Bevanda Bar: Geniale Location, grobschlächtige Vorspeisen, geniale Desserts, ordentliche Drinks, affige Abgrenzung

Über das Bevanda Restaurant ist schon viel geschrieben worden: eines der besten Lokale Kroatiens, dem Österreichischen Gault Millau 14 Punkte wert, traumhafte Lage, stylisches Ambiente, innovative, regional verwurzelte Hochküche, tolle Atmosphäre, kompetenter Service, phänomenale Weinliste, … Nun gut, lassen wir das alles mal so stehen, wir waren nämlich nicht im Bevanda Restaurant.

Wir waren in der Bevanda Bar, einem offenen Lounge-Bereich vor dem eigentlichen Restaurant und Hotel. Wenn man das Bevanda nicht kennt oder sucht, findet man es in Opatija nicht, und das Bevanda will sich anscheinend auch gar nicht finden lassen. Keine Hinweisschilder und Reklametafeln, keinerlei plakative Werbung, das Hotel über die wenigsten der gängigen Hotel-Portale buchbar, selbst die Internet-Präsenz des Bevanda ist quasi non-existent, unter der URL www.bevanda.hr findet man außer einer Email-Adresse für Reservierungen und einer Telephonnummer absolut nichts, noch nicht einmal die Adresse. Das Bevanda kennt man, oder man bekommt es von guten Freunden empfohlen, sonst hat man dort eigentlich sowieso nichts verloren, Laufpublikum unerwünscht. Das Haus liegt absolut versteckt, von der Stadt quasi nicht sichtbar, auf einer kleinen Landzunge hinter dem Agiolina Park und dem Freilichttheater Opatijas, alles, was man von dem Haus sieht, ist von der Seite eine dreigeschossige, weiße Beton-Fassade, die zu jedem sozialistischem Plattenbau passen würde. Auf der einen Seite des Bevanda liegt ein „Beach Club“ mit aufgeschüttetem Sand, Miet-Liegen, Sprungbrett, einer miesen Strandkneipe mit billigen Rattan-Möbeln, Daddel-Musik-Beschallung und teuren Drinks (aber hier kann man die Sonne in Opatija bis zum letzten Strahl genießen, auch eine Value Preposition), dahinter noch ein Beachvolleyball-Feld, und wenn man all diese Schönheit tapfer durchquert hat steht man unvermittelt vor dem Hintereingang des Bevanda – sofern der Eingang nicht durch ein schweres Eisentor versperrt ist. Den Vordereingang erreicht man vorbei an dem kleinen Hafen Opatijas, über einen Parkplatz direkt am Meer, vorbei an der – unsäglichen! – Hemingway Bar (sagte ich schon, dass der alte Ernest sich ob dieses Missbrauchs seines Namens im Grabe umdrehen würde?), dann quer durch die Bootstankstelle kommt man schließlich zum Entree des Etablissements. Kann man ein Hotel besser verstecken?
Aber nun gut, wir haben’s schließlich doch gefunden. Die Lage ist unbestritten traumhaft, man kann – um bildlich zu sprechen, aber durchaus wörtlich zu nehmen – wirklich vom Bar-Sessel in’s Meer spucken, ein Dach aus Sonnensegeln, diesmal gepflegte, große, tiefe, stoffbezogene Lounge-Sessel mit dicken Kissen (nun gut, die Sesselbezüge könnten hier und da mal eine Reinigung vertragen), alles in lichten Farben gehalten, sehr langer Tresen mit Barhockern, adrett gekleidetes, flottes Personal, große Acryl-Ventilatoren an der Decke: wirklich stylisch und chic, kann man nicht anders sagen – und natürlich: die Lage, die Lage, die Lage … Die nächste Überraschung ist die Bar-Karte, eigentlich eine vollwertige Speisekarte, die sich endlich einmal deutlich von dem kroatischen Einerlei von Schinken, Käse und Suppe zur Vorspeise, Grillfleisch, Fisch, Pizza, Nudeln und Wiener Schnitzel zur Hauptspeise, Eis und Palatschinken zur Nachspeise absetzt. Stattdessen locken hier gemischte Platten Kroatischer Wurst- und Schinkenspezialitäten, hausgemachte Pasteten, Austern, verschiedene – spannend klingende – Fische und anderes Meeresgetier und eine sensationelle Nachspeisenkarte … Selbst die Bar-Getränke-Karte wartet mit großen Champagnern und ordentlichen Weinen auf, daneben aber auch wohlfeile, nichtsdestotrotz ordentliche heimische Gewächse, oft auch im Glas ausgeschenkt. Enttäuschend wiederum das Angebot an Cocktails, es gibt ein paar Sommer-Klassiker wie Mojito (mit sehr ordentlichem, allerdings braunem Rum, und das reichlich), Caipirinha (nicht etwa mit Pitu, sondern richtig gutem Cachaca und toller, südländischer eben , Minze), Cuba Libre, Gin Fizz usw., aber mehr auch nicht, alldieweil die große – sensationell bestückte – Bar im Hotel im Sommer geschlossen ist und nur das Theken-Personal in der Lounge ein paar Standard-Drinks (die aber ordentlich und mit tollen Zutaten) mixt.
