Summa summarum: trendige, ordentliche französische Bistro-Imitation mitten in der Hamburger Innenstadt am Rathaus, quälend enge Bestuhlung, meist proppenvoll, halb hanseatische Bohème, halb Touristen, ordentlich-durchschnittliches Bistro-Futter, keine kulinarischen Abgründe, keine kulinarischen Höhenflüge, zünftige Weinkarte, ganz atypisch für Frankreich eine umfangreiche Frühstückskarte, und die gar nicht mal gut, nettes, oft schlichtweg überfordertes Personal, so ein ganz typisches „Kann man schon machen, muss man aber nicht.“
Die Bestuhlung ist schon mal echt pariserisch (ich schreibe hier ganz bewusst ‚pariserisch‘, in anderen Landesteilen Frankreichs ist das längst nicht überall so), nämlich quälend eng, dazu passen die winzigen, runden Tischlein, die schon für drei Gedecke gleichzeitig viel zu klein sind. Intime Gespräche, etwa über Investmentpläne oder Sackflöhe, sollte man hier tunlichst nicht führen, die Nachbarn bekommen alles zwangsweise mit. Etwas, aber nur etwas geräumiger – und in der Regel nicht ganz so voll – geht es in den Räumlichkeiten im ersten Stock – hier natürlich Bel Etage genannt – zu. Auf dem Trottoire vor dem Haus stehen in der warmen Jahreszeit ebenfalls kleine Tischlein und Stühlchen eng an eng, mitten im Staub der Straße, aber mit hübschem Blick auf den Rathausturm, denn das Café Paris liegt fast direkt am Rathausplatz, zentraler geht es in Hamburg kaum. Die Hälfte des Publikums besteht aus vorwiegend junger hanseatischer Bohème, die andere Hälfte sind Touristen, die sich selbst von den happigen Preisen nicht abschrecken lassen, das Café Paris steht einfach in zu vielen Reiseführern und ist längst kein Geheimtipp mehr.
Geboten wird hier ziemlich typische französische Bistroküche, Austern, diverse Tatar (sogar ein veganes, dann sollen sie’s halt Gemüsehäckerle nennen, aber bitte nicht Tatar, zefix!), bretonische Fischsuppe, Salade niçoise, Steak Frites, verschiedene Pâté (auf der Speisekarte zwar mit dem accent aigu über dem e, aber ohne korrekten accent circonflexe auf dem a geschrieben – ich weiß, niemand mag Klugscheißer), dazu ein täglich wechselndes Tagesgericht so zwischen 10 und 20 EURO, am Abend dann noch gratinierter Hummer, Weinbergschnecken, Bouillabaisse, dry aged Schweine-Kotelette, Gebratene Jakobsmuscheln mit sous vide Schweinebauch, ganz klassisch die vier Desserts Mousse au Chocolat, Île Flottante, Crêpe Suzette, Crème brûlée und natürlich die ziemlich guten hausgemachten Macarons für wohlfeile 2 EURO das Stück – das ist alles echte französische Bistroküche, relativ einfach, aber ambitioniert. Ganz atypisch hingegen die Frühstückskarte, für die das Café Paris in Hamburg eigentlich populär ist. Gleich acht Frühstücksgedecke werden angeboten – französisch, vegetarisch, klein, marokkanisch, amerikanisch, … – dazu diverse Croques, Eierspeisen, Waffeln, dabei weiß doch jedes Kind, dass Franzosen maximal einen Café Latte mit Croissant (die im Café Paris in Hamburg beide sehr gut sind) frühstücken und kein Croque Madame oder gar eine „Käse- und Wurstauswahl, Marmelade, Nutella, 1 gekochtes Ei, 1 Croissant, 1 Brötchen, Butter, Joghurt mit Frucht“, sowas ist nicht typisch französisch, sondern typisch piefkisch.
Was dann kommt, ist in Ordnung, nicht schlecht, nicht wirklich exzeptionell, einfach in Ordnung, ein bisschen mehr als gehobenes Management-Kantinen-Niveau, ein bisschen weniger als ein gestandenes Pariser Bistro. Die Kaffees durchweg sehr ordentlich, die Eier im Glas (5,60 EURO) pochiert, aber hart, die „Baguette-Sticks“ dazu eine Beleidigung jeden echten Baguettes, die Pancakes (10,40 EURO) ein einziger, harter, kalter Flatschen, aber der gebratene Speck dazu ziemlich gut, die Croques (8,90 EURO) mächtig, lauwarm, fett, mit viel Käse und Pressschinken, die Austern (3,90 EURO/Stück) – sagen wir mal – dubios, ebenso die Ceviche vom Seeteufel (18,90 EURO) am Abend, Kaninchenterrine (16,50 EURO) und Schnecken (16,50 EURO – allerdings für das Dutzend) wieder ordentlicher Durchschnitt bar jeden Tadels, aber auch bar jeden Lobes.
Der Service ist jung, ständig am Rennen, aus aller Herren Ländern, bemüht, meist freundlich, zuweilen aber auch ignorant oder (zurecht) mal zurückmotzend, zu Stoßzeiten sind die relativ wenigen jungen Leute schlichtweg überfordert mit der schieren Masse von wartendenden, fordernden, teils ungeduldigen, teils unmanierlichen Gästen, andere Gäste ergehen sich einfach im Savoir-vivre, nehmen den Service, wie er nun mal ist und trinken um halb Elf Morgens einen Pastis – wenn er dann mal serviert worden ist.
Café Paris
Wendt Restaurantbetriebe GmbH
Geschäftsführer: Holger Sturm
Rathausstraße 4
D – 20095 Hamburg
Tel.: +49 (40) 32 52 77 77
Fax: +49 (40) 32 52 77 78
E-Mail: info@cafeparis.net
Online: https://cafeparis.net/
Hauptspeisen von 28,50 EURO (Clubsandwich mit Fritten) bis 39,50 EURO (Bouillabaisse oder halber Hummer), Drei-Gänge-Menue von 46,70 EURO bis 68,50 EURO; Frühstücks-Gedecke von 14,50 EURO bis 18,50 EURO (ohne Getränke)
*Aus Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermährchen. Caput XXIII (über ein Abendessen mit Heines Verleger Julius Campe)