Altes Bräuhaus Passau: nach wie vor authentisch

Summa summarum: derb, unverbogen, ehrlich, lecker, schwer, sympathisch, zuweilen auch chaotisch

Es herrscht Ausnahmezustand im Alten Bräuhaus in der ältesten Altstadt mitten in Passau. Eine Busladung rheinländischer Pauschaltouristen hat wohl das Lokal ohne Reservierung und ohne Anmeldung einfach geentert, jeden auch nur irgendwie freien Platz gellend und rotzefrech besetzt und fordert nun lautstark Speis und Trank, Trank mehr als Speis. Die Bedienungen rödeln im Akkord und machen gute Miene zum unziemlichen Spiel. Auch an unserem Tisch sitzen Rheinländer, „unser“ ist am Reservierungsschildchen mit Namen und Personenzahl leicht zu erkennen. Unser Wunsch, unseren Tisch doch bitte frei zu machen, wird mit netten Worten, wie man sei zuerst da gewesen und wir sollten gefälligst warten und sowieso und überhaupt quittiert. Caro läuft ca. 20 Sekunden lang zur für ihre Verhältnisse nur gemäßigten, fast noch versöhnlichen rhetorischen Form auf und acht vormals großmäulige Rheinländer trollen sich mit eingerollten Schwänzchen, um sich an den anderen okkupierten, ohnehin ebenfalls schon brechend vollen Tischen zu ihren Landsleuten zu quetschen; wir jedenfalls haben unseren Tisch, und Caro ist zuweilen deutlich mehr wert als jeder Schlägertrupp. Und dennoch „Essen wenigstens 40 Minuten, aber was zu trinken kann ich Euch schon bringen. Die Küche kommt grad nicht nach!“ ruft eine gehetzte Bajuwarische Bedienung in Lederhose und Stechschritt, als sie mit zwei randvollen Getränke-Tabletts beladen und beflissen an unserem Tisch vorbei joggt. Von Euch Rheinländischen Sturmtruppen lassen wir uns nicht vertreiben, das ist schließlich Bayern, und hier habt hier in Rudel-Stärke ohne Reservierung sowieso nichts verloren, sind wir uns allesamt einig, und auch mit Reservierung nichts. Also sitzen wir bei unseren süffigen, frischen, gut gezapften Arco-Bieren, studieren in aller Ruhe die – erfreulich übersichtliche – Speisekarte und harren der Dinge, die da vorerst nicht kommen werden. Die Bedienungen – zwei in Lederhosen, zwei Studentinnen in Jeans und die junge Chefin Michaela Rohmann selber – leisten Schwerstarbeit, rennend, schleppend, servierend, abräumend, bleiben dabei immer fröhlich, witzig, professionell, auch wenn einer der Lederhosenträger ständig sehr laut schreit, was er gerade zu servieren hat, aber das ist wohl der Situation geschuldet. Irgendwann dann haben alle Rheinländer ihr kleines oder halbes Bier oder Wasser getrunken, sich zu zweit einen Schweinsbraten geteilt und alle Mädels der Rotte waren nochmal schnell Pippi, die Gaststuben leeren sich mit einem Male zügig wieder, zurück bleiben ein paar Einheimische, die in den Eroberungstruppen gänzlich untergegangen  waren, ein Tisch voller Asiaten, die mit großer Neugier, offensichtlich großem Genuss und unsäglichen Essmanieren diverse einheimische Gerichte kosten und sichtlich erschöpfte und zugleich erleichterte Servicekräfte.

Was uns dann nach weit über einer Stunde wartenden Schauens serviert wird, ist wie immer derb, aber tadellos. Tiroler Gröstel mit tatsächlich selbst gemachten, halbwegs reschen Bratkartoffeln (also selbst gekocht, gepellt, gewürfelt, gebraten, nicht irgendwelches Convenience-Zeugs), großen, guten, reichlichen Fleischbrocken, Speck, Zwiebel, Spiegelei. Zwei große, gut gebeizte, leicht durchwachsene, butterzarte Scheiben Surbraten mit viel leckerer Sauce, selbst gemachtem Kartoffelknödel und Krautsalat mit viel Speck und Kümmel. Saftiger, nicht fetter, zarter, nach Schwein schmeckender (ein Geschmack, der manche Kinder – und auch Erwachsene – heute dazu bringt, ein Gericht als nicht wohlschmeckend zurückzuweisen, authentisch schweinisch und nicht industriell halt) Schweinsbraten mit viel rescher Kruste, tatsächlich einer ganz anderen Sauce als die zum Surbratl, wieder Kartoffelknödel und wieder Krautsalat. Tadellose Schweinsbratwürstel mit ordentlichen – für bayrische Verhältnisse sogar guten – Bratkartoffeln und richtig-richtig gutem, ewig lang gekochtem Sauerkraut. Von der Tageskarte auf einer großen Tafel an der Wand schließlich noch ein Spanferkelbraten, wieder zartes, nach Ferkel und nicht nach Wasser und Hormonen schmeckendes Fleisch, knackige Schwarte, nochmals eine andere Bratensauce, wieder Knödel und Sauerkraut. Dass ein Restaurant heutzutage noch eine Handvoll Bratengerichte (also richtige Bratengerichte aus dem Reindl, nicht aufgewärmte Convenience-Packerl) auf der Karte hat, ist schon eine Seltenheit. Dass diese Bratengerichte dann aber auch noch mit unterschiedlichen Saucen serviert werden, Saucen, die aus den jeweiligen Braten gezogen sind, und auch nicht aus dem großen Soßen-Sack von Maggi & Co. stammen, das hat absoluten Seltenheitswert. Jeder weiß, wie schwierig gute Saucen sind, und da mag sicherlich auch noch das eine oder andere Würfelchen und Fertig-Fondchen dabei gewesen sein, aber dennoch, sehr löblich … und lecker. Das Alte Bräuhaus in Passau ist eines dieser seltener und seltener werdenden kulinarischen Refugien authentischer, altbackener, un-un-inovativer, geradezu musealer, nichtsdestotrotz aber derb-guter bajuwarischer Küche ohne nennenswerte Zugeständnisse an das 21. Jahrhundert, Amerikanische Besatzer, Asiatische Reisende und Veganistische Spinner, ohne Burger, Steak, Trüffelnudeln und Tofu …

Altes Bräuhaus – eine bayerische Wirtschaft
Michaela Rohmann
Bräugasse 5
94032 Passau
Tel.: +49 (08 51) 4 90 52 52
E-Mail: wirtshaus@altes-braeuhaus.de
Internet: www.altes-braeuhaus.de

Hauptgerichte von 7,50 € (Tiroler Gröstel) bis 15,90 € (Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln), Drei-Gänge-Menue von 16,90 € bis 26,30 €

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