Summa summarum: Etikettenschwindel, Brauereigasthaus ohne Brauerei, aber uriges, authentisches Bayrisches Wirtshaus, heimisches Publikum, netter Biergarten, belanglose bis schlechte Küche, Besuch maximal für ein Bier und eine Brotzeit
Mit originalen, authentischen und guten Bayrischen Restaurants – Marke kräftige Leberknödelsuppe mit viel frischem Schnittlauch, resche Schweinshaxe, handgedrehte Knödel, hausgemachter Obatzter mit knuspriger Breze, zartes, flechsenfreies Boef Lamotte, frische Auszogne und Co. – ist Augsburg nun wahrlich nicht gesegnet. Zeughausstuben, König von Flandern, Bayrisches Haus am Dom, Bauerntanz, Weißer Hase, Riegelebrauerei, Thorbräukneipe, Kälberhalle am Schlachthof und Schober sowieso, ich würde mich versteigern, dass das allesamt für mich nur kulinarische Pfuscher und/oder Convenience-Aufwärmer sind, keines dieser Etablissements würde ich ohne Not vor einem Pächterwechsel wieder zum Essen betreten. Auch Berghof, 3 Königinnen und Thing bieten bajuwarisierende Speisen, aber das sind mehr studentische-international orientiert Kneipen, die will ich hier mal außen vor lassen. Was Ramy Boles, Sharokin Zomaya und Ute Staudenmeier mit der altehrwürdigen Maximiliansklause anstellen, bleibt abzuwarten, aber Flammenkuchen auf einer Speisekarte außerhalb des Elsass‘ sind selten ein gutes Zeichen. Und was Torsten Ludwig (ehemals Papageno) in den jetzt Tafeldecker geheißenen Fuggereistuben mit seinem Bayrischen Tapas-Konzept abliefern kann, muss sich ebenfalls erst zeigen, ebenso wie die Dauer-Performance von Josef Riß im Neuen Hubertushof. In dieser Riege sind das Brauhaus 1516 im Hauptbahnhof und das Wirtshaus am Lech schon die Einäugigen unter den Blinden, und das ist traurig genug. Bayrisch Essen in Augsburg? Da sind der Maierbräu oder der Kapplerbräu in Altomünster meine naheliegensten Ziele und erste Wahl, was der „geflohene“ Michael Haupt jetzt in Oberschönefeld macht, habe ich noch nicht ausprobiert, Scheyern ist für mich ordentlich, Scherneck hingegen nicht, ebenso wenig wie Kaltenberg, richtig gut – aber mehr als eine Autostunde entfernt – ist und bleibt der Hörger in Hohenbercha. Bayrisch essen in Augsburg? Also doch lieber wieder zum Arkadas? Ach ne, der ist ja auch nicht mehr gut …
Da gibt es immer noch den Brauereigasthof Fuchs in Steppach, beherzte zehn Fußminuten von der Endstation der Straßenbahnlinie 2 entfernt. Vis à vis dem eigentlichen Gasthof in der Reichswaldstraße das verwaiste Brauereigebäude, gebraut wird schon lange nicht mehr in Steppach, bei so etwas blutet mir immer das Herz, und wieso sich sowas noch „Brauereigasthof“ nennen darf, ist mir auch nicht klar, es gibt doch sicherlich eine entsprechende EU-Verordnung, dass Gasthöfe ohne eigene Brauerei sich nicht Brauereigasthöfe nennen dürfen … oder etwa nicht? Aber der eigentliche Gasthof ist stattlich, hier haben weiland gewiss noch königlich bayrische Beamte ihr Bier getrunken, innen etwas düster, rustikale Bänke, Stühle, Tische aus Massiv-Holz, blanke Dielen, gemauerter Kachelofen, Vertäfelungen an den Wänden, verschwiegene Nebenräume zum Feiern und Mauscheln, so sieht bayrische Wirtshausgemütlichkeit aus, vor dem Haus eine große Gastterrasse mit Plastik-Rattan-Imitat-Stühlen, großen Tischen und noch größeren Sonnenschirmen, daran angrenzend ein echter Bayrischer Biergarten unter mächtigen Kastanien, Kiesboden, Bierbänke, Bier- und Futterstände zur Selbstbedienung, richtig zünftig und original halt. Also, bis auf die fehlende Brauerei ist – um Neusprech zu wählen – „Hardware-seitig“ alles da, was man für einen echten Bayrischen Gasthof braucht. Auch die Bedienungen sind flink und freundlich, Frau trägt Dirndl, das Bier ist kühl und gut eingeschenkt, man kennt sich unter den Gästen und grüßt sich entsprechend, Handwerksgesellen sitzen an einem Tisch beisammen, Honoratioren an einem anderen, dazwischen Familien mit auffallend vielen Kindern, alte schmuckbehangene Fetteln, offensichtlich auch ein paar Dorfsäufer auf ihrem Höllenritt, wenig Jugendliche, die sind wohl eher im benachbarten, preiswerteren Biergarten, aber wichtig gestikulierende und diskutierende Herrenmenschen beiderlei Geschlechts unter sich gibt es noch, und ein paar ihre mageren Spesen verzehrende Handlungsriesende, die auch im Fuchs nächtigen, aber augenscheinlich keine Touristen, die sind wohl allesamt im König von Flandern mit seiner zweisprachigen Speisekarte hängen geblieben: eine alles in allem ein wahrlich illustres, zünftiges, lokales Publikum.
