Es gibt Locations, die können einfach nicht gut sein … die dürfen einfach nicht gut sein, schon allein wegen der Lage, der baulichen Gegebenheiten, des Ambientes und des Publikums. Ein Café in alten fürstbischöflichen Gemäuern mitten in der Stadt, mitten in der Touristen-Stadt, direkt neben dem Dom, dem historisch-baulich-sakral bedeutsamen Dom, volle Möhre an der Idiotenrennmeile, auf der das massentouristische Zahlvieh in großen Rotten durch historien-schwangere Pfade getrieben wird, so ein Café kann eigentlich nicht gut sein … sollte man meinen. Also, wenn ich in solch einer Location einen Pachtvertrag hätte, ich würde an Torten und Süßwaren alles ranschleppen, was Metro & Co. tiefgefroren zu bieten haben, das dann vor Ort auftauen, von Mindestlohn-Osteuropäern und ungelernten Studenten servieren lassen und zu Mondpreisen an Flair- und Torten-hungrige Amis verscherbeln, die ohnehin nie wiederkommen und die mir maximal einen schlechten tripadvisor-Eintrag bescheren könnten, wenn sie überhaupt merken, wie sehr sie von mir abgezockt und über’s Ohr gehauen wurden. Tja, so ein böser Mensch wäre ich. Und sollte es mich selber tatsächlich einmal in dieses Lokal als Gast verschlagen, was würde ich da schimpfen und lamentieren, ob des Convenience-Fraßes und dem schlechten Service. Tja, so ein böser und dazu noch bigotter Mensch wäre ich. Aber ich habe ja nun leider keinen Pachtvertrag für solch eine Location an solch einem Ort und muss mich daher auf’s Schreiben beschränken.
Tja, und das Schimpfen und Lamentieren muss auch wegfallen, zumindest in diesem einen speziellen Fall, gleichwohl ich schon reichlich skeptisch war, als die Freunde am Sonntagmorgen zum Frühstück ins Café Stephan’s Dom (keine Ahnung, was diese blödsinnige Schreibweise soll, motz-nörgel-grantel) in Passau einluden. Location – wie gesagt – aber sowas von mitten im Getümmel, aber Touristen kommen in der Regel erst ab 10:00 Uhr zum seeing der sights, vorher müssen sie im Hotel oder dem Fluss-Kreuzfahrtschiff die Frühstücks-Buffets ratzekahl abräumen (ist ja schließlich alles im Pensionspreis inkludiert, da darf man nichts verkommen lassen!), mit Ausnahme allerdings der Koreaner, der Nord-Koreaner um genau zu sein, die sind früh auf, sehr früh auf und unterwegs, da schlafen selbst die Japaner noch. Es ist also noch relativ ruhig, als wir durch alte Vorhöfe vorbei an der angegliederten Pralinen-Manufaktur ins Café Stephan’s Dom in der ehemaligen Dompost gehen. „Neo-Barock“ beschreiben die das Interieur aus schwarzen Stofftapeten, pinken Plüschsesseln, türkisen Lehnen, orientalischen Leuchtern, vergoldeten Lüstern und dem mittelgroßen, nichtsdestotrotz prächtigen Kuchenbuffet (in dem – auch das sei eingestanden – nichts aufgetaut ist, bei der Passauer Josef Greindl GmbH, einer alteingesessenen Konditoren-Familie mit 50 Mitarbeitern, 1,5 Millionen EURO Jahresumsatz und drei Standorten in der Passauer Innenstadt wird noch selber gebacken, und das ziemlich gut); ich würde hier ja glatt zu der Bezeichnung „Mega-Barock“ tendieren angesichts der überbordenden Fülle.
Die Bedienungen sind sehr flott, flink und freundlich, allerdings lahmt die Flinkheit etwas, als es später voller und irgendwann auch mal brechend voll wird. Das Standard-Kaffeeangebot ist tadellos, bemerkenswert die keine Auswahl an Spitzenkaffees aus Mexiko, Äthiopien, Guatemala und Costa Rica im Bodum-Brüher serviert für 6,50 EURO das Kännchen, die Tees aus dem Beutel einfach nur ein erbärmliches Armutszeugnis, die Trinkschokoladen wieder aus guter Vollmilch und Kakaos aus der hauseigenen Pralinen-Manufaktur. Kuchen und Torten ein Gedicht, so muss handwerkliche, frische Konditor-Ware, und auch die Frühstücke sehr ordentlich, frisches Obst, guter Lachs, ordentliche (ordentlich, nicht hervorragend) Wurst und Schinken, frisch zubereitete Eier, gutes Backwerk, dafür zahlt man gerne 3 bis 10 EURO. Ob man die kleinen Speisen – vom Salat über den Wrap bis zum Burger – in einem Dom-Café allerdings ausgerechnet nach den Erzengeln benennen muss („CHERUBIM: Verschiedene Blattsalate mit Paprika, Kräutercroutons, gebratenen Putenbruststreifen und Hausdressing“ oder „CHAMUEL: Wrap gefüllt mit frischem Marktgemüse, Käse, Eisbergsalat und gebratenen Putenstreifen, geschwenkt in Tomatensauce, an Salatbouquet“) ist fragwürdig; persönlich finde ich es geschmacklos und eine ungeheure Herabwürdigung der christlichen Religion in einem Haus der Katholischen Kirche.
Summa summarum: Abgesehen von den Ärgernissen mit dem Tee und der Benamung: ein unerwartet schönes und gute Café mit sehr guten Backwaren, guten Getränken, nach Kräften guten Bedienungen und moderaten Preisen in historisch-zentraler Lage (also, ich würde den Amis ja mehr abknöpfen …).
Café Stephan‘s Dom
Familie Greindl
Domplatz 2
94032 Passau
Tel.: +49 (8 51) 4 90 55 74
Online: www.greindl-passau.de/cafe-stephans-dom/