Tag 2: Amberg – Eisenach, 260 km, 4 Stunden Fahrtzeit, Übernachtung und Abendessen auf der Wartburg
Eisenach – Brandkeramiker, Kelten, Hermunduren, schließlich Thüringer siedelten hier, Sänger bekriegten sich, ein entlaufenes Mönchlein legte unter dem politischen Schutz eines machtbesessenen Landgrafens den Grundstein für die Spaltung der Heiligen Römischen Kirche, trotzdem wurde Bach hier geboren, dem Deutsche Nationalstaat mit dem Wartburgfest der Weg geebnet, der Wartburg (der, gemeint ist die DDR-Luxuslimousine) gebaut, die Nachfolger der Mauermörder sind heute hier die stärkste politische Kraft und stellen die Bürgermeisterin. Über der Stadt die Wartburg, niemals erobert, trotzdem weitgehend Fake – weil im 19. Jahrhundert fundamental renoviert / wieder aufgebaut, der Gasthof in rotem Sandstein, direkt unter der Zugbrücke gelegen, entstand erst 1912 bis 1914. Eisenach selber wäre hübsch, wäre es nicht von Kommunisten regiert und von Touristen belagert, kaum ein Quadratmeter in der Innenstadt, der nicht touristisch vermarktet würde, Bach und Luther heißen die gängigen Handelswaren, während die Vororte eher von Opel, seinen Zulieferern und schmucklosen Arbeiterwohnsiedlungen dominiert werden. Den schweißtreibenden Weg rauf zur Burg (öffentliche Verkehrsmittel sind hier Fehlanzeige, einen Limousinen-Service gibt es nur für Gäste des Burghotels) finden offensichtlich vor allem junge deutsche Familien, die ihren Kindlein diesen Hort deutsch-nationaler Geschichte mehr oder minder nahe bringen wollen, sei’s drum, hier geht es um das Burghotel auf der Wartburg, wobei diese Bezeichnung bereits irreführend ist, denn das Hotel ist wie gesagt vor der Wartburg, innerhalb der alten Burgmauern gibt es nur touristisches Besichtigungsmaterial und einen Festsaal für Staatsempfänge in historienschwangerem Ambiente, aber keine Übernachtungsbetten.
Übernachtungsbetten, die gibt es im Romantikhotel auf der Wartburg, zwar vor den Toren der Wartburg gelegen, und dennoch zum UNESCO Weltkulturerbe gehörig und irgendwie mit 5 Dehoga-Sternen ausgezeichnet, obwohl Pool, Concierge, 24-Stunden-Rezeption, Zimmerservice, sogar ein Lift fehlen, sein Gepäck kann der Gast selber über knarzende Holztreppen auf’s Zimmer schleppen, Gepäckservice ist nämlich ebenfalls Fehlanzeige, und das kleine SPA ist selbst für Hausgäste nur gegen extra Bezahlung zugänglich. Dafür sind die Restaurant-Terrassen mit Blick über’s Tal und den Thüringer Wald wirklich nett, die 37 Zimmer sind zum Teil recht klein, zum Teil sehr geräumig, aber alle mit individuellen, wertigen Schreinermöbeln eingerichtet, zum Teil eher calvinistisch karg, zum Teil recht komfortabel mit dicken Teppichböden, schweren Gardinen, großen Tageslichtbädern mit allem, was man zur Körperentleerung und –pflege benötigt, einige der Bäder bedürften allerdings der Renovierung und Grundreinigung (Schimmel in der Dusche), zum Teil blickt man von den Zimmern in den drögen Innenhof, zum Teil auf die Grundmauern der Wartburg, zum Teil in’s Tal auf Wald und Stadt. Ob solch ein Zimmer denn tatsächlich 250 bis 400 EURO pro Nacht für ein zwei Personen mit Frühstück wert ist, steht auf einem ganz anderen Blatt, für das Geld kann man auch in die Traube nach Tonbach oder in’s Adlon nach Berlin gehen und bekommt ein ganz anderes Qualitäts-Level, und den hübschen Ausblick gibt es zumindest in Baiersbronn auch. Aber es ist Angebot und Nachfrage, bei nur 37 Zimmern bei einem weltberühmten touristischen Hotspot, sowas schlägt auf den Preis. Disney oder Sheraton hätten hier nebenan sicherlich längt einen 20-stöckigen Hotelturm mit Seilbahn direkt zu den Burgzinnen hingesetzt, da wären die Zimmerpreise dann auch gewiss billiger. Dabei muss das Hotel auf der Wartburg auch noch einen gehörigen Spagat hinlegen: zum einen wollen kulturbeflissene, geschichtsbewusste, meist ältere, durchgängig wohlhabendere Herrschaften für den Preis ein gediegenes, stilvolles Refugium vorfinden, wenn sie auf des Schismatikers historischen Spuren wandeln; zum anderen gelüstet es vom steilen Fußweg auf die Burg durchgeschwitzten, nicht ganz so kulturnahen, kaufkraftschwächeren Tagestouristen nach Bier, Torte und Klo, wenn sie ihr Besichtigungsprogramm absolviert haben, und das am besten wohlfeil, flott, in großen Portionen und mit Ausblick. Wenn dann so ein kulturnaher, mit der Limousine den Berg hochgefahrener, frisch geduschter, distinguierter 400-EURO-Hausgast auf einen durchgeschwitzten, durstigen, frisch vom Klo gekommenen 14-EURO Kaffee-Bier-Kuchen Tagestouristen trifft, so ergeben sich zuweilen Diskrepanzen, die nicht immer geprägt sind von gegenseitiger Wertschätzung und Rücksichtnahme. Ein Beispiel: zwischen Rezeption (wo die Hausgäste ein- und ausgehen) und Schankraum (wo die Tagesgäste Einlass und Abfütterung finden) gibt es einen recht hübschen Salon mit Sitzgruppen, Kamin, Spielen; hier können sich Hausgäste zum Aperitif versammeln, parlieren, lesen, … bevor man zum Dinner geht. Corona-bedingt müssen sich auch Hausgäste ihre Getränke für den Salon selber im Schankraum ordern. Da steht dann also ein älterer Herr im Polo-Pullöverchen und Maulkorb, der im Salon die ganze Zeit laut von seinem Haus auf Mallorca erzählt, und lässt sich die – wirklich kleine und alles andere als besondere – Auswahl an Whiskys zeigen; kommt eine Rotte redlich durchgeschwitzter Tagestouristen rein, und der Rotten-Führer sagt lautstark zu der Whisky-zeigenden Servicekraft: „Machen‘se uns mal vier Bier Froillein, aber schnell bitte!“ Eine klassische Lose-lose-Situation, in der Haut der jungen Servicekraft jedenfalls hätte ich nicht stecken wollen. Wie dem auch sei, die Männer forderten sich nicht auf Schwere Säbel, irgendwie löste sich die unschöne Situation, die verschwitzten Tagesgäste werden in das Laufkundschaft-Restaurant „Gasthof für fröhliche Leut“ abgeleitet und gegen 19:00 Uhr versammeln sich die Hausgäste zum gemeinsamen Dinner im weitaus gediegeneren Restaurant „Landgrafenstuben“ mit unverbaubarem Talblick.