Die Speisekarte bietet Suppen, Vorspeisen, eine größere Auswahl an Salaten von 4 € bis 9 €, Hauptspeisen von 8 € bis 15 €, dazu Brotzeiten (aus eine angeblich hauseigenen Metzgerei, die ich allerdings noch nie entdecken konnte) von 5 bis 9 €, eine (extrem lieb-und einfalllose) Kinderkarte (und dann wundert man sich, dass die Kids lieber zu McFett wollen) und wenig Eis als Dessert. Experimente fehlen nahezu vollständig auf dieser Karte, man fokussiert sich zumeist auf Bayrisches, sieht man von Räucherlachs, überbackenen Zucchini, Schollenfilet und Putensteak in Rahmsauce mit Pfirsich und Käse gratiniert einmal ab, aber das sind weniger Experimente als vielmehr Kotaus vor dem schlechten Geschmack auf dem Dorfe. Obwohl der Laden recht voll ist, fällt zuerst mal auf, dass Sonderwünsche – nur eine halbe Portion der gebackenen Champignons als Vorspeise, normale Spätzle statt Kässpätzle zum Zwiebelrostbraten, Bratkartoffeln statt Pommes zum Schnitzel – kein Problem sind. (Wenn – das nur als Anmerkung – Sonderwünsche ein Problem sind, so liegt das oft sicherlich an unflexiblen Wirtsleuten oder überforderten / personell unterbesetzten Küchen; sehr oft liegt es allerdings auch daran, dass in den Küchen weniger gekocht als vielmehr Convenience aufgewärmt wird, und wenn eine Convenience-Packung eine Roulade mit zwei Klößen umfasst, dann ist das halt schwierig mit dem dritten Kloß.) Aber, wie gesagt, Sonderwünsche sind kein Problem im Fuchs, und das ist gut so. Aber besser wird das Essen dadurch auch nicht.
Eine bleiche, eher feste als knusprige und schon gar nicht braune Panade legt sich bombenfest um die gebackenen Champignons als Vorspeise (wie gut, dass wir nur eine halbe Portion bestellt hatten), die Remoulade dazu ist ein wohl pürierter, säuerlich schmeckender, grünlich-bräunlicher Brei unbestimmter Herkunft, dazu öltriefender, schlecht geputzter, schlaffer, teils verwelkter Salat mit braunen Rändern, dicke, nur zum Teil in Streifen geschälte Gurkenscheiben (Fooddesign oder Faulheit?), aber immerhin leckerer, knackiger Krautsalat mit deutlicher Kümmelnote. Das Schnitzel Wiener Art ist zäh, die Panade diesmal braun, aber fetttriefend, die extra dazu bestellten Bratkartoffeln für Bayrische Verhältnisse gar nicht mal so schlecht, der Speck darinnen allerdings mehr hart gedörrt als gebraten, der Salat wieder der nämliche. Der Zwiebelrostbraten ist ein ordentliches, auf dem Punkt medium gebratenes, zartes, totes Stück Kuh, die Zwiebelringe drauf irgendwann einmal frittiert und dann zäh und kalt draufgeworfen, die Soße drunter mit Garantie aus Beutel oder Flasche, und die Spätzle, ja die Spätzle … das sind mal wieder Knöpfle, und das wohl auch noch aus dem Plastiksack; wir sind doch schließlich in Bayrisch Schwaben, da wird man doch erwarten dürfen, dass zumindest der Koch den Unterschied zwischen Spätzle und Knöpfle kennt und den richtigen Sack bei der Metro auf den Einkaufswagen wirft. Aber nein, es waren keine Spätzle, es waren Knöpfle, und ich mag keine Knöpfle. Den Vogel abgeschossen hat wieder einmal Caro, trotz meiner wiederholten Warnungen musste sie beim Bayern vegetarisch zu essen versuchen: ungeschälte Zucchini-Scheiben auf einen Teller geknallt, wohl mit einer käsigen Masse übergossen und sodann kurz gratiniert, dazu zwei sogenannte „Rösti“ (ich hatte ja ehrlich gesagt voller Schadenfreude Convenience-Röstitaler erwartet, aber es kam schlimmer), zwei offensichtlich tatsächlich selbst gemachte, Handteller-große, frittierte Flatschen undefinierbarer Kartoffelmasse.
Nun ja, sagen wir mal so, wohl angesichts der Tatsache, dass im Fuchs nicht mehr gebraut wird, war zumindest das Bier gut …
P.S.: Sie sind empört, weil ich XYZ, Ihren persönlichen Lieblingsbayern und Geheimtipp im der Region nicht erwähnt habe? Sorry, dann kenne ich ihn wahrscheinlich nicht, aber für gute Tipps bin ich stets und immer sehr dankbar.
Brauereigasthof Fuchs
Josef Fuchs
Alte Reichsstraße 10
86356 Steppach
Tel.: +49 (821) 480920
Fax: +49 (821) 48699194
Email: info@gasthoffuchs.de
Internet: www.gasthoffuchs.de
Hauptgerichte von 7,90 € (Krautspätzle) bis 14,80 € (Grillteller), Drei-Gänge-Menue von 15,20 € bis 29,50 €
DZ Ü/F 87 – 127 € (pro Zimmer, pro Nacht)
Das sagen die Anderen:
- Tripadvisor: 4 von 5 Punkten
- Holidaycheck: n.a.
- Varta: n.a.
- Guide Michelin: n.a.
- Gault Millau: n.a.
- Schlemmer Atlas: n.a.
Nur um keine Unklarheiten aufkommen zulassen nennen sich die 3 Königen nicht sogar „ältester Brauereigasthof Augsburgs“ obwohl sie erstens nicht auf dem Gelände einer Brauerei liegen und zweitens wurde die Brauerei zu der sie gehören nämlich Augustabräu nicht schon vor Jahren dicht gemacht und die Produktion nach Unterbaar verlegt? Also wenn man hier die gleichen Maßstab wie für den Fuchs gelten wäre das doch der selbe Etikettenschwindel.