Westküsten-Kochbücher (3/6) – Ellen Jackson: Portland Farmers Market Cookbook

Hoffnung macht ein weiteres Kochbuch, „Portland Farmers Market Cookbook“ von Ellen Jackson, Hoffnung, dass das Imperium doch nicht im Fast-Food-Einerlei dem eigenen Untergang proaktiv und furios entgegen stürmen möge (um der kulinarischen Tristesse wenigstens im kollektiven Tode zu entgehen), sondern satt und träge und wohl genährt und asap und friedlich einfach versinkt. Portland war schon immer etwas liberaler, freakiger, offener, kulturbeflissener, moderner als die meisten imperialen Siedlungen. Seit 1992 hat die Stadt einen eigenen Farmers Market, der aus bescheidenen Anfängen mit 13 Bauern auf einem Parkplatz heute eine beachtliche Größe und Kontinuität gewonnen hat. Genau genommen sind es zwei Farmer Markets unter gleicher Verwaltung, einer auf dem Universitätsgelände mit fast 150 Ständen jeden Samstag und ein kleinerer jeden Mittwoch mit knapp 60 Ständen am Shemanski Park. Portland bietet offensichtlich genügend alternative, qualitätsbewusste Kaufkraft und die Umgebung bietet genügend alternative Produzenten, die sich nicht an Monsanto orientieren, sondern an Jahreszeiten, Biologie, Traditionen, Achtung vor der Schöpfung und ihren Kreaturen. Das alles mag zu einer gegenseitigen Befruchtung und Wachstum geführt haben, die sich heute in zweimal wöchentlich ziemlich guten Einkaufsmöglichkeiten niederschlagen.

Nun hat sich Ellen Jackson daran gemacht, Rezepte zu sammeln, Rezepte von Farmern und Herstellern, die auf dem Markt verkaufen, Rezepte von Küchenchefs, Restaurantbesitzern und ganz normalen Familien-Köchen, die auf dem Markt einkaufen und natürlich Rezepte von ein paar Lokal-Promis. Was dabei herauskommt, ist durchwachsen. Zum einen sind da unendlich triviale Rezepturen, Hühnerleber-Mousse etwa aus scharf gebratenen Hühnerlebern, die zusammen mit Crème Double, Butter und Gewürzen püriert werden, oder Tonnato aus Fertig-Mayonnaise, Dosen-Thun, Dosen-Anchovis, Kapern und Gewürzen … für sowas braucht’s nun wirklich nicht noch ein Kochbuch. Positiv zu bewerten ist hingegen sicherlich die Tatsache, dass dieses Kochbuch auch Rezepte mit für den imperialen Durchschnittsbürger ungewöhnlichen, nicht bei Walmart erhältlichen Zutaten bietet, Treviso etwa, Sumach oder Heirloom-Tomaten (eine alte Sorte aus Deutschland oder Spanien, darüber gehen die Meinungen auseinander). Aber ansonsten ähnelt dieses ausgesprochen mäßig und weitgehend zweck- und lieblos bebilderte Kochbuch ganz stark diesen neuerdings in Deutschland in Mode gekommenen, spiralgebundenen, bilderlosen, oft handgeschriebenen Regionalkochbüchern, vorzugsweise von Landfrauen, wo man in krackliger Schrift und spärlichem Deutsch erfahren kann, dass Pizza mit Schinken und Schafskäse ein ganz typischer Gericht der Schwäbischen Alb sei. Ähnlich bietet das Portland Farmers Market Cookbook eine Tour de Force durch die persönlichen Lieblingsgerichte der Beitragenden, grob gegliedert nach Jahreszeiten und was Feld und Flur dann jeweils bieten: Tarte mit jungen Artischocken und Ziegenkäse, gegrilltes Huhn mit Sauerampfer-Pesto, Tomatensalat mit Dill und Tonnato, Zucchini-Nudeln mit Pissnelken-Pesto (nein, nur Spaß, Dandelion ist zu Deutsch Löwenzahn, in manchen Gegenden auch Pissnelke genannt, also freundlicher übersetzt mit Löwenzahn-Pesto), Buttermilch Panna Cotta, cremiger Blumenkohl, Pilzrisotto, selbst sauer eingelegtes Kraut. Einerseits triefen die meisten Rezepte dabei von Buzzwords wie organic, fresh, kosher, natural, andererseits haben die Beitragenden auch keine Probleme damit, wie selbstverständlich Vanille Extrakt zu verwenden (ein einziges von ein paar Dutzend süßend Rezepten verlangt nach einer echten Vanille Stange, die anderen verwenden Chemo-Zeugs) oder Fertig-Teige oder auch mal Instant-Produkte. Und die Mengen von Butter, Cream, Sour Cream, verschiedensten Käsen, Cream Cheese, Öle, Heavy Cream und Zucker, die hier verkocht werden, entsprechen gewiss nicht vollends dem aktuellen Europäischen Begriff der Leichtigkeit.

Alles in Allem ist dieses Kochbuch sicherlich gut gemeint. Mehr auch nicht. Aber vielleicht wird es in ein paar Jahrhunderten für einen Ernährungs-Ethnologen einmal eine interessante regionale Quelle.


Ellen Jackson: Portland Farmers Market Cookbook: 100 Seasonal Recipes and Stories that Celebrate Local Food and People. Photos von Alan Weiner und Charity Burggraaf. Seattle: 2016 (Sasquatch Books). ISBN-10: 1632170159, ISBN-13: 978-1632170156. Preis 26,73 €

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