Sehr ordentlich die Vorspeisenplatte von gemischten Kroatischen Würsten und Schinken, derb, fett, aber authentisch und lecker; einerseits ärgerlich, dass der auf der Speisekarte angekündigte Lardo auf der Platte ebenso fehlte wie der Speck, aber sei’s drum; nochmals ärgerlich, dass in der Lounge solch eines Feinschmeckertempels die Haut nicht gescheit von den Würsten abzogen wird um man unvermittelt mit 5 cm dünnem Schweinedarm-Streifen im Maule dasitzt (theoretisch könnte man sie ja in’s Meer spucken, tut man aber nicht, also sitzt man unangenehm berührt mit einer Serviette vor dem Maule da und versucht des Schweinedarms wieder ledig zu werden: peinlich!). Die verschiedenen selbst gebackenen Brote – besonders das Haselnussbrot – wiederum sehr lecker. Als Vorspeisen allerdings war diese Portion selbst für drei überzeugte Fleischfresser viel zu viel, geschweige denn für einen, es war lecker, authentisch, aber mächtig und derb. Nicht viel anders die Auswahl von Bruschette und Crostini: vier mächtige, große, dicke, hausgebackene Scheiben schlampig gerösteten Weißbrotes, jeweils längs halbiert, belegt mit einem Berg gebackener Zucchini-Würfel oder halbierten Cherry-Tomaten oder gutem Mozzarella oder je einer Scheibe Schwertfisch bzw. Schinken. Das waren weder Bruschette noch Crostini, das waren einfach dicke Scheiben schlecht gerösteten guten Brotes mit Bergen von irgendwas vollgekippt. Dann schließlich eine Focaccia mit Rauke, Tomaten, Parmesan und Tagliata vom Rind: ein aufgeschnittenes, wieder gutes, geröstetes Brot mit der Größe eines mittleren Laptops, belegt mit Unmengen von Salat, Käse und sehr guten, rosa gebratenen Rindfleischstreifen: gute Zutaten, mächtig, wuchtig, einfallslos, grobschlächtig – aber weder fein noch kreativ noch sonderlich gekonnt. All diese Vorspeisen würden jeder einfachen Dorfkneipe in der Bergen nach einer zehn-stündigen Wanderung zur Ehre gereichen – in dieser Lounge am Meer haben sie absolut nichts verloren. Über die Hauptspeisen vermag ich nichts zu sagen, uns war bei den Vorspeisen bereits der Hunger abhandengekommen. Irgendwann trauten wir uns nochmals an das hauseigene Clubsandwich – und, raten Sie: riesige Scheiben schlecht getoasteten Weißbrotes, Berge von gegrillter Hühnchenbrust und Salat, dazu Scheiben gerösteten Specks (mit Knorpeln – superb, im Clubsandwich in einer noblen Bar), sowie eine Unmenge einer undefinierbaren Sauce – das kulinarische Prinzip war ja nun bereits bekannt und scheint hier durchgängig. Ganz anders allerdings die Desserts, der Pâttisier im Bevanda versteht sein Handwerk wirklich und scheint auch in der Bar tätig werden zu dürfen. Lauwarmes Schokoladensoufflé mit flüssigem Schokolade-Minz-Kern an einer Zitrusfrucht-Eiskugel auf gerösteten Nusssplittern, eine leichte Rožata mit ganz dezentem Rosenaroma, ein Flan aus einem lokalen Frischkäse – und alles in wirklich kleinen Portionen und alles genial. Wenigstens bei den Nachspeisen versteht in der Bevanda Bar wirklich jemand sein Handwerk, qualitativ wie quantitativ.
Und dennoch, trotz der wunderschönen Location, dem stylischen Ambiente, der bemühten Speisekarte und dem durchaus flotten, freundlichen Service, in der Bevanda Bar wird dem Nicht-Hotel-Gast doch zugleich auch sehr deutlich gemacht, dass man längst nicht die höheren Weihen mit dem Recht zum Betreten von Hotel und Restaurant hat, man ist das besser außen vor bleibende Laufpublikum, die Staffage für die feinen Herrschaften, die in’s Bevanda eintreten, alldorten dinnieren, vielleicht sogar schlafen dürfen. Zwei Dinge haben mir hier wirklich die Nackenhaare hochgestellt: einen Blick in die Karte des Bevanda-Restaurants in der Bevanda Bar werfen zu dürfen, das klappte gerade noch (obwohl die Bar-Bedienung bereits beim bitten um die Karte leise und verlegen sagte „My boss usually doesn’t like this“), aber eine Crème brûlée von der Foie gras aus der Karte des – völlig leeren – Restaurants (mit durchgängiger Küche) in der Bar bestellen zu wollen, das geht überhaupt nicht (ich würd‘ das ja noch verstehen, wenn der Laden voll wäre und solche Extrawünsche nur die Abläufe durcheinander bringen – aber bei leeren Tischen und haufenweise herumstehendem Personal?). Weitaus besser noch: unmittelbar hinter dem Eingang zu Restaurant und Hotel befinden sich die Hoteltoiletten; doch für Gäste der Bar befindet sich vor dem Restaurant-Eingang – keine 10 Meter von den Restaurant-Toiletten entfernt – ein Hinweisschild für Toiletten für die Bar-Besucher, 25 Meter entfernt in einem nicht mehr stylischen Seitengebäude. All Bevanda guests are equal, but some are more equal (wer waren doch gleich bei George Orwell die more equal?).
Summa summarum: genial gelegene, stylische, gemütliche Lounge-Bar direkt am Meer, flotte, freundliche Bedienung, gute Getränkekarte (im Wein-/Champagner-Bereich mit Ausreißern nach oben, im Cocktail-Bereich eher abgespeckt), toll klingende, relativ große Bar-Speise-Karte mit Vorspeisen – was Qualität und Quantität der Gerichte anbelangt – auf grobem Holzhacker-Niveau (ordentlich, viel, sättigend, kulinarische Highlights bleiben aus), Hauptspeisen Mangels Hungers aufgrund von Monster-Vorspeisen nicht probiert, Nachspeisen absolut genial und Sterne-Niveau; dennoch wird den Bar-Besuchern sehr deutlich klar gemacht, dass sie noch längst nicht die höheren Weihen haben, des Bevanda Restaurants und Hotels würdig zu sein.

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