Fünf Bücher zum Thema „Gin“

Mit Bernhard Schäfers Büchlein „Gin: Geschichte, Herstellung, Marken“ hat 2016 die Hamburger Ganske-Mediengruppe über ihre Ratgeber-Tochter Gräfe und Unzer und die über ihr Imprint Hallwang ein weiteres Werk in den boomenden Gin-Markt gedrückt. Schäfer bietet ein kleines, rasch, leicht und mäßig interessant zu lesendes Kompendium für den Laien, der mit den anderen Gin-Dummschwätzern an der Bar mithalten möchte. Auf keinen 100 Seiten im Klein-Oktav-Format gibt es eine Tour de Force durch die Geschichte des Gins mit den üblichen und alt Gin, Schaeferbekannten, oft gelesenen Einlassungen zu Ursprüngen im Genever, Gin Craze im Empire, Prohibition im Imperium und einen Exkurs zur Gin-Herstellung. Dann werden 21 aus meiner Sicht ziemlich beliebig ausgewählte Gin-Marken vorgestellt, dazu noch ein knappes Dutzend Gin-Cocktail-Rezepte mit der immer unentbehrlichen Mär vom Martinez als Vorläufer des Martini, ich weiß nicht, wie oft ich das nun schon gelesen habe, aber noch niemals in irgend einer Form belegt, es sind immer die gleichen, wahrscheinlich immer wieder voneinander abgeschriebenen Geschichtlein. Hier hat man eine kurze, nette, für mich inhaltlich belanglose, keine tiefere Einsichten bietende, sparsam bebilderte Einführung in den Gin.

Wer also eine kurze Einführung in den Gin sucht, der ist für den halben Preis für die doppelte Menge Buch, ebenfalls in Klein-Oktav, mit Jens Dreibachs gleichnamigem Werk „Gin: Geschichte, Herstellung, Marken“, erschienen 2015 im Komet Verlag für 4,99 € weitaus besser bedient. Sowohl von der Aufmachung, der Gliederung und dem Inhalt ähneln sich beide Bücher sehr, so dass ich zuerst an eine Zweitauflage unter einem anderen Label dachte, tatsächlich sind es aber zwei Werke, wobei Dreibach deutlich ausführlicher ist, freilich ebenfalls ohne heuristisch über die hinlänglich bekannten Gin-Allgemeinplätze hinaus zu kommen: Geschichte der Gins, Gin-Herstellung, Übersichten über Botanicals, Gin-Sorten und Tonics, sodann werden immerhin 90 Gins und ein paar Gin-Cocktails vorgestellt; dazu ist Dreibachs Büchlein deutlich üppiger bebildert, wenngleich das meiste Herstellerphotos, Stock-Bilder und historische Darstellungen wie die tausend Mal abgedruckte Gin Lane von Hogarth sind; originäre Bilder finden sich leider nicht.

Gin. BroomWer Klein-Oktav nicht mag, für den gibt es zum vierfachen Preis in Oktav wieder bei Hallwang bereits in der zweiten Auflage die Deutsche Ausgabe von Dave Brooms „How to drink Gin. Vom Mixen und Trinken“. Der Schotte Broom, eigentlich bekannt als Autor verschiedener Whisky-Bücher, z.T. ebenfalls bei Hallwang in Deutsch erschienen, wird auf einem Sticker auf dem quietsche-irisch-grünen Einband des Buches flugs mal als der „weltweit führender Gin-Experte“ bezeichnet, sicherlich eine kolossal verkaufsfördernde und dazu noch wohlfeile Aussage, die man weder hinterfragen noch widerlegen kann. Was dann im Inneren des wertig gestalteten Buches kommt, ist mal was vollkommen Neues: Geschichte des Gins, Gin-Herstellung, ein Exkurs über Gin-Geschmacksstile, dann werden – nach Regionen gegliedert – rd. 120 Gins vorgestellt und die Geschmacksnuancen mit blumiger Sprache umschrieben sowie ein paar Dutzend Gin-Cocktail Rezepte, … More of the same also. Zwei Dinge sind jedoch hervorstechend an dem Werk. Nicht der Martini Cocktail, sondern der Negroni wird hier als „König der Mixgetränke“ bezeichnet (Luc jubelt!). Und ein Cocktail-Rezept hat selbst mich von den Socken gehauen, nämlich der Breakfast Martini: dazu schüttele man 40 ml Gin, 20 ml Zitronensaft und 1 TL Zitrusmarmelade auf Eis, seihe ab und garniere das Ganze mit Toast. Also, für mich wäre der Tag gelaufen nach solch einem Frühstück …

