Bayern-Ratten-Nepp in Hameln

Summa summarum: Selten so schlecht gegessen mit so schlechter Bedienung in verschandelten historischen Gewölben: ein echtes Trauerspiel.

Kulturell hat Hameln gewiss Einiges zu bieten, Weser-Renaissance-Bauten, Hanse-Mitglied, Welfen-Festung, Gibraltar des Nordens, geschliffen vom kleinen Korsen, Colibri und Sperber, Reichserntedankfest auf dem Bückeberg, Britische Hinrichtungsstätte, und natürlich die Mär vom Rattenfänger, eines Spielmanns aus dem 13. Jahrhundert, der der Sage nach zuerst die Stadt von einer formidablen Rattenplage befreite, indem er die Rattenbrut mit seinem Flötenspiel in die Weser, den örtlichen Fluss lockte, wo sie ersoffen und verreckten, dann vom Magistrat der Stadt um den versprochenen Lohn für seine Entwesungstätigkeit betrogen wurde, woraufhin er auch die Kinder der Stadt mit seinem Flötenspiele aus selbiger hinaus in einen Berg hinein lockte, wo sie verschwanden. Diese Mär wird bis heute bis zum Erbrechen touristisch aufgemotzt und ausgeschlachtet, dass es einen graust. Kulinarisch hingegen gestaltet sich eine Reise nach Hameln nicht so vielversprechend, die mehr oder weniger seriösen Restaurantführer – Gusto, Guide Michelin, Gault Millau, … – geben allesamt eine Null-Meldung für Hameln ab, das erste erwähnenswerte Restaurant in der Umgebung soll das das Hotel-Restaurant im Schloss Münchhausen in Aerzen mit einem Michelin-Stern sein, nur der Schlemmeratlas empfiehlt das Hotel-Restaurant des Mercure in Hameln, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Also fällt die Wahl für’s Mittagessen nach ein paar Stunden Besichtigung von einigen hübschen Weserrenaissance-Bauten, jeder Menge Fachwerk im Stadtkern und drumherum städtebaulicher Beliebigkeit, alles und stets und überall garniert mit besagter Rattenfänger-Mär notgedrungen auf die Ratsschänke im Rattenkrug in einem dieser hübschen Weserrenaissance-Bauten, die sich Hamelns ältestes Gasthaus nennt. Auf handgeschriebenen Tafeln vor dem Haus steht was von Grünkohl, Bregenwurst, Kaiserschmarrn, das klingt alles bodenständig, solide, frisch, irgendwie übersehen wir den Schriftzug „Paulaner“. Innendrinnen setzt sich zuerst einmal in schönen Renaissance-Gewölben besagte städtebauliche Beliebigkeit in Form einer standardisierten, 08/15-rustikalen Gaststätten-Möblierung fort, wie sie sich seit über zwanzig Jahren in jeder neu eingerichteten Bierkneipe zwischen List und Bozen findet. Und der Schriftzug „Paulaner“ wird stärker und bedrohlicher, wir sind offensichtlich in so einer Art „Bayrischen Botschaft“ gelandet, kein heimisches niedersächsisches Bier, dafür Münchner Import-Biere (dabei lernten die Bayern das Bierbrauen weiland von den Niedersachsen, welch Ironie!), an den Wänden Photographien von Münchner Touristik-Kultstätten, dazu jede Menge gemalte Ratten und blöde, möchtegern-lustige Sprüche wie etwa „Shakesbier meint ‚Ratte oder nicht Ratte, das ist hier die Frage!‘“ oder „In diesem Bau – ist alles blau.“ Ha-ha, selten so gelacht. Bayrisch-welfisches Cross-Over mit Ratte unter’m Paulaner-Schriftzug? Weit her scheint es mit dem Bayrischen dann aber doch nicht zu sein, es gibt zwar angeblich ofenfrische Schweinshaxe mit Dunkelbiersauce, Schweinebraten mit Dunkelbiersauce und Bayerischen Leberkäse, aber wer Ofenfrische „Brezeln“ oder 5 (fünf!) Nürnberger Bratwürstchen auf der Speisekarte hat, der hat von Bayrischer Gastronomie wahrlich keine Ahnung. Auch der Rest der Speisekarte ist suspekt, Schweineschnitzel Hot Sambal mit Spicy Sambal Crem, Spare Ribs all you can eat mit Kartoffelecken (was mögen wohl Kartoffelecken sein?), Rattenkrug Spezialburger, Entenkeulen auf Orangensauce oder Wildgulasch Hubertus (g, a, c, 1, 4, 7), … Wo sind wir da nur wieder reingeraten, fragt sich der hungrige Städtereisende. Aber wir waren ja wegen des landes- und Jahreszeiten-typischen Grünkohls mit Kassler und Bregenwurst gekommen. Und der war nun wirklich … räudig. Halb kalt, breiig-schleimig, weitgehend geschmackfrei, nie und nimmer frisch sondern üble Fertig-Ware, warmgehaltene Convenience-Kartoffeln, … Dazu eine Bedienung die weitestgehend durch Abwesenheit glänzte, für Getränke-Nachbestellungen, Salz und Pfeffer und für die Rechnung musste man sich an den Tresen bewegen, an den Tisch oder auch nur in dessen Nähe kam jedenfalls niemand mehr.

Paulaner „Im Rattenkrug“
Rattenkrug-Hameln GmbH
Geschäftsführer Sandra Miksch
Bäckerstraße 16
D-31785 Hameln
Tel.: +49 (51 51) 2 27 31
Fax: +49 (51 51) 4 31 26
E-Mail: info@rattenkrug.de
Internet: www.rattenkrug.de

Hauptgerichte von 10,50 € (Currywurst mit Pommes) bis 19,90 € (Wiener Schnitzel mit Pommes), Drei-Gänge-Menue von 18,00 € bis 37,30 €

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