Wenn Köche dichten

Eigentlich sollen Speisekarten ja verlässlich und Appetit fördernd Auskunft darüber geben, was die Küche des Hauses dem Gast anbieten kann. Wenn man – wie ich – dann und wann mal Speisekarten aufmerksam studiert, so findet man dort zuweilen kreative Höhenflüge und Bruchlandungen von Köchen oder Restaurantleitern, die jeder Bespottung schreiben. Hier ein paar Auszüge aus meinem kleinen schwarzen Notizbüchlein (geschulte Restaurant-Mitarbeiter werden immer ganz unruhig, wenn sie sehen, wie ich während der Essenspausen darinnen schreibe) aus den letzten Monaten Speisekarten-Studium.

Am harmlosesten sind noch die, die einfach mit der Orthographie und Grammatik auf Kriegsfuß stehen, da gibt es etwa „Rinderbouillon mit eigener Ravioli“, „Krepinette auf Püree“ oder „Tartar vom  Charolaix Rind“. Geschenkt, kann ich da nur sagen, ein anständig kochender Analphabet oder Legastheniker ist mir zehnmal lieber als ein schlecht kochender, geschliffen schreibender Literat, zumal ich selber zuweilen mit der Oddograffie hadere, die meisten bösen Leser-Kommentare meiner bescheidenen Beiträge beginnen monoton mit „Wer noch nicht einmal … richtig schreiben kann, der sollte auch nicht versuchen, … zu kritisieren“, von daher, Schwamm drüber.

Die nächste Kategorie sind dann die Schwülstigen, die offerieren auf ihren Speisekarten etwa „Geeister Frankfurter Kranz vermählt mit Kaffeecremeeis“, „Wahrhol trifft Goethe: Burger mit Grüner Soße“ oder gar „Aufgehende Sonne in der Morgenröte: hausgemachtes Himbeereis auf Himbeer-Himbeergeist-Spiegel“. In diese Kategorie würde ich ebenfalls die Musikalischen einordnen, die ein „Duett von …“ (das sind meist zwei Grundlebensmittel, die eigentlich nicht wirklich zusammen passen), eine „Trilogie von …“ (das ist dann meist ein einziges Grundlebensmittel in drei verschiedenen Zubereitungen) oder eine „Komposition von …“ (meist schlichtweg ein Euphemismus für ‚Alles was dringend weg muss in der Küche‘) offerieren; „Quartett“ oder „Solo“ hingegen habe ich bis jetzt noch auf keiner Speisekartegefunden, wobei so ein „Solo vom Iranischen Osietra Imperial satt mit den klassischen Beilagen“ schon was hätte.

Vollends abstrus wird es allerdings, wenn die Köche in Gelegenheitslyrik abgleiten, dann gibt es etwa „Cremiges von der Zwiebel  – vegetarisch mit Käsekracherle“, „Allerhand Herbst im Pfannkuchenmantel“ oder „Rücken vom Niederrheinischen Damwild auf Allerlei aus Wald & Flur“. Das kann nochmals gesteigert werden mit kryptischer Gelegenheitslyrik, wie etwa „Geheimnistrilogie von der Auster“, „Feenschaum vom Sellerie mit krachigem Schwein“ oder auch „Des Hummers Traum“.

Mädels, Jungs in der Küche, ihr sollt kochen, dafür mag ich Euch, dafür bin ich Euch meistens dankbar, dafür bewundere  ich Euch zuweilen, dafür verehre ich Euch selten, aber last die Finger vom Dichten. Wenn ich eine Speisekarte lese, will ich lesen, welche Speisen es gibt, wenn mir nach Lyrik zumute ist, bevorzuge ich Celan oder Rilke. Wenn Ihr ein Carpaccio von alten Rübensorten mit Tranchen von confierter Ente und Quitten-Chutney serviert, dann schreibt doch bitte nicht auf die Speisekarte „Fettiges auf Erdigem mit Fruchtigem“ – das hilft mir recht wenig bei meiner Menue-Wahl und ich frage dann ja doch den Kellner nach dem tieferen Sinn und der tatsächlichen Bedeutung dieses lyrischen Auswuchses –, schreibt doch ganz einfach auf die Speisekarte „Carpaccio von alten Rübensorten mit Tranchen von confierter Ente und Quitten-Chutney“, das ist zwar etwas länger, aber ich weiß, worum es geht, und der Kellner spart ebenfalls Zeit, weil ich ihn nicht fragen muss.

Danke.

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