„… Slow Food, spüren, schmecken und riechen, regionale Produkte, Nachhaltigkeit, bewusst genießen, fair und regional gehandelte Produkte, Nachhaltigkeit aus der Heimat, genießen mit allen Sinnen, Leben mit Sinn und Genuss, herzliche Gastlichkeit, Fürsorge, Zuneigung und Herzlichkeit, Wellnessangebote für Geist und Körper, Lebensfreude, Harmonie, Begeisterung und innere Ruhe, lassen sie sich in unsere Hände fallen, Lebensweg mit Sinn und ehrlichem Genuss, Beruf als Berufung, fair ausgesuchte Produkte aus unserer Region, Kommunikation, reden, lachen, du und ich, Freunde, Geschäftspartner, Familien, Herzlichkeit unseres Teams, die Farbharmonie unseres Landhotels, die Hektik des täglichen Lebens vergessen, tief durchatmen, entspannen, sich verwöhnen lassen …“ – – – Elysion, ich muss Elysion (von altgriechisch Ἠλύσιον, das Selige Feld) gefunden haben, zumindest, wenn man der selbst-lobhudelnden Allerwelts-Phrasen-Blub dreschenden Website Glauben schenken mag. Diese „Elysischen Gefilde“, in die der Sage nach jene Helden entrückt werden, die die Götter lieben, müssen neuerdings in Bürgstadt am Main liegen, nicht mehr auf den Kanaren. Dort nämlich feiert sich die Familie Norbert und Evelyn Bachmann auf der Homepage ihres Landhotels Adler dergestalt selber. Und nach all dieser internetistischen Selbstbeweihräucherung, vor allem aber, weil die Restels in ihrer Krone im benachbarten Großheubach spontan weder Tisch noch Bett frei hat, hat es Caro und mich mal nach Bürgstadt, an den Fuß des legendären Centgrafenberges verschlagen, in das Landhotel Adler.
Ernst einmal … Land“hotel“. Zumindest ich habe eine gewisse Vorstellung von einem Hotel. Das Adler ist eines dieser typischen alten, zweistöckigen main-fränkischen Sandsteinhäuser, mit verschiedenen Erweiterungen über die Zeit, proper in Schuss, neidlos zugegeben, hinter dem Haus, quasi im Hinterhof ein gesichtsloser, funktionaler, moderner, dreigeschossiger Anbau mit Gästezimmern und Eingang über’n Hof, dahinter ein kleines, gar nicht mal so unhübsches Gärtlein, unmittelbar daran angrenzend dann ein großer, gar nicht mal so hübscher Parkplatz, den man allerdings nur über sieben Ecken auf engen Anwohnersträßchen durch’s Wohngebiet und über eine Art Hauseinfahrt erreicht. Das alles ist kein gediegenes Hotel-Ensemble, das ist historisch gewucherte, funktionale, gänzlich Ästhetik-freie Bausubstanz, entstanden nicht nach einem großen Plane, sondern so, wie Bedarf und Geld da waren. Das muss ja nichts Schlechtes sein, nur ist das weder schön noch gemütlich noch ansprechend, das ist schlichtweg funktional, ein historisch gewachsener bzw. gewucherter Landgasthof.
Die Zimmer hier sind … naja, ebenfalls funktional, oft verwinkelt, endlich mal kein versiffter Teppichboden, sondern Holzdielen oder Tonfliesen, Möbel in Baumarktdesign und -qualität, Zimmerschmuck und Bilder ebenfalls, sauber allemal, kleines Duschbad, Dusche überschwemmt ruck-zuck das ganze Bad, zu weiche Matratze, einfache kratzige Handtücher, die sich nicht zu klauen lohnt, ein Fläschchen billiger heimischer Wein und zwei Flaschen Mineral auf’s Haus, kleiner Flachbildschirm, Internet mal da, mal nicht, Terrasse zum Garten voller Unkraut, auch das alles ist funktional, gemütlich geht anders, Caro und ich jedenfalls haben keinen Sex in dieser wenig stimulierenden Umgebung, vielleicht werden wir ja langsam alt.
