Jede Nation hat ihre gute Stube, meist Hotels, wo ausländische Staatsgäste bevorzugt in Hochsicherheits-Präsidenten-Suiten untergebracht werden, wo die Reichen und die Schönen ihre Festivitäten abhalten, wo Waffenschieber und Escort-Girls sich unheilige Stelldicheins geben, für solche Leute halt. Mit nicht weniger als dem Anspruch, solch eine gute Stube zu sein, war das Adlon bei seiner Neu-Eröffnung 1997 angetreten, und es hat seit dem tatsächlich nicht wenige Prominente, Verbrecher und prominente Verbrecher gesehen. Aber es bröckelt massiv, der gebleichte King of Pop hielt sein Balg hier weiland noch bejubelt aus dem Fenster, schon der andere schwarze Ami stieg dann doch lieber im Ritz Carlton ab, angeblich wegen der besseren Fitness-Möglichkeiten. Und die Liftboys gibt es auch längst nicht mehr. Bei allem Luxus geht es offensichtlich abwärts mit dem Adlon, statt frisch gerösteter Nüsschen auf dem Silberteller im Pool ist heute der Whirlpool einfach still gelegt und mit einer Plastikfolie verschlossen, im Eingangsbereich sind schwarze Schleifspuren von Koffern – leicht auszubessern – nicht zu übersehen, so mancher Stuhl- und Sesselbezug bedürfte dringend einer Generalüberholung, die Frühstücksbuffets nähern sich mehr und mehr den Massen-Abfütterungs-Trögen eines Interconti oder Marriott an, so mancher Barkeeper dürfte in einem seriösen Haus keinen Shaker anfassen, lange Schlangen vor der Rezeption beim Sonntag-Morgen-Auschecken, ungebremst hereindrängende Touristen, die sich gegenseitig vor dem Elephantenbrunnen photographieren und nach einigem glotzen wieder verschwinden … t.b.c. Such is life, andere Sachen sind ja auch nach wie vor ganz nett, das Mineralwasser im Auto, wenn es vom Parken vorgefahren wird, der Schuhputzservice, der … das … die …, ja, es gibt auch nette Dinge. Aber wenn ich über 500 EURO pro Nacht für ein normales Zimmer – nicht etwa eine Suite – zahle, und im Schrank erwartet mich dann sowas (siehe Photo, das Regalbrett im Schrank für den Koffer) erwartet, dann frage ich mich schon, wofür ich das Geld zahle. In einer Pension, einem kleinen Hotel, wo man nicht alle paar Monate die Möbel erneuern kann, ist solch ein zerkratztes Brett völlig ok (dem Koffer ist es ja egal, wo er rumsteht), aber in der guten Stube einer Nation? Ein Unding.
P.S.: Und dann sehe ich dieser Tage, dass das Zimmer im Adlon auf einer dieser Hotel-Reste-Ramsch-Rampen im Internet für 249 EURO angeboten wird, inklusive Frühstück, Zugang zum SPA und Fitness-Bereich, einem Glas Champagner und freiem WLAN, da weiß man dann wirklich, woher der Wind weht. Spekulativ würde ich ohnehin davon ausgehen, dass es schon seit Längerem eine differenziertere Preispolitik im Adlon gibt, dass es neben der offiziellen Hochpreis-Politik irgendwo Verkaufskanäle geben muss, die auch Leute in’s Hotel holt, die eben nicht wirklich wissen, wie man sich bei einem Frühstücksbuffet benimmt, was der Sinn und Zweck von Messer und Gabel ist (nicht etwa, dass jeder, der sich ein teures Hotel leisten kann, das wüsste, beileibe nicht) oder wie man sich in einem guten Hotel kleidet.