Bei diesen drei Büchern zum Thema Gin wäre ich wirklich gespannt, was eine Plagiatssoftware zu Tage förderte, ließe man sie darüber laufen.

Erfrischen anders ist das Buch „Das ultimative Handbuch für den perfekten Mix: Gin & Tonic“ von dem Belgischen Spirituosen-Händler Frédéric du Bois und der Food-Journalistin Isabel Boons, in Deutschland bereits in der dritten Auflage bei Gerstenberg erschienen. Auf erfrischend kurzen 20 Seiten gibt es wieder die übliche Tour de Force durch Geschichte und Herstellung von Gin, sodann werden noch Geschichte und Herstellung von Tonic kurz abgerissen und über 50 Tonics vorgestellt und charakterisiert. Sodann führen die Autoren eine Gin-Geschmackstabelle in Form Gin, Boiseiner Matrix ein, mit den Gegensatzpaaren „Würzig/Komplex“ vs. „Süß“ auf der Abszisse und „Blumig“ vs. „Zitrus“ auf der Ordinate. In dieses System sollen sich angeblich alle Gins geschmacklich einordnen zu lassen, die Jungs und ich haben es versucht und sind jämmerlich gescheitert. Du Bois und Boons jedenfalls ordnen mit untrüglichem Geschmack 79 Gins in diese Matrix ein und bestimmen dann auch gleich noch kategorisch die für den jeweiligen Gin passende Tonic-Sorte. So geht normative Mixologie. Die Gins werden dann in gehabter Weise vorgestellt und kurz charakterisiert. Abschließend gibt es noch ein paar Seiten zum richtigen Mixen von Gin Tonic, ein paar Kochrezepte mit Gin, ein paar Gin-Bars und eine Übersichts-Liste zu den Gins mit einigen Leerseiten, damit der geneigte Leser diese Liste selber weiterführen möge.

Nochmals völlig anders ist das Buch „It’s Gin Time“ von Melanie Jonas, Jürgen Kaffer, Margitta Schulz Lohoff und dem Photographen Gabor Ekecs, im Quart-Format bereits in der vierten Auflage erschienen bei Delius Klasing. Das Buch ist eine wilde Kompilation unterschiedlichster Texte, Infos und Bilder zum Thema Gin: Kurzgeschichten, Auszüge aus Romanen, Aufsätze und mehr oder minder authentische Erfahrungsberichte zum Gin-Ge- und -Missbrauch, ein paar Cocktail- und sogar Kochrezepte mit Gin, einige Gins werden vorgestellt und das Ganze gefällig-belanglos aufgelockert mit sinnfreien, hübschen Bildchen feiernder, junger Menschen. Die belehrende Attitüde der vorherigen Bücher fehlt diesem Werk gänzlich, es ist einfach ein nettes Lesebuch, zum Durchschmökern im Urlaub am Pool in der Sonne … bei einem Gin Tonic.

  • Bernd Schäfer: „Gin: Geschichte, Herstellung, Marken“, 2016, Gräfe & Unzer / Hallwag, EUR 9,99
  • Jens Dreisbach: „Gin: Geschichte, Herstellung, Marken“, 2015, Komet, EUR 4,99
  • Dave Broom: „How to Drink Gin. Vom Mixen und Trinken”, 2016 – Gräfe & Unzer / Hallwang, EUR 19,99
  • Frédéric Du Bois, Isabel Boons: „Gin & Tonic: Das ultimative Handbuch für den perfekten Mix“, 2016,Gerstenberg Verlag, EUR 29,95
  • Melanie Jonas, Jürgen Kaffer, Magitta Schulze Lohoff: „It’s Gintime”, 2015, Delius Klasing, EUR 19,90

 

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