Aber vielleicht kann ja das selbst-gelobhudelte regionale, faire slow food alles wieder wettmachen, hoffen die unbefriedigten Reisenden auf dem Weg zum Abendessen. Wie die Zimmer auch die Gaststuben gesichtsloses Allerwelt-Gastro-Design, schon tausendmal so oder so ähnlich gesehen, auch in Fast-Food-Restaurants übrigens, viel Lärchenholz, Tische, Stühle, Bänke, Lampen, alles Stangenware, auch wieder proper, aber gesichtslos, austauschbar, ein wenig – für meinen Geschmack geschmackloser – Zierrat, lackierte Kränze aus dürrem Holz geflochten, Engelchen, ein paar alte Bilder, an einer knallroten Wand steht in goldenen Lettern „Leben mit Sinn & Genuss …“ geschrieben, fast alle Tische mit Stoffservietten und guten Gläsern ordentlich eingedeckt, und doch fühlen wir uns nicht wirklich wohl, in diesem irgendwie unwirklichen Ensemble.
Aber das alles muss wahrscheinlich an uns liegen, denn das Lokal ist ab spätestens 18:30 Uhr proppenvoll, vor allem Einheimische, ein paar Familienfeiern mit auswärtigen Gästen, im Sommer wohl Main-Radler, und eine englische Version der Speisekarte lässt vermuten, dass hier auch sonstiges reisendes Volk – Touristen, Geschäftsleute aus dem unweiten Frankfurt – verkehrt. Die Speisekarte selber ist übersichtlich, 1 drei-gängiges Menue, 3 Vorspeisen, 2 Suppen, 9 Fleisch-, 1 Fisch-, 1 vegetarisches Gericht, 3 Salate, 6 Desserts, das alles klingt, als könnte es in einer Landküche frisch und hochwertig und seriös zubereitet werden. Überzeugen kann uns das alles aber nicht. Ein Stücklein Butter und von der Wärme zerlaufener Schmalz mit Brot vorweg stimmen nicht gerade auf ein treffliches Mal ein. Caro hat die Sülze als Vorspeise – eigentlich eine Hauptspeise für sehr faire 10,50 EURO, aber kleine Vorspeisen-Portion gibt’s nicht, müssen Sie verstehen, wir sind sooo voll: sei’s drum –, wohl tatsächlich hausgemacht, viel fettes Fleisch, wabblige, geschmacklose Sülze, ausgesprochen obskure Remouladensauce, für Süddeutschland ganz ordentliche Bratkartoffeln, aber mit getrockneten Kräutern darinnen, warum auch immer … Mein gratinierten Ziegenfrischkäse auf Blattsalaten – aus der Rubrik „Vorab und für den kleinen Hunger“ – hat das Zeugs, einen ausgehungerten Holzfäller zuverlässig zu sättigen, ist aber qualitativ sehr ordentlich, die Blattsalate gut geputzt und frisch, Essig und Öl dazu sehr gut, nichts zu kritteln. Das angebratene Tatarbeefsteak mit Estragon-Senf Hollandaise und Steakhouse Pommes ist rosa angebratenes, gewürztes, geformtes Rinderhack, die Estragon-Senf Hollandaise wenigstens ebenso suspekt wie die Remouladensauce (wirklich hausgemacht, fragen wir uns beide?), die Steakhouse Pommes tiefgekühlte Fertigware. Pfannkuchensuppe: Pfannkuchen frisch, Wurzelgemüse knackig, Rinderkraftbrühe schwächelt. Filet von Bachsaibling und Zander auf Spinat-Risotto und Safranschaum: Fische totgegart und trocken, Spinat-Risotto warmgehalten, Safranschaum: wo ist der Safran??? Kalbsschnitzel mit Bratkartoffeln und Salatteller: zwei Stücklein wässriges, geschmackloses Kuhbaby in labbriger Panade, Bratkartoffeln bis auf die Trockenkräuter ok, Salatteller sehr ok. Zum Dessert schließlich „Der Klassiker – Rote Beerengrütze mit Vanilleeiscreme“ ist nach unserem Dafürhalten angewärmte Fruchtmasse aus dem Convenience-Eimer mit Sprühsahne , Fabrik-Gebäck und zwei Kugeln industrieller Eiscreme, wahrscheinlich Mövenpick, daran ist nun wirklich nichts slow, saisonal, regional, das könnte es in jeder Bustouristen-Massenabfütterungs-Anstalt geben. Spätestens jetzt verstehen wir auch, warum Guide Michelin, Gusto, Gault Millau, Varta, Schlemmeratlas, ja selbst die Slow-Food-Leute vom örtlichen Convivium Mainfranken-Hohenlohe einen Bogen des Schweigens um den Adler in Bürgstadt machen und wenn überhaupt dann schon eher das Weinhaus Stern vis-à-vis lobend erwähnen.
