Caro hat mich geschimpft („Ich muss Dich jetzt mal schimpfeln, …“ fängt sie dann immer an, und ich weiß, jetzt ist mal wieder ein gehöriger Anschiss fällig), sie hat mich also „geschimpfelt“, alldieweil ich den Siegfried-Gin letztlich hier so runtergeputzt habe, als reines Werbe-Produkt zweier junger Marketeers, die der Papierform nach null Ahnung vom Schnaps brennen haben, die sich aber eine hübsche Story von Rheinland, Siegfried und Lindenblatt ausgeliehen, von einem unbekannten Dorfbrenner einen Schnaps mit Lindenblüten haben destillieren lassen und dies mit sehr viel Erfolg viral vermarkten. Schließlich habe dieser Gin, so hielt mir Caro vor, doch zahlreiche internationale Preise gewonnen, und für was ich mich denn hielte, meinen Geschmack über den so vieler internationaler geschulter Juroren stellen zu wollen; als ich entgegnete, die Meinung internationaler Juroren sei mir in der Regel scheißegal, was für mich zähle, sei mein persönliches positives Erlebnis, erntete ich ein böses Stirnrunzeln, und böse Stirnrunzeln von Caro sind nie gut. Aber da wollte ich es doch mal genauer wissen, was das für „internationale Juroren“ sind, deren Geschmack ich mich so ganz und gar nicht anschließen kann.
Aufgedruckt auf der Flasche und auf der Website von Siegfried-Gin als Pressemitteilung kann man lesen, dass der Schnaps im August 2015 den China Wine & Spirits Awards gewonnen hat, im April 2015 eine Auszeichnung bei der San Francisco World Spirits Competition und im März 2015 den World Spirits Award … na bravo (würde der alte General sagen), dieses Auszeichnen geht ja so flugs wie’s Katzelmachen. Danach betrachtete ich meine diversen Tanqueray-, Bombays-, Plymouth-, Gordons- und andere Gin-Flaschen in meinem Schnapsschrank: alle keine einzige derartige begehrte internationale Auszeichnung, zumindest nicht auf der Flasche aufgedruckt. Müssen wohl allesamt schlechte Gin-Marken sein. Diese Pfuscher von Tanquerays zum Beispiel, machen 185 Jahre lang Gin und schaffen es nicht, eine einzige begehrte internationale Auszeichnung zu gewinnen, und da kommen diese beiden Rheinländischen Tausendsassas ohne Ausbildung zum Schnapsbrenner daher und räumen nach nur 5 Jahren auf dem Markt gleich 3 dieser begehrten internationalen Auszeichnungen ab. Ich werde die meisten meiner Gins wohl weggießen müssen, all dieses Zeugs ohne wenigstens eine begehrte internationale Auszeichnung.
Oder ich schaue mir alternativ mal die Macher dieser begehrten internationalen Auszeichnungen an, bevor ich den ganzen Gin wegkippe. Der World Spirits Award zum Beispiel wurde ins Lebens gerufen von einem Österreicher Namens Wolfram Ortner, Sohn einer Hoteliersfamilie aus Bad Kleinkirchheim in den Nockalpen, der in seiner Jugend wohl als professioneller Skifahrer zu reüssieren gedachte. Der in seltsamem Marketing-Sprech verfasste Wikipedia-Eintrag zu Ortner (wo die selbst ernannten Zensoren doch sonst immer vorgeben, jegliche Un-Objektivität und unbezahlte Eigen-Werbung zu verbannen) liest sich für mich wie eine Mischung aus mäßigen bzw. ausbleibenden Erfolgen und medizinischen Rechtfertigungen dafür: „Vize-Europameister im Slalom und Riesenslalom … bei der Europa-Juniorenmeisterschaft, … Sieg beim Europacuprennen, … Platz 16 der FIS, … Rang 5 beim Weltcup-Slalom, … 15. in der FIS-Rangliste, … 4. Rang beim Riesenslalom, verwehrten … die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Lake Placid, … 5. Rang beim Slalom in St. Anton, … Super-G … 2. Rang, … Ausscheidung für die WM in Schladming … 4. Rang, … Rang 2, … Rang 5 beim Riesentorlauf von Kirchberg, … Rang 6 beim Slalom … in Jasna …, 12. in der Weltrangliste im Slalom …“ Ski-Welt-Karriere klingt anders, aber der Wikipedia-Eintrag liefert ja auch gleich die Erklärungen dafür: „ … zahlreichen Verletzungen … Leistenbruch und mehrere Bänderrisse … Bandscheibenvorfall … Stützkorsett … Verletzungspech … Knieverletzung … Knorpelschäden … Operation in Innsbruck … Meniskusverletzung … Operation in Klagenfurt …. das frühzeitige Ende einer großen Skirennläuferkarriere“. Wie dem auch sei, „Ex-Weltklassesportler Wolfram Ortner“ (O-Ton www.world-spirits.com/de/fragen-und-antworten) machte unverdrossen weiter: 1982 Übernahme des elterlichen Hotelbetriebs (und Verkauf nach 13 Jahren), Initiator der Schnapsmesse Destillata (und Verkauf nach 6 Jahren) und 2004 Gründung des World-Spirit Awards (noch nicht verkauft).
