Tag 8: Duisburg – Köln, 120 Kilometer, 3 Stunden Fahrtzeit, Übernachtung im 25hours Hotel Köln The Circle, Abendessen im Päffgen
Die Lunchbox gegen Aufpreis statt Frühstück im Wyndham Duisburger Hof weisen wir am nächsten Morgen entschieden zurück und verlassen dieses ungastliche Haus in dieser ungastlichen Stadt. Auf der Autobahn ist es gerade mal eine Stunde von der Duisburger bis in die Kölner Innenstadt, wir aber schlängeln uns so gut es geht auf Seitensträßchen den Rhein entlang, sofern er nicht von Industrieanlagen verbaut ist. Weil’s auf dem Wege liegt, fahren wir einmal durch Düsseldorf, niemand braucht diese Stadt wirklich, früher flanierten die feinen Verbrecher auf der Kö und das Gesindel trieb sich um den Hauptbahnhof herum, heute braust auch das Gesindel mit übermotorisierten Schwanz-Ersätzen auf der Königsallee hin und her, während das Party-Pack sich am Rheinufer auf die nächste Randale eintrinkt, und der Neubau des altehrwürdigen Breidenbacher Hofes ist zum Kotzen, Emil Fahrenkamp würde sich im Grabe umdrehen. Nein, ich mag Düsseldorf nicht sehr, aber das ist mehr mein Problem als das Düsseldorfs. Nach etlichen Fehl-Versuchen mit einem Amok laufenden Navi erreichen wir irgendwann am frühen Nachmittag das ehemalige Hauptquartier des Gerling-Konzerns in Köln, Stein-gewordener Ausdruck des Wirtschaftswunders, mit einem „abwehrenden, fast einschüchternden Charakter“, wie ein Architekturführer es beschreibt. Hier versicherten mal 5.000 Menschen die aufstrebende Nachkriegs-Republik, mitten in der Kölner Altstadt, heute längst verwaist und verlassen, neue Nutzer ziehen in die denkmalsgeschützten Gebäude, zum Beispiel das 25hours Hotel Köln The Circle. Das Hotel selber ist fertig bezogen, drum herum Baustellen, Kräne, Lärm, Straßenabsperrungen, die ganze Freude innerstädtischen Bauens im Bestand. Nach gefühlten zwölf Runden wieder und wieder durch die ohnehin schon engen und durch Bautätigkeiten noch engeren Straßen um’men Block – vor dem Hoteleingang parken, auch nur kurz halten zu wollen, ist Fehlanzeige, viel zu eng, viel zu viel Verkehr – finden wir schließlich die – in keinster Weise ausgeschilderte – Zufahrt zur Tiefgarage in einer Seitenstraße, Dienst am Kunden / Gast stelle ich mir anders vor. Die Hotelhalle ist irgendwie spacig-retro, nachgemachte Weltraumanzüge, Fluggerätschafts-Attrappen, Spielzeugroboter, Astronauten-Photos, dazu fünfziger- und sechziger Jahre Comics, uralte Röhrenfernseher, Kugelsessel aus bestem Hartplastik, ein Co-Working-Space, ein Shop wo man vieles des herumliegenden Zeugs käuflich erwerben kann, schließlich auch noch der Counter der Rezeption, „Plunder – Pardon: die Interior-Pretiosen“ nannte es das Handelsblatt, mich erinnert das Ensemble irgendwie an den nicht aufgeräumten Dachboden eines sammelwütigen, lange verstorbenen NASA-Mitarbeiters, tatsächlich ist das aber ein vom „Berliner Kreativteam Studio Aisslinger um Interior-Designer Werner Aisslinger (entwickeltes) Gestaltungskonzept unter dem Thema Retro-Futurismus … urbane Rückzugsorte mit gegensätzlichen Welten – verspielter Retro-Stil trifft auf phantasievolle Zukunftsutopien“, so beschreiben die Macher das Hotel auf ihrer Website. Dazu muss man vielleicht noch wissen, dass jedes der bisher elf 25hours – Hotels ein anderes Motto hat: Großstadtdschungel in Berlin, Reisen in Frankfurt, Zirkus in Wien, Ich-weiß-nicht-was in München. Gemeinsam ist allen Häusern, dass sie aus der künstlichen Designer-Retorte stammen, in besten Innenstadtlagen in ziemlich guten Immobilien liegen, für vier Sterne eher spärlich ausgestattete Zimmer zu saftigen Preisen anbieten, dazu eine beliebige 08/15-Fast-Food-Gatronomie und unbestritten spektakuläre (nicht unbedingt gute, aber spektakuläre) Dachbars, wobei die Einrichtung der Bars auch wieder gewöhnungsbedürftig ist, die Spirituosenauswahl, die Barkeeper und die Drinks sind eher unterer Standard, aber die Lage und der Blick über die jeweilige Stadt machen fast alles wieder wett, vor vielen 25hours-Dachbars gibt es lange Schlangen von Nicht-Hausgästen, und selbst als Hausgast tut man gut daran, zu reservieren. Gegründet wurde die Kette übrigens im Jahr 2005 von Christoph Hoffmann und seinen Partnern Kai Hollmann, Stephan Gerhard und Ardi Goldman, der im Kölner Klingelpütz eine Haftstrafe wegen Korruption absaß. 