Hochzeit auf dem alten Schloss aus dem 17. Jahrhundert über der Donau, an den Hängen ein Weinberg, innen verspieltes Rokoko-Interieur, bestens renoviert, sonnige Terrasse mit weitem Blick über’s Tal, viele manierliche junge Leute in gedeckten Anzügen und sommerlichen, langen Kleidern, die schöne Braut ein Traum in Weiß, der Bräutigam im Cut sichtlich aufgeregt, Mendelson und Te Deum in der Schlosskirche, der Vater führt die Braut zum Altar, Tränen, Photographen, ganz großes Theater, Treueschwur, Segnung, Spalier für die Brautleute vor der Kirche, dann Musikanten, Sekt und Flying Buffet auf der Terrasse in strahlendem Sonnenschein, Gott meint es gut mit den Beiden, allerlei Verlustigungen über den Nachmittag, Geplauder, Lachen, Grüppchen bilden sich, lösen sich wieder auf, diffundieren in andere Grüppchen, des Abends großes Dinner im Schlosssaal, weiße Tischwäsche, weiße Hussen, weißer Blumenschmuck, Besteck für fünf Gänge eingedeckt, schwarz gekleidetes, flinkes aufmerksames Servicepersonal, ziemlich gute Weine fließen in Strömen, Bilder das Brautpaares aus ihrer Jugend, die unvermeidlichen Laudationen von Freunden und Verwandten, dazu ein Schmausen und Saufen, dass es selbst Bacchus erfreute, danach der Hochzeitstanz des Brautpaares im Saal im Erdgeschoss, die Musikanten spielen auf, „Time of my life“, fast alle strömen auf die Tanzfläche, und dann ist da ein Reigen und Wiegen, ein Annähern und wieder Flieh’n, ein Drehen und Wirbeln, ein Lachen und Tuscheln und Küssen, Anakreon für eine Nacht.
Einer der Best Men, ein stattlicher junger Bursche, ist aufgeregter als alle anderen, selbst aufgeregter als die Brautleute, allein der kontemplative Beobachter sieht es ihm an. Gegen Mitternacht ruft die Braut alle unverheirateten Frauen in den großen Saal, um traditionell den Brautstrauß ungezielt hinter sich zu werfen; die, die ihn fängt, wird als nächstes heiraten, so der Volksglaube. Die unverheirateten Frauen stellen sich in einer Reihe auf, vor ihnen, mit dem Rücken zu den Frauen, die Braut mit ihrem Strauß. Sie schwingt ihn, „Auf Drei“ ruft einer. Wir zählen alle mit. „Eins!“ Die Braut erhebt den Strauß wie zum Wurf über die Schulter, wirft aber nicht. „Zwei“ schreien alle. Wieder erhebt die Braut den Strauß, wirft aber nochmals nicht. „Drei“ brüllen nun alle sichtlich gespannt, und wieder erhebt die Braut den Strauß … und wirft ihn nochmals nicht. Stattdessen dreht sie sich um, läuft zu der Reihe unverheirateter Frauen und drückt einer von denen den Strauß persönlich in die Hand; die ist augenfällig völlig verdattert, versteht nicht, auch die anderen in der Reihe, niemand – fast niemand – im Saal versteht. Die Braut lacht entzückend-verschmitzt und entfernt sich wieder. Im selben Augenblick löst sich ein junger Mann – der aufgeregte Bursche – aus der umstehenden Menge, schreitet zügig auf die Frau, die den Brautstrauß hält, zu, geht vor ihr auf die Knie, vor allen Anwesenden und … macht ihr vor allen, unabgesprochen, volles Risiko, einen Heiratsantrag. Schweigen im Saal, man könnte die berühmte Stecknadel fallen hören. Sie sagt „Ja!“ Die beiden fallen sich in die Arme, dazu Geklatsche, Gejohle, Pfiffe, Tränen der Umstehenden.
Das nenne ich mal einen mutigen, stilvollen und doch romantischen Heiratsantrag. Ganz so schlimm scheint es um unsere Jugend nicht zu stehen.