Am besten stellt sich der World Spirit Award selber vor mit einem Zitat von der Website (www.world-spirits.com/de/fragen-und-antworten): „Der WSA ist im Vergleich mit anderen Veranstaltungen nicht billig. Allerdings: Es gibt keine vergleichbare Veranstaltung. Nirgendwo wird mit so viel Aufwand, so hohen Qualitätsansprüchen und so viel Sorgfalt verkostet und beurteilt. Niemand sonst liefert so nachvollziehbare und seriöse Bewertungen und Klassifizierungen. Dieser hohe Aufwand hat einen hohen (angemessenen) Preis – und der wird beim WSA mit der Einreichung der ersten Sorte abgegolten, die Euro 895.- kostet. Jede weitere Sorte pro Destilliere oder Marke liegt dann nur mehr bei Euro 195.-.“ Interessant ist der Leistungsumfang, der mit dieser Gebühr abgegolten wird, und der sich keinesfalls nur auf die Bewertung der eingereichten Spirituosen beschränkt, sondern vor allem Marketing-Leistungen enthält: „Neben der präzisen Verkostung und verbalen Beurteilung (in deutscher und englischer Sprache) erhält der Teilnehmer auch noch ein attraktives Marketing-Paket, das bei seiner Teilnahme automatisch inkludiert ist. Es enthält intensive und regelmäßige Pressearbeit nicht nur im Rahmen des WSA, sondern kontinuierlich über das ganze Jahr, Erstellung eines Betriebsporträts in Englisch und Deutsch, Veröffentlichung im WSA-Guide, im WSA Spirits-Finder, Präsentation und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des World-Spirits Festivals, Nutzungsrechte mit der Marke u.v.m.“ OK, eine objektive Verkostung und Prämierung der besten Spirituosen, und das besagte „attraktive Marketingpaket“, nicht nur für die Sieger, sondern für alle Teilnehmer, und das für 895 € für die erste eingereichte und 195 € für jeder weitere eingereichte Sorte, klingt fair. Aber es geht noch weiter. Für das kleine Geld kann eine Destilliere an dem Award teilnehmen, ihre Brände bewerten lassen und „für Ihre Presseaussendungen usw. natürlich den Gewinn Ihrer Medaille bzw. des ‚WSA‘ verwerten bzw. verwenden.“ („Reglement“, S. 23) Will ein Produzent darüber hinaus – wie z.B. besagter Siegfried-Gin – den Gewinn dieser Auszeichnung auch auf seinen Produkten kommunizieren, etwa durch den Aufdruck der begehrten Medaille auf der Flasche, dann wird’s nochmals teuer für die Teilnehmer. Zuerst einmal verweist das „Reglement des WAS“ warnend-dreuend auf das Markenrecht: „Wir möchten Sie davon in Kenntnis setzen, dass der ‚World-Spirits Award‘ eine geschützte Marke ist und die Verwendung der Marke ‚WSA‘ daher nach bestimmten Richtlinien erfolgen muss, um möglichem Missbrauch vorbeugen bzw. entgegenwirken zu können.“ Aber wenn der Produzent entsprechende Lizenzgebühren für die Nutzung der errungenen Auszeichnung zahlt, ist alles i.O.: „Für die Werbung auf den Flaschen können Sie Medaillen-Kleber beim WSA erwerben. Es besteht auch die Möglichkeit, den Kleber auf die Etiketten zu drucken. Diesbezüglich bitten wir Sie, mit uns in Kontakt zu treten, damit wir Ihnen ein individuelles Offert unterbreiten können.“ („Reglement“, S. 23) Wie teuer solch ein „Offert für die gesamte Jahresproduktion“ ist, das ist aus der Webpage leider nicht ersichtlich, hier beginnt der closed shop. Aber wahrscheinlich lohnt sich diese Investition für die Destillieren auf jeden Fall, wenn man damit am Markt kommunizieren kann, dass das eigene Produkt bei der „ … inoffizielle(n) Weltmeisterschaft() und dem Maß aller Dinge in der Spirituosenwelt … “ (Original-Zitat Wolfram Ortner, www.world-spirits.com/de/fragen-und-antworten) obsiegt hat. Umso erfreulicher ist für die teilnehmenden Destillieren, dass weit über 90% aller beim World Spirit Award eingereichten Spirituosen in den vergangenen Jahren mit Medaillen ausgezeichnet wurden, 2016 sogar sagenhafte 99%. Hier ein kurzer „Medaillenspiegel“ des World Spirit Awards 2012 – 2016:
Falls Sie glauben, Sie lesen die Tabelle falsch: 2016 erhielten 99% aller eingereichten Spirituosen eine Medaille, davon 9% Double-Gold, 61% Gold, 25% Silver, 4% Bronze, nur 4 Stück oder 1% aller eingereichten Spirituosen fielen durch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.