2016 erwarb der Französische Accor Konzern (4 Milliarden EURO Umsatz, u.a. Ibis, Formule 1, Mercure, Pullmann, Sofitel) 30% der Anteile an 25hours für 35 Millionen EURO. 2018 erwirtschafteten die Hotels erfreuliche 109 Millionen EURO und bescherten ihren Besitzern einen Nachsteuergewinn von 7 Millionen EURO. Während andere große Hotelketten auf den Wiedererkennungswert setzten – das Kempinski in Berlin ‚funktioniert‘ genauso wie das in Peking, und für den raschen Geschäftsreisenden hat dies durchaus seine Vorteile – setzen die 25hours auf scheinbare (scheinbare, nicht anscheinende!) Individualität. Da ergrübeln kreative Köpfe ein trendiges, dem Zeitgeist entsprechendes Konzept, und das wird dann industriell umgesetzt: industriell gefertigte Schein-Individualität, und das Publikum schreit hurra! In Köln sind die Standard-Zimmer weitgehend identisch eingerichtet, offene Betondecke, offene Belüftungs- und Löschwasser-Rohre, kontinuierliches Rauschen der Klimaanlage, keine Kofferablage, kein Schrank, statt dessen eine billige, verschlungene Blechrohrkonstruktion an der Wand mit ein paar Kleiderbügeln, Plastik-Efeu, kein Stuhl oder Sessel, nur Hocker, winziges Schreibtischchen, monströse Digitaluhr an der Wand, offenes Bad, nur kacken kann man hinter verschlossener Türe, scheinbar selbst gestricktes Astronauten-Püppchen, tatsächlich aber industriell gefertigte Massenware in jedem Zimmer, schlecht geputzter Spiegel, Pipi-Flecken um’s Klo, sehr unappetitliche Flecken auf dem Hocker (was haben die Vorgänger darauf getrieben, und warum hat’s niemand weggemacht?), Minibar mit ein paar Getränken wäre frei, aber es gibt keinen Flaschenöffner, keine abgepackten Pflegeprodukte im Bad, sondern nur primitive Plastik-Pumpflaschen, dazu große Schilder, die den Gast unter Hinweis auf eine Umwelt auffordern, das Wasser abzudrehen, wenn er sich einseift (ist das nicht genial: man appelliert an den Gast, Wasser und damit Kosten zu sparen und damit den Profit der Eigentümer – quasi Tröpfchen für Tröpfchen – zu steigern; aber statt als Knauser dazustehen, der dem Gast nicht mal das Wasser zum Duschen gönnt, positionieren sich die Eigentümer auch noch als Umweltschützer, und das nicht nur kostenlos, sondern gewinnträchtig!), aber dafür nette Aussicht über Köln und des Morgens Vogelgezwitzscher … bis der Baulärm einsetzt. Das Personal ist durch die Bank weg jung, freundlich, engagiert, sehr engagiert, da hat man den Eindruck, dass ein jeder im Bedarfsfall auch die Extra-Meile geht, und oft sogar richtig ausgebildet. Die Rezeptionistin fragt uns beim Einchecken, ob sie uns duzend dürfe, wir beide heben den Altersdurchschnitt im 25hours nämlich signifikant, aber sei’s drum, innerlich sind wir ja jung geblieben, auch wenn äußerlich der Putz schon hier und da ein wenig bröckelt … natürlich nur bei mir, nicht etwa bei Caro. Wirklich nett ist, wie gesagt, die Dachbar, ebenfalls in futuristischem Retro-Design oder so ähnlich samt lebensgroßem Gorilla-Kostüm vor dem Kamin und Vinyl-Plattenspieler, man kann bis zum Dom und weiter blicken, die Drinks sind ok, wer Humus, Babaganoush, Hamshuka, Sabich, Jerusalem Teller oder Korean Fried Chicken Salad (viel mehr bietet die Speisekarte auch nicht) essen mag, der möge das tun, das Futter hier stammt von der israelischen Gastronomin Haya Molcho (tatsächlich der Frau von Samy Molcho), die unter der Marke Neni die Produktion von Fertiglebensmittel und eine Fast-Food-Kette betreibt, die in allen 25hours Hotels vertreten ist, da hört dann die Individualität auf, und statt dessen gibt’s Einheits-Brei.
25hours Hotel The Circle
Im Klapperhof 22-24
D-50670 Köln
Tel.: +49 (2 21) 16 25 30
Email: thecircle@25hours-hotels.com
Online: www.25hours-hotels.com/hotels/koeln/the-circle
DZ Ü/F 144 € bis 334 €, zu Messezeiten auch mal deutlich über 500 €