Die Speisekarte, die Küchenchefin Annett Reinhardt bietet, ist erfreulich klein, zwei Vorspeisen, eine Handvoll Hauptspeisen, zwei Nachspeisen, mehr nicht, den Küchenstil kann man getrost als „gut-bürgerlich“ bezeichnen, „gehoben gut-bürgerlich“ wäre wahrscheinlich schon zu viel gesagt, und Adjektive wie „ambitioniert“, „innovativ“ oder „zeitgemäß“ sind hier ganz gewiss fehl am Platze: das ist ordentliche Hausmannskost, wie sie der Herr Doktor, die Frau Anwältin und das gestandene Unternehmerehepaar aus der Provinz erwarten, durchaus gekonnt gemacht und präsentiert, aber nicht mehr. Ein kleiner Schwarzwurzel-Salat mit mariniertem Hähnchenbrust-Streifen als Amuse-Gueule löst Vorfreude aus, wo kennt und schätzt und verarbeitet man heute noch die gute, alte, schmutzige, höchst arbeitsaufwändige, ur-deutsche Schwarzwurzel? Was kommt sind dann ein paar Abschnitte eines Gemüses ohne jeden Eigengeschmack in Essig-Dressing, darauf ein Streiflein hart-zähen Huhns, das ebenfalls ganz kurios sauer schmeckt. Eine saure Spreewaldgurke als Amuse-Gueule wäre besser gewesen. Der kleine Spargelsalat mit Erbbeeren als Vorspeise ok, knackig gekochte Spargelstücklein in eine leichten Vinaigrette. Der hausgebeizte Lachs fischelt etwas und ist viel zu dick geschnitten. Der Spargel ist ordentlich, gute Qualität, leicht bitterlich, gut schält, auf den Punkt gegart, gekonnte gutbürgerliche Küche eben; die Hollandaise dazu tatsächlich frisch selbst aufgeschlagen, nicht aus der Tüte, etwas geschmacksarm (wahrscheinlich keine Reduktion als Grundlage) und fast kalt, als sie zu Tisch kommt. Auch der Sauerbraten tadellos, gutes, mürbes Fleisch, leckeres Sößchen, Blaukraut für meinen Geschmack zu süß, Thüringer Kartoffelklöße wohl tatsächlich selbstgemacht. Ob das Schokotörtchen zum Dessert allerdings ebenfalls vollkommen selbst gemacht ist, das würde ich dann schon bezweifeln; das Eis dazu jedenfalls Industrie-Qualität, aber begleitet von nett aufgeschnittenem, reifem Obst. Das alles wird flankiert von süffigen heimische Bieren und einer kleinen, recht wohlfeinen Weinkarte mit Schwerpunkt Saale-Unstrut; schließlich Leitungswasser aus der Karaffe ist kein Problem und wird nicht extra berechnet, sehr schön. Für mich ist das durchaus passende museale Küche: zuerst zeigt man seinen Kindern auf der Burg, wie man im Mittelalter gewohnt und gelebt hat, und des Abends zeigt man den Kleinen im Burgrestaurant noch, wie man im kulinarischen Mittelalter der Siebziger und Achtziger gespeist hat.
Das Frühstück am nächsten Morgen bietet einen hübschen Ausblick und die üblichen Standard-Basics, nichts jedenfalls darunter, was eines Fünf-Sterne-Hauses würdig oder auch nur erwähnenswert wäre.
Romantik Hotel auf der Wartburg
Direktor: Hannes Horsch
Küchenchefin: Annett Reinhardt
Betreiber: arcona Management GmbH, August-Bebel-Straße 55, 18055 Rostock
Auf der Wartburg 2
D-99817 Eisenach
Tel.: +49 (36 91) 797-0
Fax: +49 (36 91) 797-200
Email: info@wartburghotel.de
Online: https://wartburghotel.de/
Hauptgerichte von 19,90 € (Gnocchi mit getrockneten Tomaten, Salbei und Parmesan) bis 33,90 € (Zweierlei vom Lamm mit Semmelknödel, Frühlingslauch und Zuckerschoten), Drei-Gänge-Menue von 38,70 € bis 50,70 €
DZ Ü/F 250 € bis 400 € (pro Nacht, pro Zimmer)