Wenn ich größere Menues koche, nutze ich all den Spaß und Stress fast immer zu einer weiteren wichtigen Aufgabe jeder Küche: der Herstellung von Brühe auf Vorrat.
Jedes Kochbuch, jeder Lehrkoch und sogar fast jeder Kochclown verliert dann und wann weise Worte über die klassische Herstellung von Gemüse-, Fleisch-, Wild-, Geflügel- und Fischbrühen. Knochen blanchieren, Wasser abgießen, Fleisch immer kalt aufsetzen, sorgfältig abschäumen, mit leicht geschlagenem Eiweiß klären … Und wenn der Koch noch Sterne sein eigen nennt, solche erlangen will oder – was viel zu oft der Fall ist – selbige in Folge gewaltsamer Schläge auf den Hinterkopf vor Augen sieht, so wird er uns noch belehren, daß das Fleisch einzig und allein aus der vorderen Hüfte von dem dreijährigen Ochsen aus nord-west Dingsda stammen dürfe, daß die Nelken exakt auf fünf abgezählt sein müssten oder daß die Überschreitung der Kochzeit von 2 Stunden 20 Minuten den sofortigen Weltuntergang zur Folge haben würde. Für den Anfänger sicherlich wichtige Unterfangen, und ihnen allen sei’s reichlich gedankt.
Diesen prinzipiellen Überlegungen sollen hier lediglich um ein rein pragmatisches Kapitel ergänzt werden. Erstens: wenn ich ein sehr feines, dezent abgestimmtes Gericht koche, das eine ganz bestimmte, ebenso dezent abgeschmeckte Sauce verlangt, werde ich natürlich bei der Herstellung der Grundzutaten sehr exakt und auf Rezepttreue und geschmackliche Nuancen achten. Zweitens: wenn ich jedoch nach Lust und Laune, nach Angebotslage auf dem Markt und nach Jahreszeit, nach Zustand meines Geldbeutels und nach Appetit, nach Gutdünken und nach Phantasie koche, dann, dann ist es mir reichlich egal, ob ich das Fleisch für den Nudelsugo mit einer Fleisch- oder Geflügelbrühe ablösche, ob ich vielleicht zusätzlich oder auch nur eine Flasche Rotwein nehme oder sogar – Schmalhans lässt grüßen – bloß Wasser. Natürlich gibt alles einen anderen Geschmack, aber bevor ich für einen Nudelsugo das Brühekochen anfange, muss schon viel geschehen; und den altdeutschen Brühwürfel – bewährte geheime Allzweckwaffe deutscher Hausfrauen, doch noch etwas Ähnliches wie Geschmack in Fraß zu bekommen – möchte ich dann doch nicht anfassen.
Beliebige, aber gute Brühe als “Nebenprodukt” eines großen Menues, auf Vorrat gekocht für Nudelsugo und Co. also ist das Thema: die Grundlage dazu bildet immer eine konventionelle Brühe, in der Regel eine Rindfleischbrühe. (Die Basisbrühe muss dabei natürlich auf das Menue abgestimmt sein; bei einem Fischessen ist eine Fisch- oder Gemüsebrühe angebrachter.) Ganz zu Beginn des Kochens setzt man in einem möglichst großen Topf (10 l) ca. 5 l einer Brühe gemäß Rezept an und lässt sie dann mit allen Zutaten gemütlich am Rande des Herdes auf kleinster Flamme schmurgeln. Wenn nun beim kochen Fleischabfälle, Gemüseschalen (natürlich sauber, gewaschen und geputzt), Reste, Knochen, Eier, usw. anfallen, so kommt alles das in den Brühetopf. Ebenso durchgedrückte Gemüsereste von Saucen, Farcen, Zwiebeln, Weinreste und – obligatorisch – ein großer Schuss Brandy (“zum desinfizieren”) kommen dazu. Generell gelten zwei Dinge:
- Alles, was sich geschmacklich irgendwie verträgt, kann prinzipiell in den Topf (aber kein Fisch mit Fleisch, kein Wild mit Süßem)
- Alles, was so appetitlich ist, daß es der Koch selber noch mag, kann in den Topf; also keine angefaulten Gemüse oder dreckige Kartoffelschalen; aber gegen Pilz- und Zwiebelschalen, Geflügelkarkassen und Bratenreste ist nichts einzuwenden; und ob Geflügelhälse, Innereien oder Fischköpfe in den Topf sollen, das muss jeder für sich selber entscheiden (bei mir persönlich bleiben sie draußen)
Wenn man nun während des Kochens Brühe braucht, so bedient man sich aus dem Topf, indem man die benötigte Menge mit der Schöpfkelle durch ein Sieb oder auch durch ein Mulltuch herausschöpft. Bei Bedarf kann die Brühe noch heiß sehr schnell entfettet werden, indem man ein Küchen- oder Geschirrtuch mit Eiswürfeln oder besser gestoßenem Eis füllt und die Oberfläche der Brühe damit abtupft; durch die Kälte erstarrt das oben schwimmende Fett am Tuch.
Mit dem Beginn des eigentlichen Menues sollte die Kochzeit der Brühe noch nicht abgeschlossen sein. Bei jedem Essen fallen Karkassen, Knochen, Saucenreste usw. an, die nur auf ein Recycling warten. Auch hier gilt wieder, daß es der Appetitlichkeit des Koches anheim gestellt ist, was er wieder verwerten will. Essensreste von Tellern oder abgenagte Knochen sollten jedoch tabu bleiben.
Mit dem Ende des Abwaschs neigt sich dann auch die Kochzeit der Brühe dem endgültigen Ende. Natürlich wird die Brühe durch die lange Kochzeit recht trüb. Glücklicherweise bleiben bei nahezu jedem Kochen immer mehr Eiweiß als -gelb übrig. Zum Ende des Kochens schlägt man Eiweiß (2 bis 10) mit wenig Salz halbfest, gibt sie ebenfalls zur Brühe und lässt sie nochmals 15 min. mitköcheln. Danach gießt man die Brühe endgültig durch ein Mulltuch in einen sauberen Topf. Erfahrungsgemäß ist der große Topf mindestens zur Hälfte gefüllt mit ausgelaugten, zugegebenermaßen nicht (mehr) sehr appetitlich aussehenden) Kochresten, die man nun wirklich getrost wegwerfen kann. Die durchgesiebte Brühe lässt man einen Tag in Kalten stehen und entfettet sie. Wer will kann die geklärte, gesiebte und entfettete Brühe durch einkochen nochmals konzentrieren. Dann friert man sie ein, je nach Bedarf und Gusto in Eiswürfelzubereitern als kleine Würfel oder in möglichst kleinen Behältern. Und freut sich auf den nächsten Nudelsugo …
Und noch eine neue Erkenntnis als Ergänzung: die Brühe darf niemals – niemals! – kochen, sondern immer nur ganz leicht simmern, so dass maximal einzelne kleine Bläschen aufsteigen, ansonsten aber nichts, nur so bleibt die Brühe klar.