Die kleine Weinkarte wird dominiert von heimischen Gewächsen, klar, bei einem Wirtsehepaar, bei dem jeder von beiden einen eigenen Weinberg hat, Norbert Bachmann auf der Anhöhe des Centgarfenberges, Evely Bachmann im Erftal, und eine hauseigene Brennerei gibt’s auch noch (allerdings mit ausgesprochen mäßigen Obstbränden). Zwei alte Spätburgunder aus dem Barrique vom Stich – ein alteingesessener, sehr ordentlicher, örtliche Winzer – stehen zwar noch eindrucksvoll und recht wohlfeil auf der Weinkarte, aber beide sind längst ausgetrunken, statt dessen versucht die ziemlich gut Deutsch sprechende, sehr, aber nicht immer erfolgreich bemühte, ausgesprochen nette und zuvorkommende junge Bedienung mit dem einen Blusenknopf zu viel offen (mich freut’s, Caro blickt etwas giftig), uns zweimal einen viel jüngeren Wein aus der Lage anzudrehen, mit den Jahrgängen hat sie’s wohl nicht so. Zweimal wieder davon geschickt, erscheint dann schließlich die Chefin persönlich, versucht, uns was vom Fürst anzudrehen – der natürlich dominant auf der Weinkarte ist –, wir einigen uns dann gütlich auf einen Riesling und später einen Frühburgunder vom Neuberger, das flanscht allemal. Positiv bemerkenswert auf der Weinkarte ist auch die Degustation von jungen Centgrafenberg-Weinen vom Stich, Helmstetter, Neuberger und schließlich die Parzival-Cuvée vom Fürst, viermal 100 ml für zusammen 17,20 EURO, Centgrafenberg halt. Und wer keinen Wein mag: es gibt auch frisch gezapftes Faust-Bier aus Miltenberg, allemal eine sichere Bank.
Ach ja, das Frühstück: sicherlich keine gastronomische Meisterleistung, aber basst scho …, wenigstens frische Bäckersemmeln.
Summa summarum: wäre dies ein kleines, bescheidenes Dorfgasthaus, so würde ich sagen, man ist hier bemüht, sehr bemüht um bodenständige, einfache, frische Küche. Ich würde auch sagen, dass Einrichtung und Ambiente der Gastzimmer funktional-unprätentiös sind, und dass es für’s Übernachten und zum Essen schon reicht. Würde ich sagen, wäre dies ein kleines, bescheidenes Dorfgasthaus. Ist es aber nicht. Das Marketing-Sprech der Website verheißt sehr hohe kulinarische Freuden und gediegenes Ambiente. Und weder das eine noch das andere wird hier erfüllt, diese Versprechen sind Mumpitz. Einfache Küche, geschmacklich nicht ganz treffsicher eingerichtete Gasträume, oft überforderte Bedienungen, eine Chefin, die zwar präsent ist, aber offensichtlich nur selten mit anpackt und einfache Zimmer auf dem Dorfe, mehr haben wir sicherlich nicht wahrgenommen.
Adler Landhotel
Evelyn Bachmann
Hauptstraße 30
63927 Bürgstadt
Tel.: +49 (93 71) 9 78 80
Fax: +49 (93 71) 97 88 60
E-Mail: reservierung@adler-buergstadt.de
Online: www.adler-buergstadt.de
Hauptgerichte von 9,90 € (Kürbisgnocchi in Salbeibutter) bis 24 € (Entenbrust in Calvados-Sauce), Drei-Gänge-Menue von 21,30 € bis 43,50 €
DZ Ü/F 100 € bis 160 € (pro Zimmer, pro Nacht)
Das sagen die Anderen:
Dehoga-Klassifizierung: **** und ****S
Guide Michelin (Booktable) Inspektoren: n.a.
Guide Michelin (Booktable) Gästebewertungen: n.a.Gault Millau: n.a.
Gusto: n.a.
Schlemmer Atlas: n.a.
Varta: n.a.
HRS-Klassifizierung: 4 von 5 Sternen; HRS-Kundenbewertung: 9,2 von 10 (bei 31 Bewertungen) , 97% Weiterempfehlung
Booking.com-Klassifizierung: 4 von 5 Sternen; Booking.com-Kundenbewertung: 8,9 von 10 (bei 81 Bewertungen)
Holidaycheck: 5,5 von 6 Sternen (bei 27 Bewertungen)
Yelp: 4,5 von 5 Sternen (bei 7 Bewertungen)
Tripadvisor: 4,5 von 5 Punkten (bei 23 Bewertungen)
Google: 4,6 von 5 Sternen (bei 65 Bewertungen)
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