trier im Wandel der Geschichte“, „100 Dinge, die man in Trier gesehen haben muss“, „Trierer Originale“, weiter Bildbände, Stadtführer, Wanderkarten, es ist anscheinend überall das gleiche, nur die Ortsnamen wechseln, aber kein regionales Kochbuch, also weiter in die Kochbuchabteilung im zweiten Stock, auf den Auslegetischen grinsen mich den Herren Oliver, Lafer und andere Kochclowns an, die längst nicht mehr mit Kochen, sondern mit Clownerie ihr Geld verdienen, und das vielleicht nicht immer redlich, aber weitaus üppiger und allemal leichter als am Herd, ich frage eine Buchhandelsfachkraft, sieht aus wie ein vergessener Post-Achtundsechziger oder ein früher Öko-Faschist in selbstgestricktem, dickem Pullover (der Laden ist beheizt, Mann!), Birkenstock-Sandalen und Rauschebart, ist aber durchaus engagiert und vielleicht sogar kompetent, nach einem regionalen, am besten Trierer Kochbuch, und bekomme die typische Antwort, die ich fast überall auf diese meine Frage bekomme: „Ja, da gab’s mal was, aber ich weiß nicht, ob …“, spricht‘s, stellt sich suchend vor seine Regale, lässt den Blick zuerst nach links, dann nach rechts schweifen, schiebt einige Bände beiseite, schaut noch auf ein anderes Regal, schüttelt den Kopf, geht zu seinem Computer, fängt an, auf der Tastatur zu tippen, glotzt angestrengt in den Bildschirm, seufzt, fährt mit der Maus hin und her, um mir dann zu sagen, dass es tatsächlich mal ein Trierer Kochbuch gab, aber dass dies längst vergriffen sei und ich es doch mal im Ramschbuchladen oder im Internet versuchen solle, daran, mich an ein Antiquariat zu verweisen, denkt er noch nicht einmal. Danke, dass wir darüber gesprochen haben. Aber einen Versuch war’s allemal wert. Besagtes Trierer Kochbuch, das es mal gab, fand ich dann tatsächlich später in einem Trierer Antiquariat. Unter dem Titel „Das Trierer Land Kochbuch“, erschienen bei einer edition limosa haben die Frauen des Trierer Landfrauenverband als Autorinnenkollektiv zusammengetragen, was sie so heutzutage in ihren Küchen fabrizieren. Das Ganze wird ergänzt durch Geschreibsel über die und Bilder der Region, allesamt nichts von Belang, Photos der Speisen – um die es ja eigentlich primär gehen sollte –findet man hingegen kaum. Aber man erfährt auch ganz famose Dinge, etwa dass Gemüse-Tortilla, Kassler mit Rösti (Tiefkühl-Rösti übrigens, 600 g, auftauen lassen und dann mit Gouda überbacken), Schweinegyros oder Kiwi-Sekt-Konfitüre alte, traditionelle Trierer Gerichte sind. Ja, ja, der traditionelle Kiwi-Anbau an der Mosel, kennen wir ja alle. Sollen die doch schreiben, dass hier Rezepte und Convenience-Anleitungen der einfachen bürgerlichen Küche des frühen 21. Jahrhunderts im Trierer Raum wiedergegeben werden; aber zu behaupten, dass sei die traditionelle Küche der Gegend, das ist doch schlichtweg reine Selbstüberschätzung und Geschichtsknittelung allererster Güte. In 100, 200 Jahren ist das Machwerk sicherlich eine interessante Quelle soziologischer und kulinarischer Forschung über den Niedergang der deutschen Küche, heute ist das Ding weitgehend wertlos. Finde ich. Ich habe das Teil jedenfalls nicht gekauft.